Digitale Nachhaltigkeit: Der Weg in die intelligente Energiezukunft
Digitalisierung ohne Nachhaltigkeit ist eine Mogelpackung, Nachhaltigkeit ohne Digitalisierung ein Rohrkrepierer. Zu Recht prägen beide Trends den politischen, gesellschaftlichen und technologischen Zeitgeist mit dem ambitionierten Ziel, die ökologischen Lebensgrundlagen zu erhalten und dabei ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem zu etablieren.
Dabei bestehen zwar viele Hürden wie der hohe Energie- und Ressourcenverbrauch digitaler Technologien, der Umgang mit (persönlichen) Daten oder Monopolstellungen, doch das Potenzial der Twin Transition, also der parallelen Etablierung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit, überwiegt die Risiken bei weitem.
Aus Unternehmenssicht ist daher insbesondere das Prinzip der sog. Corporate Digital Responsibility (CDR) eine wichtige Stellschraube, um einen positiven Beitrag für den digitalen Wandel zu leisten. Unternehmen, die im digitalen Bereich Verantwortung ergreifen, können in diesem Zuge auch oft für die Etablierung nachhaltiger Strategien sorgen. Zu diesem Zweck wurde auch die CDR-Initiative 2018 durch das damalige Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) gemeinsam mit sieben Unternehmen ins Leben gerufen. Mit dem CDR-Kodex bekennen sich die Mitglieder der CDR-Initiative zu handlungsleitenden Prinzipien und Zielsetzungen und verpflichten sich zu einer regelmäßigen Berichterstattung, den sogenannten CDR-Berichten. Dabei werden unterschiedliche Themenfelder bedacht, etwa Inklusion, Klima- und Ressourcenschutz, Mitarbeitendeneinbindung oder auch der Umgang mit Daten. Hier kann als Beispiel die Telefónica Data Anonymization Platform genannt werden, die durch die Auswertung von Mobilitätsdaten diverse Projekte im Bereich Verkehr umsetzt, etwa der Ausbau des ÖPNV oder die Vermeidung von Staus. Weiterhin ist im Themenfeld Klima- und Ressourcenschutz das sog. Smart Metering eine zentrale Maßnahme und kann als Treiber der Energiewende noch große Potenziale entfalten. Doch worum geht es hier, wie ist der aktuelle Planungsstand und inwiefern kann diese Technologie zukunftsweisend wirken?
Digitalisierung der Energiewende durch Smart Meter
Erst kürzlich wurde auf legislativer Ebene ein zentraler Schritt für den Ausbau der Smart Meter-Technologie getan: Am 20. April 2023 verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen der Ampelkoalition und der Unionsfraktion das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW). Dieses soll insbesondere durch Smart Meter den Aufbau eines flexiblen und komplexen Energiesystems unterstützen: Durch den Einsatz von Smart Metern lässt sich die Übertragung des Stromverbrauchs an den jeweiligen Anbieter automatisieren, was die Überwachung und Steuerung des Stromnetzes erleichtert und gleichzeitig die Transparenz für Verbraucher:innen erhöht. Weiterhin ist es so möglich, flexibler auf die schwankende Produktion von Wind- und Solarstrom zu reagieren und dynamische Stromtarife möglich zu machen: So kann Strom dann genutzt werden, wenn er am günstigsten ist. Der Verbrauch und die Einspeisung von Elektrizität lassen sich also effizient steuern.
Da der Einsatz von intelligenten Messsystemen massive Vorteile im Bereich der nachhaltigen Digitalisierung mit sich bringt, bislang aber eher schleppend voranschreitet, wurden nun im neu beschlossenen GNDEW diverse Anpassungen und Änderungen beschlossen: So müssen Smart Meter künftig nicht mehr durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik freigegeben werden, da Hersteller die Vorgaben für Datenschutz und Datensicherheit aktuell ohnehin erfüllen. In diesem Zusammenhang wurden bereits bestehende Auflagen zur Datenverwendung erweitert und beinhalten nun zusätzliche Vorgaben zur Speicherung, Löschung und Anonymisierung von Daten. Zudem können nun auch Geräte eingebaut werden, die bestimmte Funktionen erst durch ein späteres Anwendungsupdate erhalten. Dieser sogenannte “agile Rollout” wird im GNDEW in einem verbindlichen Fahrplan geregelt. So ist ab 2025 der Einbau von Smart Metern für alle Haushalte mit einem Jahresstromverbrauch von über 6000 Kilowattstunden verpflichtend, angestrebt wird bis 2033 die Ausstattung von 95 % aller Verbraucher:innen mit intelligenten Strommesssystemen. Dabei wurde der Preis für den Betrieb der Geräte für Privathaushalte und Kleinanlagenbetreiber auf 20 Euro pro Jahr gedeckelt – insbesondere aufgrund der Kritik seitens Verbraucherschützer:innen und des Bundesrats.
