Digitale Energiewende: Bundesregierung will „Neustart“ für Smart Meter
Angesichts der stark gestiegenen Energiepreise sowie der Klimakrise sind große Hoffnungen mit der Digitalisierung des Energiesektors verbunden. Das Versprechen: Intelligente Stromnetze und smarte Messsysteme sollen entscheidend dazu beitragen, natürliche Lebensgrundlagen zu schonen. Um die Energiewende entsprechend zu unterstützen, hat die Bundesregierung vor kurzem einen Gesetzentwurf dazu auf den Weg gebracht. Wir erläutern, worum es beim „Neustart der Digitalisierung der Energiewende“ im Detail geht.
Im Zentrum der digitalen Energiewende stehen die sogenannten Smart Meter. Diese intelligenten Messgeräte sammeln die Daten zum Stromverbrauch der Haushalte und übermitteln diese sekundengenau digital an die Energieversorger. Die Daten werden dort dann analysiert, damit die Versorger den Verbraucher:innen bessere und klarere Informationen über den eigenen Stromverbrauch und Einsparpotenziale rückmelden können, zum Beispiel mittels einer Smartphone-App. So lautet jedenfalls der Plan in der Theorie.
Smart Meter für smarte Mieter – und alle anderen
Denn das Ziel, die Digitalisierung der Energiewende mittels digitaler Stromzähler zu beschleunigen, ist in der deutschen Politik kein neues. Bereits im Jahr 2016 verabschiedete die damalige Regierungskoalition aus Union und SPD ein „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“, bei dem die Ausstattung und der Betrieb intelligenter Messsysteme im Mittelpunkt standen, zumindest für größere Verbraucher. Der angestrebte flächendeckende Einbau der Smart Meter ging bisher aber nicht mit der gewünschten Geschwindigkeit voran – als problematisch galt unter anderem ein hoher Verwaltungsaufwand.
Deshalb möchte die aktuelle Ampel-Regierung nun einen „Neustart“ versuchen und hat am 11. Januar einen entsprechenden Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Kabinett beschlossen. Darin ist vorgesehen, dass Smart Meter bis 2032 durch alle Haushalte, Großverbraucher, Unternehmen, Schulen und Schwimmbäder verpflichtend verwendet werden. Diese digitale Infrastruktur sei die „entscheidende Voraussetzung für ein weitgehend klimaneutrales Energiesystem mit fluktuierendem Verbrauch und schwankender Erzeugung“, wie es in der Begründung des BMWK heißt.
Der flächendeckende Einsatz der Smart Meter soll nämlich auch zu einer optimalen Auslastung des Stromnetzes beitragen: Durch sie könnten Stromangebot und Stromnachfrage besser gesteuert werden – etwa indem die Nutzung von Geräten mit hohem Stromverbrauch auf Uhrzeiten mit geringer Netzauslastung und niedrigem Strompreis verlagert wird. Oder die Einspeisung von Strom aus Solarzellen zu passenderen Uhrzeiten erfolgt.
Agiler Rollout, Preisdeckelung, dynamische Tarife
Um den flächendeckenden Einbau der Smart Meter tatsächlich voranzubringen, sieht der „Neustart“ anders als das Vorläufer-Gesetz von 2016 zudem eine klare gesetzliche Verankerung des Rollout-Fahrplans „mit verbindlichen Zielen und konkretem Zeitrahmen“ vor. Diese Vorgaben sollen mithilfe eines „agilen Rollouts“ erreicht werden. Konkret entfällt vor allem die Drei-Hersteller-Regel, die vorschrieb, dass der Rollout erst gestartet werden kann, wenn die je nach Verbrauchergruppe unterschiedlichen Messgeräte von drei unabhängigen Herstellern zertifiziert sind. Künftig sollen die Geräte für die verschiedenen Gruppen sofort eingebaut werden können, selbst wenn noch nicht alle angestrebten Funktionen freischaltbar sind. Die Branche soll so die Möglichkeit erhalten „in einer ‚Warmlaufphase‘ Prozesse aufzubauen und das Steuern über Smart-Meter-Gateway zu üben, bevor der Pflichtrollout gilt“.
