Digitale Zivilgesellschaft: Wie verändert Digitalisierung das Engagement?

Foto: CC0 1.0, Pixabay / Unsplash / Ausschnitt bearbeitet
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Veröffentlicht am 06.07.2020

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In Deutschland engagieren sich Millionen Menschen freiwillig für das Gemeinwohl. Welche Rolle die Digitalisierung dabei für junge Menschen und das Engagement an sich spielt, beleuchtet der Dritte Engagementbericht des Bundesfamilienministeriums. In einer digitalen Session diskutierten Mitglieder der Sachverständigenkommission die zentralen Ergebnisse.

Freiwilliges Engagement hat viele Gesichter und ist das Fundament unserer Zivilgesellschaft. Allein in Deutschland engagieren sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums (BMI) täglich über 30 Millionen Menschen freiwillig – sie übernehmen Patenschaften für Schüler*innen oder Geflüchtete, eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Freiwilligen Feuerwehr, in sozialen Einrichtungen oder in Sportvereinen. Welche Rolle die Digitalisierung dabei für junge Menschen im Alter von 14 bis 28 Jahren spielt und wie sich freiwilliges Engagement durch die Digitalisierung verändert, beleuchtet der Dritte Engagementbericht (DEB) des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ). „Wie wertvoll und bereichernd digitales Engagement ist, sehen wir gerade in der gegenwärtigen Corona-Krise“, kommentierte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey mit einem Verweis auf digital organisierte Nachbarschaftsinitiativen.

Seit 2009 ist die Bundesregierung durch einen Beschluss des Bundestags dazu verpflichtet, pro Legislaturperiode einen wissenschaftlichen Bericht zur Entwicklung des gesellschaftlichen Engagements in Deutschlands vorzulegen. Jeder Bericht beleuchtet dabei einen besonderen Schwerpunkt bürgerschaftlichen Engagements und soll zu einer nachhaltigen Engagementpolitik beitragen. Zum Beispiel indem aktuelle Entwicklungen und innovative Ansätze erfasst und Handlungsempfehlungen zu deren Stärkung adressiert werden. Verantwortlich für die Erhebung ist eine, für jeden Bericht eigens bestellte Sachverständigenkommission. Im Rahmen einer digitalen Session diskutierten Mitglieder der aktuellen Sachverständigenkommission des DEB am 23.06.2020 mit einem Vertreter des BMFSFJ die zentralen Ergebnissen ihrer Arbeit. Begleitet wurde diese Session von einer Twitter-Debatte unter dem Hashtag #DEBdigital.

Die Digitalisierung der Zivilgesellschaft

„Ein wesentlicher Unterschied den wir in Zusammenhang mit der Digitalisierung sehen ist, dass die Schwelle des Engagements erheblich gesunken ist“, betonte die Vorsitzende der neunköpfigen Sachverständigenkommission Jeanette Hofmann. Während man bei klassischen Formen beispielsweise präsent sein oder sogar formal einer Organisation beitreten muss, kann digitales Engagement schon daraus bestehen, dass man eine Petition digital unterzeichnet und diese weiterverbreitet. Dieser geringere Aufwand ist für Kommissionsmitglied Cathleen Grunert ein Kernelement digitaler Beteiligungsformen und Aktivitäten. Die Reduzierung und Abwertung solchen Engagements durch die Bezeichnung als „Slacktivism“ sieht sie daher kritisch – auch solche Formen sind Ausdruck von gesellschaftlicher Beteiligung, an die man anknüpfen kann. So wurde im Rahmen des DEB beispielsweise ermittelt, dass „ein Viertel der jungen Menschen den Einstieg in gesellschaftliches Engagement über das Internet“ finden.

Foto: Getty Images / franckreporter

Ein weiteres Ergebnis des DEB: Mehr als 40 Prozent der Befragten nutzen bereits digitale Medien für ihr Engagement. Die bestehenden Formen freiwilligen Engagements werden dabei jedoch nicht ersetzt, sondern ergänzt: „Wir sehen durch die Digitalisierung neue Formen des Engagements hervortreten, die stärkere und hybridere Formen hervorbringen“, kommentierte Wibke Riekmann, ebenfalls Mitglied der Kommission. Eine solche Form ist beispielsweise das „Crowdsourcing“ – eine digital gestützte Form der Arbeitsteilung, an der eine unbeschränkte Zahl an Nutzer*innen an der Lösung einer Aufgabe oder Problemstellung arbeiten. Dabei erweitert „Digitalität“ nicht nur die Formen von Engagement, sondern wird selbst zum Inhalt: So gehören die Bekämpfung von Hate Speech, das Zusammenleben in einer digitalisierten Welt sowie Datenschutz zu den Themen, die junge Menschen bewegen, wie der Bericht der Kommission festhält.

Im Zuge der Diskussion wurden auch die Herausforderungen für Engagement-Organisationen thematisiert. So nehmen etablierte Institutionen wie Vereine oder Stiftungen und Genossenschaften „als Teil eines historisch gewachsenen Sektors“ die Digitalisierung als Strukturwandel wahr. Dabei ergeben sich vor allem für kleine Initiativen Herausforderungen durch einen Mangel an Knowhow oder Ressourcen für Digitalisierungsmaßnahmen, wodurch sie Gefahr laufen, die Potenziale der Digitalisierung nicht nutzen zu können oder gar den Anschluss zu verlieren. Hierzu empfiehlt die Sachverständigenkommission, eine „Strukturförderung für die Digitalisierung des Engagementsektors“ einzurichten.

Bundesregierung unterstützt Digitalisierung des Ehrenamts

Eine bundesweite Anlaufstelle für Ehrenamtliche soll die neu eingerichtete Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt sein. Dabei handelt es sich um ein gemeinsames Vorhaben des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ), des Bundesinnenministeriums (BMI) und des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL). Erklärtes Ziel: Das Ehrenamt nachhaltig zu stärken. Den inhaltlichen Schwerpunkt bilden dabei Maßnahmen zur Digitalisierung, teilt die Bundesregierung anlässlich der Gründungsfeierlichkeiten mit.

Nach Angaben von Christoph Steegmans, Unterabteilungsleiter im BMFSFJ, liegt der Fokus der Stiftung auf Service und Kompetenz. Das Angebot beinhaltet beispielsweise Beratungs- und Qualifizierungsangebote im Bereich der Digitalisierung – sowohl für freiwillig Engagierte, als auch für Engagement-Organisationen. Als Servicestelle soll die Stiftung bei der Beantragung von Fördermitteln oder bei rechtlichen Fragen beraten sowie bei der Vernetzung von Freiwilligen vor Ort unterstützen. Dabei stellt gerade die Finanzierung für zivilgesellschaftliches Engagement nach Ansicht von Jeanette Hofmann oftmals ein Problem dar. Auch hier soll die Stiftung einen Beitrag durch die finanzielle Förderung von Innovationen digitalen Engagements leisten.

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