Digitaler Euro: Auf dem Weg zur Währung der Zukunft?

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Veröffentlicht am 10.08.2021

Die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs ist spätestens seit der großen Popularität von Bitcoin und anderen Kryptowährungen für viele Staaten und Unternehmen ein relevantes Thema geworden. Auch in der Europäischen Union gibt es bereits seit einiger Zeit Überlegungen, die gemeinsame Währung ebenfalls in einer digitalen Variante anzubieten. Doch was bedeutet das eigentlich und welche möglichen Vorteile sind damit verbunden?

Bereits Anfang des Jahres forderte die EU-Kommission die Einführung des digitalen Euros und gründete mit der Europäischen Zentralbank (EZB) eine gemeinsame Arbeitsgruppe, „um die institutionellen, rechtlichen und praktischen Aspekte zu seiner Schaffung zu klären. Nachdem es von der EZB bislang vor allem solche allgemeinen Vorarbeiten dazu gegeben hatte, kündigte sie Mitte Juli nun eine zweijährige Untersuchungsphase an, in der die Ausgestaltung und Verteilung einer digitalen Variante der gemeinsamen Währung erprobt werden soll:

„Dies umfasst die Bildung von Fokusgruppen, die Erstellung von Prototypen und konzeptionelle Arbeit. Untersucht werden dabei die Anwendungsfälle, für die ein digitaler Euro vorrangig geeignet sein sollte, um seinen Zweck zu erfüllen: eine risikofreie, verfügbare und effiziente Form von digitalem Zentralbankgeld zu sein.“

Das Ziel der EZB: mehr Sicherheit

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Dahinter steht die Überzeugung von EU-Kommission und EZB, dass die Bedeutung des physischen Geldes schrittweise weiter zurückgehen wird. Bereits heute wird die Währung über Online-Banking und kontaktlose Zahlungsoptionen massenweise digital verwaltet. Mit dem digitalen Euro soll für seine Nutzer:innen perspektivisch speziell die direkte Verbindung ihrer Transaktionen zur EZB wiederhergestellt werden. Die Zahlungen sollen dabei dem Charakter von Bargeld gleichen.

Die Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, formuliert das Ziel des digitalen Euros, indem sie besonders den Aspekt der Sicherheit unterstreicht:

„Unsere Arbeit soll sicherstellen, dass Privatpersonen und Unternehmen im digitalen Zeitalter weiterhin Zugang zu der sichersten Form von Geld – dem Zentralbankgeld – haben.“

Anders als bisher über private Banken soll der digitale Euro direkt von der EZB für die Nutzer:innen bereitgestellt werden. Voraussichtlich sollen alle EU-Bürger:innen dafür ein Wallet – ein digitales Portemonnaie – zur Verfügung gestellt bekommen.

Welche Vorteile hat der digitale Euro?

Die Nutzung der digitalen Währung, inklusive Überweisungen, wäre dann kostenfrei und direkt von der EZB statt von der eigenen Bank gesichert. Deutschland hat jedoch bereits ein starkes Sicherungssystem für herkömmliches Banking, was nach Angaben des Bundesverbands deutscher Banken dazu führt, dass „bisher kein Sparer auch nur einen einzigen Euro verloren“ hat. Der Wegfall der privaten Banken als Mittler könnte allerdings auch dafür sorgen, dass Verzögerungen bei Überweisungen ausbleiben und der Zahlungsverkehr noch schneller erfolgen kann.

Gerade in der Geschwindigkeit liegt auch ein strategischer Grund für die Einführung des digitalen Euros. Die EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Mairead McGuinness, bezeichnet die Digitalisierung des Euros als einen wichtigen Beitrag zur „Stärkung der Währung als internationales Zahlungsmittel.“ Gerade dort, wo internationale Zahlungen noch Tage dauern und teuer sind, soll der digitale Euro über Grenzen hinweg sekundenschnell und kostengünstig einsetzbar sein. McGuiness sieht den digitalen Euro zudem als ein geeignetes Element der EU-Strategie, um Zahlungen im Einzelhandel unabhängiger von den großen privaten Zahlungsdienstleistern wie VISA, Mastercard oder PayPal zu machen.

In einer ersten non-repräsentativen Anhörung der EZB vom Oktober 2020 gaben die befragten Bürger:innen an, dass der digitale Euro vor allem die Privatsphäre schützen sollte. Hingegen skizziert der umfassende Bericht der EZB zu den Möglichkeiten des digitalen Euros, dass die komplette Anonymität des Zahlungsverkehrs – wie beim Bargeld – rechtlich nicht mit dem europäischen Digitalraum vereinbar sei.

Warum die Zeit drängt

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Foto: CC0 1.0, Pixabay / WorldSpectrum / Ausschnitt bearbeitet

Die Einführung des digitalen Euros drängt aus Sicht von EZB und EU-Kommission zunehmend, weil andere Zentralbanken zum Teil schon weiter sind und Kryptowährungen wie Bitcoin & Co. immer stärker gehandelt werden. China etwa testet mit dem Digital Yuan seine eigene digitale Währung bereits seit November 2020 in größerem Umfang. Auch damit Europa beim Rennen um die digitale Leitwährung der Zukunft nicht noch weiter in Rückstand gerät und andere Akteure in die derzeitige Lücke im Zahlungssystem stoßen, wurde nun die erwähnte zweijährige Prüfphase des digitalen Euros in Angriff genommen. Ob er dann tatsächlich eingeführt wird, soll jedoch erst später entschieden werden. Die Machbarkeit des digitalen Euros sieht die EZB aber bereits jetzt als gegeben an.

Umstritten ist derzeit noch eine mögliche Begrenzung. So ist immer wieder ein Limit von 3.000 bis 4.000 digitalen Euro pro Bürger:in in der Diskussion. Der digitale Counterpart zum „physischen“ Euro soll laut EZB die bisherigen Zahlungsmöglichkeiten nämlich lediglich ergänzen und nicht ersetzen. Der Nutzen für die EU-Bürger:innen ist daher noch schwer abzusehen. Die globalisierungskritische NGO Attac forderte eine deutliche Ausweitung der Vision einer europäischen Digitalwährung. Ihre Einführung solle für die Bürger:innen die Option enthalten, ihr gesamtes Geld über die Zentralbank sichern zu lassen. Damit sollen nationale Sicherungssysteme, welche die Staatshaushalte besonders seit der internationalen Finanz- und Schuldenkrise stark fordern, deutlich entlastet werden.

Alle Parteien im Bundestag, abgesehen von der AfD, begrüßen die Einführung des digitalen Euros oder fordern sogar mehr Tempo. Finanzminister Olaf Scholz zum Beispiel forderte bereits Anfang des Jahres, dass die aktuell anlaufende Prüfphase zeitnah kommen solle: „Wir sollten das Feld nicht China, Russland, den USA oder irgendwelchen Privatanbietern überlassen“, sagte er der Wirtschaftswoche.

Dem Nachdruck der deutschen Parteien werden die derzeitigen Pläne der EZB aber eher nicht gerecht: Nach der zweijährigen Untersuchungsphase sind momentan nochmal drei Jahre für die tatsächliche Umsetzung der neuen Bezahlweise vorgesehen – vorausgesetzt die EU-Institutionen und Mitgliedsstaaten entscheiden sich dann auch für die Einführung.

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