Digitalisierung deutscher Behörden: Was läuft eigentlich gut?

Foto: CC0 1.0 | Pixabay User mohamed-hassan und TheDigitalArtist | Montage
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Veröffentlicht am 05.08.2021

Dass Deutschland in Sachen E-Government den eigenen Ansprüchen hinterherhinkt und von Vorreitern wie Estland lernen könnte, darf inzwischen wohl als Binsenweisheit gelten. Da hilft auch kein schmeichelhafter Vergleich zu Ländern wie Japan, wo – Stand 2020 – lediglich 12 Prozent der Behördenvorgänge online abgewickelt werden. Doch es gibt hierzulande auch Fortschritte, die – bei aller berechtigter Selbstkritik – nicht übersehen werden sollten. Was läuft eigentlich gut in der Digitalisierung der deutschen Behörden?

Ein kleiner Boom: Das Onlinezugangsgesetz und die Pandemie

Am 18. August jährt sich das Inkrafttreten des Onlinezugangsgesetzes (OZG) bereits zum vierten Mal. Hinter dem Wortungetüm steckt eine folgenschwere legislative Entscheidung, sozusagen ein Digitalisierungs-Versprechen an die Bevölkerung in Deutschland. Denn kurz vor der Bundestagswahl 2017 einigte man sich darauf, Bund, Länder und Kommunen bis 2022 zu verpflichten, den Großteil ihres Service künftig auch online anzubieten. Über 6.000 einzelne Verwaltungsleistungen sind davon betroffen. Nach der Wahl verankerte die Große Koalition die OZG-Umsetzung in ihrem Koalitionsvertrag.

Ziel ist es auch, den deutschen Behörden-Flickenteppich durch einen Portalverbund mit interoperablen Benutzerkonten für die Bürger:innen und Unternehmen besser zu verknüpfen und zu vereinfachen. Dazu sollen Webportale der Kommunal-, Landes- und Bundesebene ineinander verschaltet werden. Ein Account soll künftig genügen, um deren Verwaltungsleistungen nutzen zu können. Die Koordination der Zusammenarbeit übernimmt ein IT-Planungsrat, der auch die Fortschritte bei der Umsetzung überwacht.

Zunächst ging es schleppend voran. In den ersten zweieinhalb Jahren bis April 2020 wurden im Rahmen des OZG lediglich drei Services online geschaltet: Die Sondernutzung von Straßen und Verkehrsraumeinschränkungen in Hamburg, das Wohngeld in Schleswig-Holstein und die Ehe- und Lebenspartnerschaftsurkunden-Bestellung in Hessen.

Doch das Corona-Jahr 2020 veränderte vieles. Bereits in den ersten Pandemie-Wochen mussten rund 95 Prozent aller deutschen Behörden ihren Publikumsverkehr ganz oder größtenteils einstellen. So wurden die folgenden Monate zu einer beachtlichen digitalen Aufholjagd, an deren Ende im Juni 2021 allein für Bundes-Leistungen mehr als 31.000 Bürger:innen ein Nutzerkonto registriert hatten – nahezu eine Verzehnfachung in nur einem Jahr.

OZG-Leistungen wie der Kindergeldantrag, Arbeitslosengeld, Apothekennotdienste oder die Ausstellung von Meldebescheinigungen verzeichnen mittlerweile jeweils weit mehr als eine Million Vorgänge. Von 575 durch den Planungsrat definierten Service-Bündeln sind mittlerweile 315 und damit 55 Prozent online verfügbar, während sich 115 (20 %) in Umsetzung befinden. Lediglich 145 (25 %) stecken noch in der Planung.

In einer Studie des Digitalverbands bitkom und des Deutschen Städte- und Gemeindebunds vom Dezember 2020 sahen dann auch 88 % der befragten Bürgermeister:innen und Digitalisierungsverantwortlichen die Pandemie als entscheidenden Digitalisierungstreiber. 54 % der Kommunen planten das Budget zur Digitalisierung 2021 noch zu erhöhen.