Darüber hinaus sind einige weitere Maßnahmen in dem Gesetzentwurf vorgesehen: Die Verbraucher:innen sollen durch eine Preisdeckelung (max. 20€ brutto jährlich an Messentgelten) entlastet und die Netzbetreiber stärker an den Kosten beteiligt werden. Geplant sind zudem ein verbesserter Datenschutz bei den Netzbetreibern, die schnellere Einführung dynamischer Tarife (ab 2025 verpflichtend für Netzbetreiber) und die Bündelung klarer Zuständigkeiten und Kompetenzen beim BMWK.
Als Initiator des „Neustart“-Gesetzes gelten besonders die Grünen mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der sich nach der erwähnten Kabinettssitzung optimistisch zeigte:
„Der heutige Kabinettsbeschluss ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einem digitalisierten Energiesystem. [Es] wird wesentlich flexibler und damit auch komplexer werden und dafür brauchen wir Smart Meter und eine Digitalisierung der Energiewende. Wir sorgen mit dem heutigen Gesetzentwurf für einen gesetzlich klar festgelegten Rollout-Fahrplan. Der Rollout wird systematisiert, beschleunigt und entbürokratisiert.“
Erste Zustimmung, aber auch einige Einwände
Ausdrückliche Zustimmung zu diesem Vorhaben kommt unter anderem vom Bitkom, dem Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, sowie vom Verband Neue Energiewirtschaft ZVEI. Letzterer hebt besonders die aktive Rolle der Verbraucher:innen bei der Energiewende hervor und begrüßt deshalb die schnellere Einführung dynamischer Tarife.
Gegenüber den wohl klingenden Plänen der Bundesregierung gibt es allerdings auch Kritik und sachliche Einwände. So weisen Verbraucher- und Datenschützer auf die großen Datenmengen hin, die künftig die Stromversorger erhalten sollen, und warnen vor möglichen Hackerangriffen auf die Datenbanken und Messsysteme. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft kritisiert wiederum, dass die geplanten Regeln trotz der guten Intention in vielen Punkten „an der Praxis“ vorbei gehen und „einen planbaren Rollout für Messstellenbetreiber eher behindern als unterstützen“ würden.
Tatsächlich scheint es mehrere Hürden und Einschränkungen zu geben, die für eine erfolgreiche digitale Energiewende erst noch überwunden werden müssen: Zum Beispiel sei der Zertifizierungsprozess von Smart Metern durch das BSI statt durch die Hersteller immer noch zu kompliziert; ihr Einbau in jedem Haushalt in Dörfern nicht unbedingt sinnvoll und außerdem verbrauchten bisherige Smart Meter drei Mal mehr Strom als konventionelle Zähler – und das bei einer begrenzten Lebensdauer von voraussichtlich 12 Jahren. Das heißt, nach dieser Zeit müssten sie erneut deutschlandweit komplett ausgetauscht werden. Dabei wird vermutlich schon das Ersetzen der bisherigen konventionellen Zähler bis 2032 zu einer großen logistischen Herausforderung. Zu klären ist außerdem, ob die Regelungen ausreichend technologieneutral sind, um Wettbewerb und technische Weiterentwicklung zu fördern.
Viele dieser Punkte werden sicherlich bei der weiteren politischen Beratung des Gesetzentwurfes zur Sprache kommen, spätestens wenn im Bundestag alle Fraktionen dazu Stellung nehmen können. Das kann allerdings noch ein wenig dauern, da der Entwurf momentan dem Bundesrat vorliegt und die Bundesregierung anschließend zuerst Stellung nehmen wird, bevor er im Parlament landet. Bis der „Neustart“ Wirklichkeit wird, ist also durchaus mit Änderungen an dem Vorhaben zu rechnen.