Digitalministerium & Co: Was die Bundespolitik von den Ländern lernen kann
Bereits seit längerem gibt es eine öffentliche Diskussion darüber, ob die Bundesregierung ein eigenes Ministerium für Digitalisierung einrichten sollte. Denn damit könnte der Stellenwert der Digitalpolitik erhöht und notwendige Maßnahmen schneller vorangetrieben werden. In den anstehenden Koalitionsverhandlungen wird diese Frage sicherlich erneut Thema zwischen den Parteien sein, da zumindest FDP und CDU/CSU ein entsprechendes Ministerium in ihren Wahlprogrammen fordern. Aber welche Erfahrungen und Strategien gibt es in der Hinsicht eigentlich in den Ländern und was kann die Bundespolitik daraus lernen?
Auf Bundesebene gab es von 2014 bis 2017 zunächst die Digitale Agenda, die sich auf den Breitbandausbau, die Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung sowie auf Fragen der IT-Sicherheit konzentrierte. Seit 2019 werden schließlich alle Digitalisierungsvorhaben der Bundesregierung in einer umfassenden Umsetzungsstrategie gebündelt und regelmäßig aktualisiert.
Die Digitalisierungsstrategien der Länder
Die deutschen Bundesländer haben ebenfalls vor einigen Jahren begonnen, sich stärker mit dem Handlungsbedarf der Digitalisierung auseinanderzusetzen und eigene digitalpolitische Strategien zu entwickeln. So veröffentlichten Hamburg und Bayern bereits 2015 entsprechende Pläne und seitdem haben fast alle Bundesländer nachgezogen. Thematisch geht es in all diesen Strategien insbesondere um die digitale Infrastruktur und digitale Bildung, es spielen zunehmend aber auch Aspekte wie Künstliche Intelligenz, Blockchain und Smart Cities eine Rolle. Eine Digitalstrategie sollte aufgrund des dynamischen Charakters der Digitalisierung schließlich stets anpassungsfähig sein für Veränderungen und neue Technologien.
Das Bayerische Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt) hat die Digitalisierungsstrategien der Länder im vergangenen Jahr einem systematischen Vergleich unterzogen und einige Faktoren für ihren Erfolg identifiziert: Besonders wichtig sei es, die übergeordneten strategischen Ziele und dafür notwendigen Maßnahmen „jenseits üblicher Hierarchien und Ressortverantwortlichkeiten“ zu konzipieren. Dabei sollten sowohl das Personal aus verschiedenen Ministerien als auch externe Expertise aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eingebunden werden, um das vorhandene Fachwissen bei der Strategieentwicklung zu berücksichtigen und die Identifikation des Regierungsapparats mit den digitalen Zielen und Maßnahmen zu erhöhen. Ein wesentlicher Faktor „für die Verbindlichkeit und politische Strahlkraft der Strategie“ sei zudem „das politische Commitment auf der obersten politischen Führungsebene“, zum Beispiel als Bestandteil von Regierungsprogrammen oder in Form von Kabinettsbeschlüssen.
Herausforderung Implementierung
Die Erarbeitung und Verabschiedung einer Digitalisierungsstrategie ist natürlich nur die eine, ihre anschließende Realisierung jedoch die andere, ungleich größere Herausforderung. Bei der Frage der erfolgreichen Implementierung betont die Studie des bidt die zentrale Bedeutung der institutionellen Verankerung: Wo sind die relevanten Digitalisierungsthemen ministeriell angedockt? Gibt es klare, nach außen sichtbare Verantwortlichkeiten und Koordinierungsstellen mit politischer Entscheidungsmacht? Und existiert ein Überblick über geplante und aktuelle Digitalisierungsvorhaben, um deren Umsetzung gezielter steuern zu können?
Mit Blick auf die ministerielle Verankerung haben sich in den Bundesländern verschiedene Varianten herausgebildet: In den meisten Ländern (10) ist die Koordination der Digitalisierung einem Fachministerium zugeordnet. Oft handelt es sich dabei um das Wirtschaftsministerium wie in Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen, es gibt aber auch Zuordnungen wie in Baden-Württemberg, wo das Innenministerium für Digitales zuständig ist. In weiteren vier Ländern (Brandenburg, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Saarland) übernimmt jeweils die Staatskanzlei die ressortübergreifende koordinierende Aufgabe, zum Beispiel in Form eines Bevollmächtigten als Chief Digital Officer (CDO) der Landesregierung.
Digitalministerien: Bayern und Hessen als Vorbilder?
Und schließlich gibt es bisher zwei Bundesländer, die als zentrale Lösung ein eigenes Digitalministerium eingerichtet haben, wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung und mit anderen Zuständigkeiten. So existiert in Bayern seit November 2018 ein „Staatsministerium für Digitales“ mit vier eigenen Abteilungen sowie einem Mitspracherecht im Kabinett. Allerdings verbleiben die Themen der Innovations- und Wirtschaftsförderung sowie der Breitband- und Mobilfunkausbau dort in der Verantwortung des Wirtschafts- bzw. Finanzministeriums. In Hessen dagegen ist das Anfang 2019 eingerichtete „Ministerium für Digitale Strategie und Entwicklung“ Teil der dortigen Staatskanzlei und arbeitet in drei Abteilungen an der Digitalisierung der Wirtschaft, an Innovationen und der Verwaltungsdigitalisierung. Zudem verfügt es über einen eigenen Digitalisierungshaushalt, mit dem strategisch relevante Projekte in den Fachressorts finanziert werden können.
