Digitale Infrastruktur: Sachverständige fordern mehr Investitionen

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Veröffentlicht am 29.07.2020

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Funklöcher und schlechtes Internet: Die digitale Infrastruktur in Deutschland lässt zu wünschen übrig, wie Wissenschaftler*innen in einem Gutachten für das Bundeswirtschaftsministerium bemängeln. Sie kritisieren, dass zu wenig in Kommunikations- und Strom- sowie Gas- und Wasserstoffnetze investiert wird. Außerdem weisen sie auf strukturelle Probleme hin und fordern eine genauere Analyse des Zustands der öffentlichen Infrastruktur .

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) fordert höhere Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Die Einrichtung von Investitionsfördergesellschaften durch Bund und Länder könne eine langfristige Finanzierung sichern, schreibt das Gremium in einem Gutachten, das am 23. Juli vorgestellt wurde. Unter Federführung von Eckhard Janeba, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim, haben sich die Wissenschaftler*innen mit Problemen der öffentlichen Infrastruktur, wie Straßen, Strom- und Kommunikationsnetze, in Deutschland befasst und Reformvorschläge formuliert.

Der Schwerpunkt liegt auf der Qualität der öffentlichen Infrastruktur. Analysiert wird, welche Prozesse für eine Vernachlässigung der Investitionen verantwortlich sind und welche Strukturen einen zügigen Ausbau verhindern. Dabei geht es um Transportwege über Straßen, Wasser und Schiene, Staukilometer auf der Autobahn und Verspätungsminuten bei der Bahn sowie Telekommunikation und Energie unter dem Eindruck von Digitalisierung und Energiewende. Die Wissenschaftler*innen kommen zu dem Ergebnis, dass in Deutschland „schon seit vielen Jahrzehnten deutlich zu wenig in die öffentliche Infrastruktur investiert“ wird.

Investitionsfördergesellschaften sollen helfen

Besonders betreffe das den Aus- und Umbau der Strom-, Gas- und Wasserstoffnetze und der digitalen Infrastruktur. Die Schuldenbremse sei für diesen Rückstand nicht verantwortlich, Bund und „mehrere Bundesländer“ hätten ausreichend Spielraum für zusätzliche Investitionen gehabt. Vielmehr sehen die Wissenschaftler*innen das Problem in der „mangelnden Langfristorientierung der Politik“ einerseits sowie unterschiedlichen Verantwortlichkeiten andererseits. Als Beispiel für letztere nennen sie das „Zusammenspiel“ von Bund und Deutsche Bahn (DB).

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Neben zu wenigen finanziellen Mitteln seien auch „ungeeignete Governance-Strukturen“ an den Mängeln schuld. Daher empfehlen die Expert*innen, Investitionen langfristig „zu verstetigen und zu erhöhen“ und schlagen zu diesem Zweck Investitionsfördergesellschaften vor. Die Finanzierung dieser Gesellschaften soll aus den Kernhaushalten von Bund und Ländern langfristig garantiert sein. Außerdem müsse der Bund Kommunen bei den Soziallasten helfen, für die sie selbst keine direkte Verantwortung tragen. Positiv hebt der Beirat hier die geplante Erhöhung der Kostenerstattung der Unterkunft „für Arbeitssuchende im Rahmen des ALG II an die Kommunen“ hervor. Daneben sollten auch die durch die Coronakrise verursachten Probleme für Gemeinden, wie wegfallende Gewerbeeinnahmen sowie höhere Ausgaben bei kommunalen Beteiligungen, berücksichtigt werden.

