Digitale Transformation: Wie kann Deutschland aufholen?
Foto: Henrik Andree
„Mit unserer starken industriellen Basis und den vielen schlauen Köpfen im Land können wir die vierte industrielle Revolution mit anführen“, ist Markus Haas, CEO von Telefónica Deutschland überzeugt. Er diskutierte mit weiteren Vertretern der Digitalwirtschaft auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin darüber, was sich dafür ändern muss.
Der erste Tag des Wirtschaftsgipfels 2019 der Süddeutschen Zeitung stand ganz im Zeichen der Digitalisierung. Wie Deutschland aktuell bei der digitalen Transformation abschneidet und was zu tun ist, um im internationalen Wettbewerb aufzuholen, war Thema einer der vier Podiumsdiskussionen. Unter der Überschrift „Deutschland digital – was muss sich ändern?“ diskutierte Markus Haas, CEO von Telefónica Deutschland, mit Gillian Tans, CEO von Booking.com, dem Investor Frank Thelen und Philipp Justus, Vizepräsident für Zentraleuropa bei Google.
Deutschland kann zum Gewinner werden
Direkt zum Einstieg wollte Moderatorin Isabelle Körner wissen, ob Deutschland im Hinblick auf die Digitalisierung im „Krisenmodus“ ist, wie es Mitdiskutant Frank Thelen vertritt? Dieser verwies sogleich darauf, dass ganz Europa im Wettbewerb mit China und den USA ins Hintertreffen geraten ist. Das Know-how und das Kapital seien dort zu finden und zentrale Entwicklungen im Bereich des Internets, mobiler Dienstleistungen und der Cloud an Europa vorbeigegangen, so Thelen. Markus Haas räumte ein, dass die Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, groß sind, zeigte sich aber grundsätzlich zuversichtlich, was deren Bewältigung anbelangt:
„Deutschland kann zum Gewinner der Digitalisierung werden. Wir sollten sie mit mehr Optimismus angehen!“
Auch Gillian Tans sieht Grund für Optimismus. „Aus meiner Perspektive verbessern sich die Dinge“, sagte sie und machte darauf aufmerksam, dass die Zahl der Gründungen zunehme und mittlerweile auch mehr Kapital für junge Unternehmen bereitstehe. Es müsse Unternehmen aber noch einfacher gemacht werden, zu wachsen.
Philipp Justus verwies hingegen auf den „Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft“ der Europäischen Kommission. Dort belege Deutschland Platz 12 von 28 und befinde sich damit klar im „digitalen Mittelfeld“. Fehlende Konnektivität und ein Mangel an IT-Kompetenzen sowie Fachkräften seien zentrale Herausforderungen. Frank Thelen vermisst aber auch die Ambition, bei Technologien wie 5G, 6G und Quantencomputern führend zu werden. „Es hakt bei der Innovation“, unterstrich der Investor.
Dass es noch viel zu tun gibt, um die digitale Transformation zu einem Erfolg zu machen, bestätigte auch eine Publikumsbefragung während der Podiumsdiskussion: Nur knapp ein Prozent der Befragten sahen Deutschland „sehr gut“ aufgestellt, rund 44 Prozent attestierten Deutschland „Mittelmaß“. Die übrigen 55 Prozent fanden, es bestehe noch ein „erheblicher Handlungsbedarf“.
Infrastruktur und digitale Bildung sind zentral
Als zwei Schlüssel zur Lösung des digitalen Problems machten Markus Haas von Telefónica und Philipp Justus von Google die digitale Infrastruktur und die digitale Bildung aus. Haas erklärte, dass er froh sei, dass die Politik nach der vergangenen 5G-Auktion darüber diskutiert, Mobilfunkfrequenzen in Zukunft ohne Auktion zu vergeben.
„Es gibt eine klare Korrelation. Länder, die niemals eine Auktion hatten, haben die bessere Infrastruktur“,
sagte Markus Haas und verwies dabei auf die nordeuropäischen Länder sowie auf Spanien, das das beste Glasfasernetz in Europa habe. Aus seiner Sicht hätten die über sechs Milliarden Euro, die die Unternehmen in die Lizenzen gesteckt haben, besser in den Ausbau der Infrastruktur und die Netzabdeckung investiert werden sollen. Mit Blick auf die nächsten zehn Jahre erklärte Haas:
„Unsere größte Aufgabe ist jetzt die Verbesserung der digitalen Infrastruktur. Dabei geht es um nichts weniger als Deutschlands digitale Zukunft.“
Justus hob hervor, dass vielen Unternehmen nach eigener Auskunft die Fähigkeiten fehlen, digitale Vorhaben voranzubringen. Es mangele also an Fachkräften mit digitaler Expertise. „Da müssen wir ran, auch als Staat“, erklärte Justus. Digitales müsse daher von der Schul- bis zur Weiterbildung in die Lehrpläne. Das sollte „Priorität“ haben.
Eigene Stärken nutzen
Den globalen digitalen Wettbewerb zwischen der EU, China und den USA sieht Markus Haas wiederum nicht als Wettlauf. „Wir werden nie wie China oder die USA sein“, erklärte er. Gebraucht würden Investitionen in die Infrastruktur, zudem gelte es, die Menschen von den Vorteilen der Digitalisierung zu überzeugen, um sie mitzunehmen. Mit Blick auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sagte er,
„Unsere europäischen Werte können in der Digitalisierung ein enormer Wettbewerbsvorteil sein.“
Europa sei zudem der einzige Kontinent, der sich ernsthaft mit dem Umwelt- und Klimaschutz befasse. Um die Klimaziele zu erreichen, seien wiederum mobile Netzwerke entscheidend. Ein Beispiel sind intelligente Stromnetze zur Integration großer Mengen erneuerbarer Energien. Haas sprach sich dafür aus, die digitale Revolution für Umwelt- und Klimaschutz zu nutzen. Dies berge auch wirtschaftliche Chancen und Gelegenheiten, zu investieren.
Auch der Umgang mit ausländischen Technologieanbietern, insbesondere aus China, war Thema der Diskussionsrunde. Markus Haas verwies darauf, dass es etliche erfolgreiche Joint Ventures mit China gebe. Was die Nutzung von Technologien anbelangt, sollten Deutschland und die EU klare Regeln definieren, einzelne Unternehmen aber nicht per se ausschließen. Insgesamt plädierte Haas für Objektivität in der Debatte. Auch Frank Thelen hält die Diskussion um das Thema für emotional aufgeladen und vermisst Fakten.