Alle diese Varianten haben ihre Vor- und Nachteile, die auch auf der Bundesebene bedacht werden sollten. Beispielsweise bietet die dezentrale Lösung der Zuordnung zu einem starken Fachministerium wie dem Wirtschafts- oder Innenressort die Möglichkeit, Digitalisierungsvorhaben einfacher gegen andere Ministerien durchsetzen zu können. Dafür besteht jedoch auch die Gefahr, dass vor allem die Themen des koordinierenden Ministeriums angegangen und andere Aspekte der Digitalisierung vernachlässigt werden.
Ein eigenständiges Digitalministerium als zentrale Lösung könnte hingegen neue Technologien und Veränderungen kontinuierlich im Blick behalten und deren politische Relevanz einschätzen. Es müsste sich in der Auseinandersetzung um Ressourcen und politische Aufmerksamkeit allerdings auch erstmal gegen die Interessen der anderen Ressorts behaupten – zumal, wenn es wie im Bund neu eingerichtet würde.
Digitalkabinette und finanzielle Entscheidungsmacht
Wie das Beispiel Bayern in der Corona-Pandemie gezeigt hat, geht es beim Querschnittsthema Digitalisierung aber nicht nur um Durchsetzungsfähigkeit, sondern vor allem auch um Kooperation zwischen den Ministerien und politisch Verantwortlichen. Hierfür eignen sich zum Beispiel die sogenannten Digitalkabinette, welche die digitalpolitischen Kompetenzen und Zuständigkeiten der einzelnen Ressorts bündeln und gemeinsame Entscheidungen vorbereiten sollen – wenn sie denn richtig genutzt werden.
Um die Entscheidungsmacht der digitalpolitischen Koordinierungsstellen zu stärken, empfiehlt die bidt-Studie zudem eigene Digitalisierungshaushalte wie in Hessen oder Baden-Württemberg. Überhaupt sei die Vergabe finanzieller Mittel ein entscheidendes Instrument zur Durchsetzung digitalpolitischer Interessen. Mithilfe eines zentralen Topfes für Digitalisierungsvorhaben, über den die koordinierende Instanz – egal, ob im Fachministerium, in der Regierungszentrale oder im Digitalministerium – verfügen darf, könne die Verteilung des Geldes nämlich an bestimmte Bedingungen im Sinne der übergreifenden Digitalstrategie geknüpft werden.
Was die nächste Bundesregierung noch berücksichtigen sollte
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch der „Digitale Länderkompass“ des Branchenverbands eco, der 2019 die digitalpolitischen Programme, Strategien und Agenden in allen Bundesländern analysiert hat: Zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Digitalpolitik sei vor allem „ein Digitalministerium mit weitreichenden Kompetenzen“ und ein eigenes „Budget für digitalpolitische Themen“. Als größte Aufgabe der Bundesländer identifiziert die Untersuchung zudem die Koordination und Abstimmung zwischen den Bundesländern sowie die konsequente Umsetzung gemeinsamer Ziele mit dem Bund, speziell was die Digitalisierung der Bildung angehe. Auf diesem Spielfeld des Föderalismus gibt es also auch für die künftige Bundesregierung noch Handlungsbedarf.
Die Studie des bidt von 2020 legt darüber hinaus einen weiteren Punkt dar, in welchem die Bundespolitik besser agieren sollte als die Länder: Das kontinuierliche Monitoring von digitalen Vorhaben sowie daraus folgende Abstimmungs- und Korrekturprozesse seien dort noch sehr unterentwickelt – besonders im Vergleich mit der Wirtschaft. Zumeist beschränke sich das Monitoring in den Ländern „auf Bewertungen, denen keine quantifizierbaren Messkriterien zugrunde liegen.“ Die bisherige Bundesregierung hat mit ihrem Dashboard zum Stand der Umsetzungsstrategie „Digitalisierung gestalten“ bereits einen wichtigen Schritt gemacht, was aber noch weiter ausgebaut und verbessert werden kann.
Ein neues Ministerium auf Bundesebene, das die Zuständigkeitsbereiche der Digitalisierung bündelt und auch die zahlreichen bereits vorhandenen Steuerungs- und Beratungselemente (Digitalkabinett, Staatsministerin für Digitalisierung, IT-Rat, IT-Planungsrat, Digitalrat, Datenethikkommission) adäquat einbindet, stünde somit vor einigen Herausforderungen für eine erfolgreiche Gestaltung der weiteren Digitalisierung in Deutschland.
Mehr Informationen:
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