Digitaler Dialog – Versprechen von Web 2.0 werden wahr
Es ist noch nicht lange her, da waren Accounts und Fanseiten von Unternehmen, Ministerien und Verbänden in sozialen Netzwerken entweder gar nicht erst vorhanden oder so schlecht gepflegt wie Kai Diekmanns Bart während seines IT-Praktikums im Silicon Valley. Die Facebook-Seite wurde als Publikationsorgan der eigenen Homepage (miss)verstanden, auf der die jeweils aktuelle Pressemitteilung gepostet wurde. Wer sich als Kunde via Tweet bei einem Paketdienst über eine verschwundene Sendung beschwerte, bekam gar keine Antwort oder wurde an eine kostenpflichtige Telefonnummer verwiesen.
Trend zum digitalen Dialog
Wer auch heute noch seine digitalen Kommunikationskanäle ausschließlich als Sprachrohr in eine Richtung nutzt, könnte es damit künftig zu trauriger Berühmtheit bringen: als worst-practice-Beispiel in PR-Seminaren. Denn der Trend geht klar zum digitalen Dialog mit den Bürgern, den Kunden, den Betroffenen. Das Web-2.0.-Versprechen vom interaktiven Internet – durch digitale Dialogangebote von Institutionen in sozialen Netzwerken wird es wahr. Jüngst zu besichtigten war dieses Phänomen auf der Facebook-Fanseite der Stiftung Warentest. Die postete anlässlich der ungewöhnlich häufigen Masern-Erkrankungen in Berlin am 18. Februar 2015 einen Text mit Informationen zur Krankheit und wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Impfung. Die Kommentare – über 600 mit jeweils weiteren Diskussionszweigen und dazugehörigen Antworten im zumeist zweistelligen Bereich– hielten das Social-Media-Team gut zehn Tage lang in Atem. Unermüdlich traten die Redakteure in dieser Zeit Falschinformationen und Verschwörungstheorien mit harten Fakten und Argumenten entgegen.
So hatte ein User behauptet, die Masern würden sich deshalb nicht ausrotten lassen, weil Fledermäuse das Virus in sich trügen und es weiterverbreiteten, ohne selbst daran zu erkranken. Stiftung Warentest klärte den Verfasser dieses Posts und die Leser darüber auf, dass es sich bei den betreffenden Viren lediglich um solche handelte, die den Masern ähnlich seien und posteten flugs den Link zur entsprechenden Studie mit dazu. Ein anderer Nutzer hatte der Stiftung Warentest unterstellt, sie würden falsche Informationen verbreiten, weil die Pharmaindustrie bei ihnen Anzeigen geschaltet hätte. Die schlagfertige Antwort der Redaktion: „Deine These hat nur einen gravierenden Schönheitsfehler: unsere Publikationen sind anzeigenfrei. Gib dir mal bitte etwas mehr Mühe beim Verschwörungstheorien erfinden!“
Digitaler Dialog mit dem Bundespresseamt
Mit Humor und nahezu engelsgleicher Geduld bewältigt auch die Social-Media-Redaktion des Bundespresseamts den Ansturm auf die Fan-Seite der Bundesregierung, die seit dem 20. Februar 2015 bei Facebook online ist. Das Social-Media-Team des Bundespresseamtes versteht seine Internetrepräsentanz bei Facebook ebenfalls nicht nur als Informationsplattform, sondern als einen Ort des digitalen Dialogs mit den Bürgern. Und die machen von diesem Angebot rege Gebrauch. Fast 20.000 Kommentare zählte die Redaktion bereits nach der ersten Woche. Das Thema mit der höchsten Resonanz bis jetzt: Posts zum TTIP mit jeweils 400, 708 und 1.478 Kommentaren.
Natürlich kann selbst mit einer großen Social-Media-Mannschaft nicht jeder dieser Kommentare beantwortet werden und nicht jeder Nutzer bekommt eine individuelle Antwort. Die Redaktion des Bundespresseamtes hat derzeit zwei Strategien, um den Kommentarmassen Herr zu werden. Zum einen wählten die Redakteure pro Woche drei Fragen aus, die Regierungssprecher Steffen Seibert oder die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz in einem Videostatement beantworten, das für alle sichtbar gepostet wird. Zum anderen arbeitet die BPA-Crew mit Textbausteinen. Viele Antworten der Redaktion auf zahlreiche der 880 Kommentare zur Verabschiedung der Frauenquote im Deutschen Bundestag enthalten die gleichen Argumente oder sind sogar wortgleich.
Digitaler Dialog auch mit Trollen
Das verschafft Luft, um auch mit kritischen Kommentatoren in den digitalen Dialog zu kommen. Es fällt positiv auf, wie oft die BPA-Vertreter offensiv nach Gründen für eine ablehnende Haltung fragen. Und auch der eine oder andere Troll bekommt eine passende Antwort mit auf den Weg. Auf die Zwischenrufe zweier Nutzer, Frauen hätten für ihre Karriere früher wenigstens noch vollen Körpereinsatz zeigen müssen, heute bekämen sie alles geschenkt, entgegnen die Betreuer der Bundesregierungsseite auf Facebook: „da haben aber gleich zwei tief in der Chauvi-Kiste gekramt. Wir gehen davon aus, dass lediglich die Ironie auf dem Weg zwischen Sender und Empfänger verloren gegangen ist, richtig?! Einen erbaulichen Abend im Jahr 2015 und zukunftsorientierte Grüße aus der Redaktion.“