DigitalPakt Schule: Grundgesetzänderung vorerst vertagt
Ohne großes Aufsehen wurde vergangenen Donnerstag das „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 104c, 104d, 125c, 143e)“ von der Tagesordnung des Bundestages gestrichen. Der Grund: FDP und Grünen geht der Entwurf nicht weit genug, der unter anderem das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern lockern und so den Digitalpakt ermöglichen soll. Die Regierungskoalition braucht die Opposition, da sie allein nicht über die erforderliche Zweidrittelmehrheit verfügt. Die Verhandlungen sind schwierig, denn die ebenfalls stimmberechtigten Länder haben andere Vorstellungen.
Eigentlich sollte am Freitag den 19. Oktober die Grundgesetzänderung 104c vom Bundestag in zweiter und dritter Lesung beschlossen werden. Doch der Beschluss, der den Digitalpakt Schule ermöglichen soll, wurde von der Tagesordnung gestrichen. Grund hierfür ist, dass es scheinbar für die Grundgesetzänderung keine notwendige Zweidrittelmehrheit gab.
Eigentlich sind die vorgesehenen Änderungen von ihrer Länge her überschaubar. In Artikel 104c sind es nur zwei Worte, die geändert werden sollen. Statt „finanzschwachen“ soll „und Länder“ eingefügt werden. Doch die zwei Wörter haben einen entscheidenden Einfluss, kann doch durch sie der Bund statt nur „finanzschwachen Gemeinden“ auch „Ländern und Gemeinden“ bei der „Bildungsinfrastruktur“ finanziell unter die Arme greifen. Nach Ansicht der Regierung könnten so dringend notwendige Investitionen in die digitale Infrastruktur von Schulen erfolgen.
Mit 399 Mandaten besitzen die Regierungsfraktionen aus CDU/CSU und SPD aber nicht genug Stimmen. Sie sind damit auf die Zustimmung von 74 Parlamentariern aus der Opposition angewiesen. Erhalten würde die Regierung dies wohl am ehesten von FDP (80), Grünen (67) oder Linken (69), doch denen geht der momentane Vorschlag nicht weit genug.
Forderungen der Opposition
So sagte die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion Katja Suding dem Politikmonitoring:
„Der bisher auf dem Tisch liegende Vorschlag reicht nicht aus. Der Bund muss die Schulen stärker unterstützen können als nur mit zeitlich befristeten Projekten. Und er muss in Qualität und Köpfe investieren dürfen, anstatt nur in Kabel und Beton.“
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katja Dörner, zielt in die gleiche Richtung. Für sie ist es nicht nachvollziehbar,
„dass die Finanzhilfen weiterhin befristet und über die Dauer abgeschmolzen werden müssen. Hier beraubt man sich unnötig Handlungsspielraum.“
Der Passus, dass die Gelder des Bundes „im Zeitablauf mit fallenden Jahresbeträgen zu gestalten“ sind, steht in Grundgesetzartikel 104b. Um auch diesen zu ändern, haben Grüne und Freie Demokraten am 25. September zusammen einen Antrag gestellt, der eine stärkere, zeitlich nicht befristete und im Umfang nicht zurückgehende Regelung vorsieht.
Die FDP kritisiert zudem, dass die Regierung bei den Finanzmitteln, die sie den Ländern im Rahmen des „Kommunalinvestitionsförderungsgesetz“ schon jetzt zur Verfügung stellt, keinerlei Einsicht in deren Verwendung hat. Das liest sie aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage, auf die die Bundesregierung am 12. Oktober geantwortet hatte.
Dass die Grundgesetzänderung komplett abgelehnt wird, will aber ebenfalls keine der Fraktionen. Aus diesem Grund gab es am Freitag 19. Oktober wieder Gespräche zwischen FDP, Grünen und den Regierungsfraktionen, in denen nach einem Kompromiss gesucht wurde. Nähere Details wurden aber noch nicht bekannt.
Bundesrat
Im Vergleich zum Bundestag gehen die Verhandlungen um die Grundgesetzänderung mit den Bundesländern in die genau entgegengesetzte Richtung. Zwar möchten die Länder die Milliarden des Bundes gerne für den Ausbau und die Sanierung der Schulen erhalten, doch gleichzeitig fürchten sie, dass der Bund ihnen in der Bildungspolitik immer stärker hineinredet. Hinzu kommt, dass sich die Kultusminister und Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) noch über die endgültige Ausgestaltung des Digitalpakts einigen müssen.
Denn noch immer wird darum gerungen, was genau durch den Pakt gefördert werden soll. Länder wie Berlin fordern vehement, den Breitbandanschluss für Schulen zu unterstützen. Dafür sind aber eigentlich Programme aus dem Bundesverkehrsministerium (BMVI) zuständig. Allerdings sind für diese nicht alle Regionen antragsberechtigt, wie etwa das schon jetzt infrastrukturtechnisch vergleichsweise gut ausgebaute Berlin. Andere Länder wollen auch die Förderung von mobilen Endgeräten wie Tablets und Laptops berücksichtigt sehen. Das hatte die Bundesregierung aber bisher ausgeschlossen. Kritisiert werden zudem die momentan vorgesehenen Regeln für das Berichtswesen. Diese seien in der jetzigen Form zu bürokratisch. Diskussionsbedarf gibt es auch beim tatsächlichen finanziellen Umfang, der in der Bund-Länder-Vereinbarung festgehalten werden soll. Die Länder bestehen auf fünf Milliarden Euro in der jetzigen Legislaturperiode, die insgesamt für den Pakt vorgesehen sind. Die Bundesregierung möchte in dieser Legislatur aber nur 3,5 Milliarden Euro einplanen. Die restlichen 1,5 Milliarden würden dann in der nächsten bereitgestellt. All diese Diskussionen scheinen aber lösbar. Und auch wenn einige sich noch gegen die Änderung stemmen, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), der das Gesetz als „süßes Gift für die Länder“ bezeichnet, glaubt man auf Arbeitsebene nicht, dass sich die Bundesländer fundamental gegen die Grundgesetzänderung stellen werden.
Ausblick
Möchten Bund und Länder wie bisher geplant noch dieses Jahr ihre Vereinbarung zum Digitalpakt abschließen, ist der 6. Dezember das zentrale Datum. An diesem Tag findet die letzte Kultusministerkonferenz des Jahres statt. Sollte es bis dahin keine Einigung geben, wird es wahrscheinlich keinen geplanten Start 2019 geben können. Dem Bundestag bleiben für die Grundgesetzänderung immerhin noch vier Sitzungswochen, allerdings glauben Vertreter der verhandelnden Parteien nicht, dass vor der Landtagswahl in Hessen und vor dem Ende der Herbstferien entscheidende Verhandlungserfolge zu verzeichnen sind. Entscheidungen sind also erst wieder ab der Sitzungswoche vom 5.-9. November zu erwarten.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Martin Müller ist Analyst für Digitalpolitik.