Leistungsfähigkeit regelmäßig ermitteln

Darüber hinaus fordern die Expert*innen genauere Angaben über den Zustand der Infrastruktur. Dazu schlagen sie einen Bericht zu deren Qualität und Leistungsfähigkeit „in regelmäßigen Abständen“ vor, der alle Bereiche umfasst. Bund und Länder sollten diesen Bericht den Parlamenten und der Öffentlichkeit vorlegen. „Ein Bericht über die Höhe und Entwicklung der vergangenen Investitionstätigkeit ist allein nicht ausreichend, weil er nichts über die Leistungsfähigkeit der bestehenden Infrastruktur und den tatsächlichen Investitionsbedarf aussagt“, erklären die Sachverständigen. Außerdem regen sie zusätzlich eine „Investitionsbedarfsanalyse“ an. Diese Analyse soll „deutlich über den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung“ hinausgehen, um Mängel schneller sichtbar zu machen.

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Zu geringeren Ausgaben für die Infrastruktur führen nach Meinung der Expert*innen auch falsche Entscheidungsstrukturen. „So sollte im Bahnbereich der Fehlanreiz beseitigt werden, der aus der institutionellen Trennung von Instandhaltungsinvestitionen (Eisenbahninfrastrukturunternehmen) und Ersatzinvestitionen (Bund) herrührt“, empfehlen sie. Gründe für Verzögerungen beim Infrastrukturausbau seien zudem „Widerstand von lokal Betroffenen“ und langwierige Rechtsprozesse. Verfahren könnten durch „eine Verringerung der Mehrstufigkeit des Rechtsschutzes“, verbunden mit Kompensationen für Betroffene beschleunigt werden, heißt es im Gutachten.

Digitale Infrastruktur und Telekommunikation

Die Coronakrise habe gezeigt, dass die Bedeutung der digitalen Infrastruktur zunehmen wird, schreiben die Expert*innen. Insgesamt stellen sie der Bundesregierung für den Zustand der digitalen Infrastruktur kein gutes Zeugnis aus. Sie verweisen auf Zahlen der Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft, wonach Mängel im Kommunikationsnetz Geschäftsabläufe beeinträchtigen. „Der Anteil derer, die eine deutliche Beeinträchtigung ausmachten, stieg von 15 % im Jahre 2013 auf 28 % im Jahre 2018“, schreiben die Wirtschaftsexpert*innen. Regional zeige die Verfügbarkeit von Breitbandinternet mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) große Unterschiede und trotz Förderprogrammen konnte das in der Digitalen Agenda 2014-2017 gesteckte Ziel der Bundesregierung für eine flächendeckende Versorgung bisher nicht erreicht werden, bilanzieren die Autoren.

Auch bei der Telekommunikation macht das Gutachten Defizite aus. „Funklöcher stehen exemplarisch für die unbefriedigende digitale Infrastruktur in Deutschland“, schreiben die Sachverständigen. Bei der Vergabe zum Netzausbau sei keine ausreichende Flächenabdeckung auferlegt worden. Dabei gebe es zwei Optionen: Entweder durch Ausbauverpflichtungen in einer „Einkaufsauktion“ weiße Flecken in ländlichen Räumen zu ersteigern oder diese Verpflichtung in Frequenzauktionen zu integrieren. Beispiele in den USA, Dänemark und Schweden verdeutlichten dies.

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Foto: CC0 1.0, Pixabay / geralt / Ausschnitt bearbeitet

Die US-amerikanische Regulierungsbehörde habe erfolgreich nach der ersten Option Ausbauverpflichtungen für über 700.000 weiße Flecken zu einem Preis von unter 1,5 Milliarden US-Dollar verteilt. Dänemark und Schweden hätten die zweite Variante genutzt und bei Frequenzauktionen spezifische Blöcke mit konkreten Ausbauverpflichtungen verbunden.

Dem Wissenschaftlichen Beirat, der das BMWi unabhängig berät, gehören insgesamt 39 Sachverständige aus verschiedenen Bereichen der Wirtschaftswissenschaften an. Sie treffen sich fünf Mal im Jahr und besprechen selbst gewählte Themen. Vorsitzender des Beirats ist Klaus M. Schmidt, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München den Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie innehat.

Tagesspiegel Politikmonitoring

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf der Website des BASECAMP.

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