Der Nationale Normenkontrollrat lobt die Entwicklungen in seinem Monitor Digitale Verwaltung vom Mai 2021:

„In keiner Legislaturperiode ist so viel zur Digitalisierung der Verwaltung unternommen worden, wie in dieser. Das OZG hat eine erhebliche Dynamik ausgelöst. Der Wille und die Bereitschaft, Verwaltungsleistungen zu digitalisieren, ist mit wenigen Ausnahmen überall vorhanden.“

Die OZG-Umsetzung, so der Kontrollrat, wechselt von der Aufwärmphase in die Leistungsphase. Der Ausgang bleibt zwar ungewiss. Doch unabhängig davon, ob der Fortschritt der letzten Monate durch den Handlungsdruck der Pandemie verursacht wurde oder durch politische Bemühungen, im Superwahljahr 2021 Erfolge vorweisen zu können – insgesamt lässt sich ein kleiner Digitalisierungsboom der Behörden auf Basis des OZG feststellen.

Erste Schritte: Registermodernisierung

Auch die deutschen Register sollen modernisiert und dabei stärker digitalisiert werden. Während die Registermodernisierung laut Normenkontrollrat zwar noch „ganz am Anfang“ stehe, wurden auch hier zwei legislative Meilensteine erreicht. Denn ergänzend zu den Bestimmungen des OZG trat im April 2021 das Registermodernisierungsgesetz in Kraft. Demnach soll die Steuer-ID als unveränderliches Zuordnungsmerkmal fungieren, um auch Verwaltungsleistungen über das Internet leichter und sicherer abwickeln zu können.

Gleichzeitig wurde die Implementierung des sogenannten Datenschutzcockpits beschlossen, das schrittweise mit der Identifikationsnummer eingeführt werden soll. Das Cockpit wird den Nutzer:innen ermöglichen, online nachzuvollziehen, welche Dokumente auf Basis der Steuer-ID zwischen Behörden ausgetauscht wurden.

Für die Wirtschaft soll sich die (online-)Identifikation für Verwaltungsleistungen und Registermeldungen ebenso vereinfachen. Denn mit dem Unternehmensbasisregistergesetz (UBRegG) soll auch für Unternehmen eine behörden- und registerübergreifende einheitliche Identifikationsnummer geschaffen und somit Transaktionen und Meldungen erleichtert werden.

Kleine Erfolge: Kartenzahlung, Messenger, Instagram

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Nicht nur für Studierende, die seit dem 26. Oktober 2020 ihre BAföG-Anträge online stellen können, sondern auch für Verwaltungen, Parlamente und Regierungen selbst scheint der digitale Wandel während der Pandemie Vorteile zu schaffen. Nicht zuletzt kann beispielsweise in den Cafeterias des Bundestages seit dem 12. April erstmals bargeldlos bezahlt werden.

Um den diversen, auch internen Tech-Bedarfen der Verwaltungen Rechnung zu tragen, eilt darüber hinaus die Wirtschaft zu Hilfe und hofft dabei auf ein Milliardengeschäft. So arbeiten beispielsweise die Beratungsgesellschaft PwC und der Tech-Konzern Public zusammen, um einen App-Store für den Öffentlichen Dienst zu entwickeln. Auf der Plattform „GovMarket“ sollen Behörden künftig zentral für sie relevante Software finden und herunterladen sowie mit den Anbietern in Kontakt treten können.

Während die Entwicklung von Behörden-App-Stores noch in den Kinderschuhen steckt, ist die Diskussion um die innere Kommunikation von Verwaltungen seit Jahren in vollem Gange. Die üblichen Messenger-Dienste wie WhatsApp oder gar Telegram werden zunehmend als zu unsicher angesehen. So hat der Berliner Senat seinen Mitarbeiter:innen noch im April 2021 die Nutzung von SMS vorgeschrieben und alle weiteren Dienste untersagt.

