Digitalisierung in den Ländern: Was ist das D16-Treffen?
Im November findet zum sechsten Mal die Konferenz aller Digitalministerinnen und -minister der Länder statt. Trotzdem ist das sogenannte D16-Treffen noch weithin unbekannt. In diesem Text fassen wir die wichtigsten – bisher bekannten – Informationen zu dem Format zusammen.
Jede Person, die sich mit dem Politikbetrieb beschäftigt, kennt die „Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder“ – kurz Innenministerkonferenz (IMK) – für die länderübergreifende politisch-fachliche Zusammenarbeit der Innenressorts. Aber wer hat eigentlich schon mal vom digitalpolitischen Äquivalent gehört, das sich D16-Treffen nennt? Die geringe Bekanntheit des Formats, selbst unter vielen Fachleuten der Digitalpolitik, liegt vermutlich daran, dass es erst seit 2019 existiert (während es die IMK bereits seit 1954 gibt) und die öffentlich zugänglichen Informationen dazu bisher recht überschaubar sind.
Auftakt erst im Jahr 2019
Das erste Treffen der in Bund und Ländern für Digitalisierung zuständigen Minister:innen, Senatoren sowie Staatssekretäre fand am 27. September 2019 in Frankfurt am Main statt und ging auf die Initiative der hessischen Ministerin für Digitales und Entwicklung Kristina Sinemus, der bayerischen Staatsministerin für Digitales Judith Gerlach und des damaligen Digitalministers in Schleswig-Holstein Jan Philipp Albrecht zurück. Ziel der Zusammenkunft, die noch unter dem Kürzel D17 firmierte, war es, sich über die Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels und die daraus resultierenden politischen Aufgaben auszutauschen. Gastgeberin Sinemus begründete den Austausch damals folgendermaßen:
„Mit unserem Treffen wollen wir nachdrücklich unterstreichen, dass wir weit mehr als punktuelle Formen der Zusammenarbeit in unseren Handlungsfeldern brauchen. Es geht um eine neue Qualität der Digitalisierungsoffensive in Deutschland, die nur im Zusammenwirken aller politischen Ebenen vorangebracht werden kann.“
Zudem bekundeten die Teilnehmer:innen mit der „Frankfurter Erklärung“ die Absicht zum gemeinsamen Handeln in fünf thematischen Schwerpunkten: Einsatz für eine leistungsfähige digitale Infrastruktur, Chancen beim Thema Bildung nutzen, Voranbringen der digitalen Forschung, die Digitalisierung und Innovationen in der Wirtschaft fördern sowie die Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung. Weniger ausführlich wurden auch noch die Punkte Cybersicherheit und Datenpolitik genannt.
Eine kurze D16-Chronologie
Seither haben vier weitere Treffen stattgefunden, sowohl in Präsenz als auch virtuell, um diese und andere digitalpolitischen Themen durch einen länderübergreifenden Praxis- und Erfahrungsaustausch voranzutreiben:
- Am September 2020 traf man sich digital unter dem Vorsitz Bayerns. Im Zentrum standen dabei die stärkere Nutzung Künstlicher Intelligenz in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und die Forderung an den Bund nach einem entsprechenden Konjunktur- und Innovationsprogramm. Zudem wurde beschlossen, dass D16-Treffen künftig zwei Mal pro Jahr durchzuführen, einmal virtuell und einmal vor Ort, organisiert vom jährlich wechselnden Vorsitzland. Es können aber auch Sondersitzungen auf Wunsch der Mehrheit der Teilnehmer einberufen werden – wovon bisher allerdings kein Gebrauch gemacht wurde.
- Am April 2021 in Kiel waren vor allem die EU-Initiativen zur Regulierung digitaler Märkte (Digital Markets Act) und digitaler Dienstleistungen (Digital Services Act) Thema der Zusammenkunft. Zugleich wurde ein vertiefender Austausch zu digitaler Resilienz vereinbart.
- Der zweite Termin unter dem Vorsitz Schleswig-Holsteins fand virtuell am November 2021 statt und drehte sich um die aktuellen digitalpolitischen Vorhaben der Länder, den Umsetzungsstand des Onlinezugangsgesetzes (OZG), Fragen des Datenmanagements für eine datenbasierte Verwaltung und das Spannungsfeld von innerer Sicherheit und IT-Sicherheit. Zum letzten Punkt hatten sich die Länder nach einer Anhörung von Expert:innen außerdem vorgenommen, künftig eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit der Innenministerkonferenz zu bilden.
Für mehr digitale Teilhabe & Forderungen an den Bund
Für 2022 hat das Land Baden-Württemberg die Organisation der D16-Treffen übernommen und lud die „die höchstrangigen Vertreterinnen und Vertreter der Länder im Bereich Digitalisierung“, wie es in einer früheren Pressemitteilung hieß, für Ende Juni nach Heidelberg und Walldorf ein. Dort wurde an zwei Tagen (30.6./1.7.) neben einem Best-Practice-Austausch insbesondere über digitale Teilhabe gesprochen. Die Ergebnisse wurden in der „Heidelberger Erklärung zur digitalen Teilhabe“ festgehalten.
