Digitalpolitik: Neue Initiativen der Digitalgremien

Foto: CC0 1.0, Pixabay / geralt / Ausschnitt bearbeitet
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Veröffentlicht am 20.03.2019

Mehrere Digitalgremien von Bund und Ländern haben in der vergangenen Woche neue Projekte angestoßen. So widmete sich der Kabinettsausschuss Digitalisierung einer digitalen Personalstrategie für den Bund und einem Update der Umsetzungsstrategie Digitalisierung. Beim IT-Planungsrat in Lübeck standen Registermodernisierung und OZG-Unternehmenskonto auf dem Programm. Derweil wünscht sich Schleswig-Holstein eine Digitalministerkonferenz der Länder und Bayern und NRW haben eine eigene Kooperation angestoßen.

Digitale Personalstrategie für den Bund

Um das Regierungspersonal fit für die digitale Arbeitswelt zu machen und erfolgreicher Fachkräfte zu gewinnen, setzte der Kabinettsausschuss Digitalisierung in seiner Sitzung am Mittwoch, 13. März, eine interministerielle Arbeitsgruppe ein, die eine neue Personalstrategie erarbeiten soll. Das Personal der Bundesverwaltung soll damit besser „den Herausforderungen der Digitalisierung“ begegnen: „fachlich, mit Blick auf moderne Arbeitsweisen, -methoden und -instrumente sowie gesundheitlich“, heißt es in dem Entschlusspapier.

Mit der neuen Personalstrategie sollen die Jobs in der Verwaltung deshalb auch attraktiver für Bewerber von außen werden. Bis September will die AG dem Kabinettsausschuss einen ersten Maßnahmenbericht vorlegen. Dass eine solche Strategie erarbeitet wird, gehört auch zu den dringenden Empfehlungen des Digitalrats, den die Regierung eingesetzt hat.

Federführend für die AG „Personal in der Digitalen Verwaltung“ ist das Innenministerium (BMI). Die anderen Ressorts sollen jeweils die Leiterinnen und Leiter der Z-Referate, also der für Personal zuständigen Referate, entsenden. Mehr Diversität bei den Abschlüssen des Führungspersonals ist gewünscht. Angedacht sind darüber hinaus gemeinsame, womöglich verpflichtende Fortbildungen zu digitalen Kompetenzen und Methoden in den Bundesbehörden. Auch Austauschprogramme mit der Wirtschaft werden geprüft, um „strukturierten Wissenstransfer im Bereich Innovation und Digitalisierung“ zu erreichen, etwa über „Tandem-Fellowships“ oder Teilnahme an einem Stipendien-Programm. Die „Fellows“ sollen dann als „Multiplikatoren in der Bundesverwaltung“ eingesetzt werden.

Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) sagte auf Anfrage des Tagesspiegels:

„Wir brauchen mehr Durchlässigkeit: Es muss die Möglichkeit geben, zweitweise außerhalb von der Verwaltung an der digitalen Front etwa in Unternehmen zu arbeiten sowie vorübergehend in die Verwaltung zu wechseln.“

Die Dynamik sei „zu schnell, als dass wir uns in ein Kämmerlein zurückziehen können“.

Neun neue Vorhaben für Digitalstrategie

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Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung. Foto: Tobias Koch.

Neben der neuen Personalstrategie hat sich das Digitalkabinett in seiner zweiten Sitzung seit der Gründung im Juni 2018 auf weitere Entschlüsse geeinigt. Dazu gehört auch ein „Update“ für die Digitalstrategie, das aus neun zusätzlichen Vorhaben besteht. Damit steigt die Zahl der Vorhaben auf insgesamt 120. Neben einiger neuer Projekte von begrenzter Relevanz finden sich auch bereits bekannte und beschlossene Vorhaben darunter, die wegweisend sein dürften, aber breit angegangen werden müssen: So etwa die elektronische Verkündung von Gesetzen und Digitalisierung der Justiz, ein Informationsverbund für die öffentliche Verwaltung sowie ein umfassendes Monitoring von Digitalkompetenzen aller Bevölkerungsgruppen (Projekt „Digitales Deutschland“).

Die weiteren Vorhaben sind eine Verbesserung des Datenmanagements zwischen Bund, Ländern und EU-Institutionen, eine Plattform zum Austausch digitaler Lehr- und Lernmedien in der dualen Berufsausbildung, ein „Innovationsbüro Digitales Leben“ mit dem Ziel, „Innovationspotenziale für eine lebenswerte Gesellschaft zu erkennen und zu fördern“ sowie die „Digitalisierung der Justiz auch im medienbruchfreien Austausch zwischen Polizei und Staatsanwaltschaften in Bund und Ländern und mit den Gerichten“.

