Digitale Infrastruktur: Mit OTT Fair Share gegen die Investment Gap
Die digitale Infrastruktur ist die zentrale Grundlage für die Digitalisierung. Trotz zuletzt deutlicher Fortschritte beim Netzausbau gibt es in Deutschland aber weiterhin eine Lücke zwischen den tatsächlichen und den eigentlich notwendigen Investitionen, gerade im internationalen Vergleich. Hier beleuchten wir die sogenannte Investment Gap – und wie OTT Fair Share dazu beitragen kann, diese zu schließen.
Die Beschleunigung des Ausbaus der digitalen Infrastruktur ist ein gemeinsames Anliegen von Politik und Wirtschaft in Deutschland. Und tatsächlich wurden die Mobilfunk- und Gigabitnetze hierzulande in den letzten Jahren signifikant erweitert. So stellt etwa die VATM-Marktstudie für 2022 fest, dass im deutschen Telekommunikationsbereich noch nie so viel investiert und gebaut wurde wie im vergangenen Jahr: Die Summe der Investitionen ist mit 11,6 Milliarden Euro die höchste seit der Liberalisierung vor 25 Jahren; die Zahl der verfügbaren Glasfaseranschlüsse stieg auf über 12 Millionen und wurde damit innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppelt. Insgesamt sind mittlerweile drei Viertel der deutschen Haushalte potenziell mit Gigabit-Anschlüssen versorgt.
Es gibt noch viel zu tun
Diese Fortschritte werden zwar zurecht gelobt, doch zieht man den internationalen Vergleich heran, zeigt sich ein etwas anderes Bild: Im Digital Economy and Society Index (DESI), mit dem die Europäische Kommission seit 2014 die digitalen Fortschritte der Mitgliedstaaten erfasst, lag Deutschland bei der Glasfaserversorgung zuletzt nur auf Platz 17 hinter Ländern wie Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Im Punkt „Glasfaser bis zum Endkunden (FTTP)“ erreicht die Bundesrepublik sogar bloß den vorletzten Platz der 27 EU-Staaten. Und bei der Glasfaserpenetration von Haushalten liegt Deutschland mit etwa 26 % deutlich unter dem EU-Durchschnitt (56 %).
Im Vergleich der OECD-Staaten sieht es derzeit kaum besser aus, denn mit einem Glasfaseranteil von rund 8,1 % an den Breitbandanschlüssen landet Deutschland hier auf Platz 35. Zudem gibt es hierzulande immer noch tausende Funklöcher in den Netzen, auch wenn in diesem Punkt in den letzten Jahren ebenfalls sehr viel passiert ist.
Eine europaweite Investitionslücke
All diese und weitere Zahlen zeigen, dass in Deutschland, aber auch in Europa insgesamt, noch nicht genug für die digitale Infrastruktur getan wird. Vor allem gibt es weiterhin eine Lücke zwischen den notwendigen und den tatsächlichen Investitionen in diesem Bereich. Auch die EU-Kommission hat dies erkannt und beziffert die Investment Gap europaweit auf mindestens 174 Milliarden Euro bis 2030.
Diese Investitionslücke resultiert zusätzlich aus der Tatsache, dass sich der Telekommunikationsmarkt immer mehr zu einem „Datenmarkt“ wandelt. So ist der Datenverkehr in den Mobilfunknetzen seit 2016 pro Nutzer um 950 % gestiegen ist, während die Verbraucherpreise für Mobilfunkprodukte in derselben Zeit um 12 % gesunken sind. Für die kommenden Jahre rechnen seriöse Studien mit einer weiteren Vervierfachung des Datenverkehrs bis 2027.
Telekommunikationsunternehmen müssen deshalb immer mehr in die Infrastruktur investieren, um dem massiven Wachstum der Nachfrage gerecht zu werden. Speziell Mobilfunknetzbetreiber müssen mehr Nutzungsrechte für Frequenzen erwerben, diese Frequenzen bedienen und ihre Netze verdichten, also mehr Standorte bauen. Doch die dafür nötigen finanziellen Mittel sind begrenzt, da die Mobilfunkunternehmen aufgrund der günstigeren Verbraucherpreise – was begrüßenswert ist – weniger verdienen.
Was hat OTT Fair Share damit zu tun?
Um dem entgegenzuwirken und den schnellen Ausbau der digitalen Infrastruktur finanziell sicherzustellen, wird seit einem Jahr die Einführung und Umsetzung des Fair Share-Konzeptes diskutiert. Dahinter steht die Idee, dass Unternehmen und Dienste, die besonders zur Auslastung der Datennetze beitragen, sich an den damit verbundenen Kosten beteiligen sollen.
Hierbei geht es besonders um die sogenannten Over-The-Top-Dienstleister (OTT), die als Haupttreiber des Datenwachstums agieren. So werden mehr als 50 % des weltweiten Datenverkehrs durch die Dienste von nur sechs Unternehmen generiert, wie eine Studie von Axon im Auftrag des Telko-Branchenverbands ETNO zeigt.
Diese Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie wirtschaftlich extrem erfolgreich sind. Zum Beispiel ist die Marktkapitalisierung von Google 50-mal so hoch wie die von Telefónica, die Betreiberin dieses Blogs. Dabei beruht der Erfolg der Big Tech-Konzerne auch darauf, dass sie ihre Dienste kostenlos durch die Netze schieben können. Sind also auf eine gute digitale Infrastruktur angewiesen und sollten deshalb einen größeren finanziellen Beitrag zu ihr leisten.
Ziel sollte eine europäische Lösung sein
Dabei soll es aber nicht um eine Zwangsabgabe gehen. Vielmehr wäre es sinnvoll, regulatorisch eine Verhandlungspflicht einzuführen, die dafür sorgt, dass faire, kommerzielle Vereinbarungen zwischen den OTT- Dienstleistern und den Telekommunikationsunternehmen abgeschlossen werden können.
Die EU-Kommission führt dazu derzeit ein Konsultationsverfahren durch, das noch bis Mai läuft. Sollte man sich auf eine gemeinsame europäische Lösung einigen, könnten davon am Ende alle Beteiligten profitieren: die Verbraucher, die EU-Staaten, die Telekommunikationsanbieter und auch die Big Tech-Konzerne – da so der schnellere Ausbau und die Aufrechterhaltung der digitalen Infrastruktur trotz steigenden Datenverkehrs finanziell sichergestellt werden könnte.
Mehr Informationen:
Schnellerer Infrastrukturausbau: Interview mit Frederic Ufer (VATM)
Mobilfunk einfach erklärt: Was ist OTT Fair Share?
Telekommunikation: Ergebnisse der VATM-Marktstudie 2022