An die Adresse der Bundesregierung, vertreten durch Stefan Schnorr (Staatssekretär im BMDV), richteten die D16-Minister:innen zudem die Forderung, den digitalen Personalausweis zügig umzusetzen und die Mittel für den Breitbandausbau in den Ländern und Kommunen auf dem bisherigen hohen Niveau zu halten. Der vorsitzende baden-württembergische Innen- und Digitalisierungsminister Thomas Strobl bemerkte dazu:
„Finanzielle Kürzungen seitens des Bundes zulasten der digitalen Infrastruktur wären kontraproduktiv und sind für Länder und Kommunen absolut nicht akzeptabel.“
Mit Blick auf die Teilnehmer:innen des letzten D16-Treffens ist es spannend, zu sehen, wer die einzelnen Länder vertritt und wie vielgestaltig die Zuständigkeit für Digitalisierungsfragen aufgrund des Föderalismus jeweils organisiert ist: Neben den offensichtlich infrage kommenden Ressortchefinnen wie Kristina Sinemus aus Hessen oder Judith Gerlach aus Bayern waren mit Gastgeber Thomas Strobl auch ein Innenminister und mit Alexander Schweitzer der rheinland-pfälzische Arbeits- und Sozialminister vor Ort.
Aus sechs weiteren Ländern nahmen die Staatssekretäre oder CIO der Regierungen teil (Ralf Kleindiek aus Berlin, Benjamin Grimm aus Brandenburg, Stefan Muhle aus Niedersachsen, Andras Meyer-Falcke aus NRW, Elena Yorgova-Ramanauskas aus dem Saarland und Bernd Schlömer aus Sachsen-Anhalt). Hamburg, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen waren immerhin auf der Arbeitsebene, z. B. durch Abteilungsleitungen aus den Ministerien, vertreten.
Chancen des Austauschs vs. „fehlende Durchschlagskraft“
Die relevante Frage, welche digitalpolitische Bedeutung das D16-Treffen mittlerweile hat, lässt sich von außen nur schwer eindeutig beantworten. Im Vergleich zu der Zeit vor der Etablierung des Formats ist es auf jeden Fall ein Fortschritt, dass die für Digitalisierungsfragen Verantwortlichen der Länder sich nun regelmäßig vernetzen und austauschen. Eine nachhaltige politische Wirkung müssen sich die Digitalpolitiker:innen aber weiterhin erkämpfen, gerade gegenüber anderen Ressorts und Politikbereichen sowie der Bundesebene.
Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass die „höchstrangigen Vertreterinnen und Vertreter der Länder im Bereich Digitalisierung“ zwar gemeinsame Beschlüsse fassen können, diese „aber keinen bindenden Charakter haben“, wie es in einer Pressemitteilung von 2021 heißt. Bei der Innenministerkonferenz ist das ebenfalls so, allerdings haben die IMK-Beschlüsse ein deutlich anderes politisches Gewicht. Es verwundert insofern nicht, dass die hessische Digitalministerin Kristina Sinemus Anfang des Jahres in einem Interview folgende Feststellung traf:
„Wir haben zwar eine D16-Konferenz, also mit den zuständigen Ministern, Staatssekretären oder Beauftragten für Digitalisierung, die wir ins Leben gerufen haben, aber da fehlt es an Durchschlagskraft. (…) Ohne Bundesminister ist das nur ein informelles Treffen. Wir bräuchten aber eine formale Fachministerkonferenz, damit wir eine Stimme in Europa und mehr Durchschlagskraft haben.“
Nötig sind mehr Formalisierung und Kommunikation nach außen
Neben einer stärkeren Formalisierung der D16-Treffen sollte aber auch ihre Außendarstellung verbessert werden, damit die Öffentlichkeit überhaupt etwas von der länderübergreifenden Zusammenarbeit der Digitalisierungsverantwortlichen mitbekommt. So ist beispielsweise hinsichtlich der angestrebten gemeinsamen Arbeitsgruppe mit der IMK zum Thema IT-Sicherheit völlig unklar, ob und wann diese auf den Weg gebracht wird.
Das nächste D16-Treffen wird voraussichtlich im November 2022 stattfinden; eine Anfrage beim baden-württembergischen Innenministerium hat ergeben, dass der genaue Termin derzeit noch abgestimmt wird. Als Schwerpunktthemen sind die Positionierung der Länder zur geplanten KI-Verordnung der Europäischen Union und die verbesserte Nutzung von Gesundheitsdaten geplant.
Unabhängig von den einzelnen Inhalten ist mit dem nächsten Treffen auf jeden Fall die Chance verbunden, das Format aus dem Abseits der digitalpolitischen Aufmerksamkeit zu holen und im Sinne der eigenen Wirkmächtigkeit noch bekannter zu machen. Angesichts der hierzulande großen digitalen Herausforderungen wäre das für mehr bundesweite Fortschritte in der Digitalpolitik durchaus wünschenswert.
Mehr Informationen:
Neue Landesregierungen: Wer sind die digitalpolitischen Köpfe?
Bundesländer: Koalitionsverträge in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern
Digitalministerium & Co: Was die Bundespolitik von den Ländern lernen kann