Hingegen steht Bundeswehr-Angehörigen nach einer jahrelangen Testphase seit letztem November der „BwMessenger“ zur Verfügung. Dieser beruht auf dem Open-Source-Protokoll Matrix, das sich in den letzten Jahren zusehends als Alternative für die Verwaltungskommunikation etabliert hat. Das dezentrale System von Matrix erlaubt die Bildung eines eigenen Clients ebenso wie die Lagerung der Daten auf eigenen Servern. Im Sommer 2020 verkündeten auch Schleswig-Holstein und Hamburg, dass Behörden und Bildungseinrichtungen künftig den matrix-basierten Messenger „Element“ nutzen werden.

Außerdem wird zusehends an der digitalen Außenkommunikation gearbeitet. So ist der Bundesnachrichtendienst beispielsweise – nach zweijähriger Planung – seit Mai 2021 mit einem eigenen Instagram-Account online. Und in Berlin Steglitz-Zehlendorf produziert das erste Bezirksamt gar einen Podcast namens „Amtsplausch“. Hier werden etwa die Auswirkungen der Corona-Pandemie mit der Gesundheitsstadträtin diskutiert oder Regeln für Hunde im Bezirk mit dem stellvertretenden Bezirksbürgermeister.

Keine Berührungsängste: E-Government-Akzeptanz von Bürger:innen

Die Digitalisierung der Behörden kann letztlich aber nicht gelingen, ohne dass sie auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung stößt. Auch hier finden sich ermunternde Nachrichten. In einer ÖFIT-Umfrage stellte sich bereits Mitte 2020 heraus, dass mehr als 40 % der über 16-Jährigen in den letzten zwölf Monaten mindestens ein Formular übermittelt oder einen Antrag gestellt hatten. Je nach Bundesland rangierte diese Zahl 2019 noch zwischen 15 (Brandenburg und Thüringen) und 26 Prozent (Bayern). Und auch das Vertrauen der Bürger:innen in den Umgang der Behörden mit personenbezogenen Daten lag 2020 zwischen 56 % im Saarland und 77 % in Hessen.

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Laut einer Befragung der Beratungsagentur Next:Public erfreuen sich weitere Digitalisierungsschritte des Öffentlichen Dienstes daher hoher Beliebtheit. Nur noch für 40 % bleibt der Vor-Ort-Termin eine wichtige Säule des Behördenkontakts. 56 % der Befragten wünschen sich noch mehr Kontaktmöglichkeiten durch Emails und 44 % wollen noch stärker durch Kontaktformulare kommunizieren können.

Auch europaweite Befragungen sprechen eine immer deutlichere Sprache: Der Kontinent ist bereit für E-Government und hat dabei anscheinend kaum Berührungsängste. Das Center for Governance of Change, ein spanischer Think Tank, stellte in einer im Juni veröffentlichten repräsentativen Umfrage fest, dass 72 % das Wählen per Smartphone begrüßen würden. In Deutschland unterstützten dies immerhin 69 % der Befragten. 46 % der Deutschen (51 % in Europa) gab sogar an, dass sie die Zahl der Parlamentarier reduzieren möchten, um sie mit Algorithmen zu ersetzen.

Bis 2022, dem Zieljahr des OZG, werden solch radikale Umwälzungen nicht mehr stattfinden. Und die Fortschritte der letzten Monate können sicherlich nicht über die jahrelange digitale Stagnation in der Bundesrepublik hinwegtäuschen. Im letzten Digital Economy and Society Index (DESI) der Europäischen Kommission liegen die deutschen Behörden noch immer auf dem 21. Platz von 28 Ländern (Großbritannien noch eingerechnet) und damit weit unter dem europäischen Durchschnitt.

Aber der Handlungsdruck durch die Corona-Pandemie hat – zweifelsohne – Digitalisierungsblüten in der Verwaltung hervorgebracht. Um diese Blüten weiter zu pflegen und nicht eingehen zu lassen, braucht es in den nächsten Jahren auch unabhängig von Pandemie und Superwahljahr weiteren Veränderungswillen in den deutschen Behörden.

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