Kennzahlen für Digitalstrategie

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Der bisher verfolgte Ansatz der Ressortzusammenarbeit soll fortgesetzt werden. Weitere Workshops mit Bundeskanzleramt und allen Ressorts seien in Vorbereitung. Fortschritte sollen so messbarer werden. Zusammen mit den Ministerien sollen bis Ende des Jahres Kennzahlen entwickelt werden. „Sie sollen transparent machen, wie die Digitalisierung in Deutschland vorankommt. So ein Vorgehen ist in der Verwaltung neu“, sagte Bär.

Wie diese Benchmarks aussehen könnten, wird auch bei der nächsten Sitzung des Digitalkabinetts Thema sein, die voraussichtlich kurz nach der Sommerpause stattfinden soll. Der Digitalrat der Regierung trifft sich das nächste Mal am 28. März.

Sitzung des IT-Planungsrats

Auch die Bundesländer setzten sich in der vergangenen Woche mit Fragen der Digitalisierung auseinander. Am Dienstag, 12. März, trafen sich die Verantwortlichen bei der Tagung des IT-Planungsrats in Lübeck. Der diesjährige Vorsitzende Hans-Henning Lühr, Bremer Finanzstaatsrat und Chief Information Officer (CIO), sagte im Vorfeld der Tagung, er hoffe, dass es 2019 gelinge, die Kommunen und die Länder mit zum „Motor“ zu machen. Zu häufig werde die Digitalisierung noch als Angebot vom Bund angesehen, die Beteiligungsprozesse seien entsprechend langwierig.

„Ich würde es begrüßen, wenn die Kommunen das selber stärker in die Hand nehmen“,

appellierte Lühr an die niedrigste Verwaltungsebene.

Unternehmenskonto und Registermodernisierung

Während die Anforderungen an ein Bürgerkonto, mit dem die Bürgerinnen und Bürger Behördengänge online erledigen können, schon sehr klar sind, will Lühr in diesem Jahr das Konto für Unternehmen in den Fokus nehmen. Dementsprechend beschloss der IT-Planungsrat auf seiner Sitzung ein länderoffenes Koordinierungsprojekt „Unternehmenskonto/-en“, um für Unternehmen den Zugang zur Verwaltung zu erleichtern. Zur nächsten Sitzung soll ein Vorschlag für die konkreten Anforderungen vorgelegt werden.

In Bremen würde derzeit eine entsprechende Abstimmung geplant, sagte Lühr. Unternehmen sollten selbst sagen, welche Priorität bei den digitalen Anwendungen sie sich für ihren Alltag wünschen.

„Wir müssen lernen, die Interessen der Unternehmen auch aufzunehmen und gegebenenfalls abzuwägen“,

so Lühr. Dabei müsse beachtet werden, dass die Interessen der Wirtschaft nicht unbedingt einheitlich sind:

„Ein Handwerksmeister in seinem Zwei-Mann-Betrieb hat beispielsweise sehr spezielle Ansprüche an ein E-Rechnungssystem.“

Darüber hinaus hat der IT-Planungsrat ein neues Koordinierungsprojekt „Registermodernisierung“ eingerichtet. Federführend sind der Bund, Hamburg und Bayern. Anlass ist die dezentrale Registerlandschaft in Deutschland, in der viele Register nicht miteinander verknüpft sind und es so zu Inkonsistenzen und Mehrfach-Erfassungen kommt. Eine moderne Registerlandschaft soll nach Wunsch des IT-Planungsrats eine nutzerfreundliche Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ermöglichen und den Verwaltungsaufwand verringern.

Weniger Schriftformerfordernisse

Bereits am Tag zuvor hatte der für Bund-Länder-Beziehungen verantwortliche Staatsminister im Bundeskanzleramt, Hendrik Hoppenstedt, eine Reihe von Gesetzesänderungen zur digitalen Verwaltung noch für dieses Jahr angekündigt. In Folge der Erkenntnisse aus den Digitallaboren wolle der Bund einige so genannte Artikelgesetze auf den Weg bringen, um unter anderem Schriftformerfordernisse abzuschaffen. So würden derzeit in den Laboren Anwendungen für die digitale Verwaltung für bestimmte Themenfelder nutzerzentriert erprobt und getestet. Neben dem Ziel, neue Anwendungen zu entwickeln, seien die Digitallabore allerdings auch angehalten, Vorschläge für dafür notwendige Gesetzesänderungen zu sammeln. Das Bundesinnenministerium (BMI) werte diese derzeit aus und bereite die notwendigen Gesetzentwürfe vor.