Rollout der Messsysteme: Industrie, Verbraucher, Potential
Ob der Rollout tatsächlich so funktioniert wie geplant, hängt nun vor allem an zwei Faktoren: der Bereitschaft der Verbraucher:innen und der zügigen Implementierung seitens der Stromindustrie. Um ein besseres Bild zum Stand der Einführung zu erheben, hat PwC kürzlich eine Studie mit 69 Unternehmen durchgeführt, die zusammengenommen 61 % der bundesweiten Messstellen in Deutschland betreiben. Von diesen Unternehmen haben 71 % den Rollout zumindest begonnen, während weitere 29 % sich in der Vorbereitung befinden – womit sich der Anteil der Betreiber im aktiven Rollout im Vergleich zum Vorjahr um 49 % gesteigert hat. Für 88 % der befragten Unternehmensvertreter:innen ist dabei die größte Herausforderung, die Wirtschaftlichkeit innerhalb festgelegter Preisobergrenzen sicherzustellen. Weitere Hürden seien Engpässe bei Montagekapazitäten, technische Probleme beim Einbau, fehlende Verfügbarkeit moderner Messeinrichtungen und kompetenter IT-Dienstleister sowie mangelnde Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Smart Meter. Bei allen Potenzialen von Smart Metering bleibt also noch genügend Klärungsbedarf, bevor die Ziele des GNDEW erreicht werden können.
Auf Seite der Verbraucher:innen ergibt sich ein gemischtes Bild: Immerhin 61 % würden digital vernetzte Strommessgeräte gerne nutzen, so eine Bitkom-Umfrage. Noch 2021 waren nur 45 % der Deutschen interessiert. Im Gegensatz dazu haben jedoch 31 % noch nie etwas von Smart Metern gehört oder gelesen – worin natürlich eine Hürde für den erfolgreichen Rollout besteht. Auch an variablen und dynamischen Stromtarifen, die durch Smart Meter ermöglicht werden, besteht bei 78 % der Befragten Interesse. Hier bestehen also durchaus Anknüpfungspunkte für Politik und Industrie, um den Smart Meter-Rollout mit zivilgesellschaftlicher Unterstützung zu betreiben.
Einigen Expert:innen für nachhaltige Digitalisierung geht die reine Implementierung von intelligenten Messsystemen jedoch noch nicht weit genug: Die Zukunft der Energiewende liege vielmehr in der Dezentralisierung von Energiequellen unter Einbeziehung eines breiten Akteursspektrums. Insbesondere das Konzept der Community Energy und des Energy Sharing spielen hier eine entscheidende Rolle: Durch die aktive Einbindung von Privatpersonen in den digitalen Transformationsprozess lässt sich dieser beschleunigen und zudem die Akzeptanz für erneuerbare Energiequellen erhöhen. So können dann beispielsweise ganze Nachbarschaften mithilfe geteilter Energiequellen vor Ort (wie etwa Solaranlagen) mit Strom versorgt werden – wobei Smart Meter zur Steuerung und Kontrolle dieser Prozesse zentral sind. Durch den aktuellen Rollout werden also bereits die Strukturen für die Dezentralisierung und Flexibilisierung der Energieerzeugung geschaffen, die für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende zentral sind. Österreich, Frankreich und Italien haben Konzepte wie Community Energy und intelligente Messsysteme bereits erfolgreich implementiert – wie sich die Situation in Deutschland im Zuge der Implementierung des GNDEW entwickeln wird, bleibt abzuwarten.
Smart Meter sind als technologischer Enabler einer erfolgreichen Energiewende maßgeblich für die “Twin Transition” und können so auch eine Leuchtturmfunktion für die Akzeptanz von automatisierten Steuerungssystemen in anderen Wirtschaftsbereichen einnehmen.
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