Eigene Digitalministerkonferenz der Länder?

Europaabgeordneter Jan Philipp Albrecht, der Verhandlungsführer des EU-Parlaments zu DS-GVO, (c) by Firz Schumann
Jan Philipp Albrecht Foto: Firz Schumann

Schleswig-Holsteins Digitalminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) forderte am Rande des IT-Planungsrates, dass sich die für Digitalisierung zuständigen Ministerinnen und Minister der Bundesländer künftig regelmäßig treffen und koordinieren. Gegenüber dem Tagesspiegel erklärte Albrecht, dass er demnächst alle zuständigen Ressorts auf Landesebene anschreiben wolle, damit ein erstes Treffen „möglichst noch im Herbst“ stattfinden könne – gerne unter Beteiligung der Digitalstaatsministerin im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär (CSU). Das Land Schleswig-Holstein arbeite bereits an einer eigenen Strategie für Künstliche Intelligenz (KI), berichtete Albrecht, auch in anderen Ländern gibt es Überlegungen oder konkrete Pläne, eigene Strategien aufzulegen. Das sei ein Beispiel dafür, dass es zunehmenden Bedarf an einem Dialogforum zu Digitalthemen gibt, das auch zum Austausch von „Best Practices“ dienen könne.

Die Gefahr, dass mit einer Digitalministerkonferenz eine Parallelstruktur zum IT-Planungsrat geschaffen wird, sieht Albrecht nicht. Der Planungsrat habe auch verfassungsrechtlich eine Sonderrolle, die man nicht abwerten oder geringschätzen sollte. Vielmehr ginge es darum, die Aufwertung des Politikfeldes in seiner Breite widerzuspiegeln.

Landesregierungen Bayern und NRW kooperieren

Zwar gibt es noch keine Digitalministerkonferenz, wie Albrecht sie sich wünscht. Doch einige Bundesländer machen trotzdem bereits gemeinsame Sache bei der Digitalisierung, zum Beispiel Nordrhein-Westfalen und Bayern. Unter dem Titel „Zukunftskommission zur Digitalisierung“ haben sich die Landeskabinette von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und seinem nordrhein-westfälischer Amtskollege Armin Laschet (CDU) am Dienstag, 12. März, zu einer gemeinsamen Sitzung in München getroffen. Als „Vorreiterländer“ wollten sie ihre Stärken ausbauen und Synergien nutzen, erläuterte Söder über den neuen „Digital Dialog“.

Rund ein Jahr lang soll der „Digital Dialog“ vorerst geführt werden, erklärte Judith Gerlach (CSU), Bayerns Digitalministerin, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Virtuelle Arbeitsgruppen würden nun gebildet, um „Synergien auszuloten, Best-Practice-Beispiele auszutauschen und gemeinsame Initiativen anzustoßen“. Anfang 2020 sollen erste Ergebnisse in einer gemeinsamen „virtuellen Kabinettssitzung“ präsentiert werden. Für die konkrete Ausgestaltung des „Digital Dialogs“ sind die jeweiligen Ressorts zuständig. Wobei möglich sei, weitere Länder punktuell miteinzubeziehen.

KI und Supercomputing, digitale Infrastruktur und Wirtschaft, E-Government, digitale Arbeitswelt- und Arbeitsmodelle, Bildung, E-Health, Mobilität und Cybersicherheit sind Themen, mit denen sich der Dialog beschäftigen soll. Beide Länder streben auch an, sich über ihre Aktivitäten und Erfahrungen zum automatisierten und vernetzten Fahren auszutauschen. Derzeit forschen sowohl NRW als auch Bayern an Projekten dazu. Die Länder sprechen sich auch für Deregulierung in der Medienpolitik aus. Vielfalt soll gesichert werden, etwa durch Transparenz und ein Diskriminierungsverbot für Google und andere Plattformen. Begrüßt wurden außerdem Überlegungen für eine gemeinsame Plattform von Medienunternehmen in Bayern und Nordrhein-Westfalen als Gegenmodell zu Youtube oder Facebook.

Ziel sei es, die Investition im Land zu halten. Auch Söder und Laschet wollen die Länderkompetenzen stärken. Eine „schleichende Abwanderung von Länderzuständigkeiten an den Bund“ müsse aufhören. In einer Meldung der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei heißt es:

„Das vom Bund gegenüber den Ländern zunehmend forcierte Prinzip ‚Bundesgeld im Austausch gegen Kompetenzabgabe‘ lehnen wir ab.“

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel BACKGROUND Digitalisierung & KI auf UdL Digital, Autorinnen sind Sonja Alvarez und Lina Rusch.

 

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