Digitale Agenda oder „Unterausschuss von irgendwas“
Der eindringliche Wunsch des CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Jarzombek, die Netzpolitik möge nicht im „Unterausschuss von irgendwas“ enden, hat sich inzwischen zum geflügelten Wort entwickelt. Umso gespannter werden die Ergebnisse der Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda erwartet, welche die netzpolitischen Themen für den Koalitionsvertrag vorbereiten soll.
Die „Digitale Agenda“ verhandeln für die Union die CDU-Abgeordneten Peter Tauber, Ansgar Heveling, Andreas Lämmel, Nadine Schön und der Berliner Senator Thomas Heilmann sowie die CSU-Mitglieder Dorothee Bär, Reinhard Brandl und Markus Blume. Die Vertreter der Sozialdemokraten sind Brigitte Zypries, Lars Klingbeil, Gesche Joost und der Berliner Staatssekretär Björn Böhning.
CDU – Digital Native trifft Wirtschaftsflügel
Mit Peter Tauber hat die CDU zwar einen ihrer profilierten Netzpolitiker in die Verhandlungen mit der SPD geschickt. Die Verhandlungsführerschaft wurde dem begeisterten Social Media-Nutzer allerdings nicht übertragen. Ihm zur Seite steht Ansgar Heveling, der vor allem durch seine Aussage in Erinnerung geblieben ist, „das Web 2.0 ist bald Geschichte“ und die Netzgemeinde würde den Kampf verlieren.
Für netzpolitisch Interessierte dürfte die CDU-Abgeordnete Nadine Schön eher unbekannt sein, denn sie war in der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft nur stellvertretendes Mitglied in der Projektgruppe Wirtschaft, Arbeit, Green IT. Doch vielleicht wird sie zukünftig Mitglied eines Fachausschusses „Internet und digitale Gesellschaft”, den sie ebenso wie Tauber und andere Kollegen fordert. Andreas Lämmel vertritt als Stellvertretender Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) den Wirtschaftsflügel und ist als Sprecher für Telekommunikation ein Experte in Fragen der digitalen Infrastruktur. Der Berliner Senator für Justiz und Verbraucherschutz, Thomas Heilmann, der zuvor als Unternehmer erfolgreich Internet-Unternehmen geführt und Start-ups gegründet hat, bringt sicher eine zusätzliche Perspektive in die anstehenden Diskussionen ein.
CSU – netzpolitische Erfahrung und Prominenz
Mit Dorothee Bär hat eine der bekanntesten Netzpolitikerin der Unionsparteien die Verhandlungsführerschaft übernommen. Sie hat sich schon oft in die netzpolitische Diskussion eingemischt und steht dem virtuell organisierten Arbeitskreis CSUnet vor. Als Sprecherin ihrer Fraktion für Familie und Frauen ist sie parteiintern eher auf die Familienpolitik festgelegt, so dass sie auch in der AG Familie, Frauen und Gleichstellungspolitik vertreten ist. Der CSU-Abgeordnete Reinhard Brandl hatte in der vorigen Legislatur den Vorsitz der Projektgruppe Bildung und Forschung der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ inne und war auch Mitglied im Unterausschuss Neue Medien, in dem die meisten netzpolitischen Themen bislang diskutiert wurden. Markus Blume ist Mitglied des Bayrischen Landtags und einer der Vordenker der Resolution „Bayern 3.0 – Digital in die Zukunft!“
SPD – bekannte Namen, aber keine einheitliche Linie
Als netzpolitischer Sprecher seiner Partei ist Lars Klingbeil wie erwartet in die Verhandlungsgruppe berufen worden. Der aktive Twitter-Nutzer zählt wie auch Peter Tauber und Dorothee Bär zu den profilierten Netzpolitikern im Bundestag. Die Universitätsprofessorin Gesche Joost war auf der politischen Bühne bekannt geworden, da Peer Steinbrück sie als Netzexpertin in sein Kompetenzteam berufen hatte. Gleich zu Anfang hatte sie sich für einen starken Datenschutz ausgesprochen und sich gegenüber einer generellen Vorratsdatenspeicherung kritisch positioniert. Die SPD-Spitze und auch die ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatten sich jedoch in den letzten Jahren immer wieder zugunsten einer Vorratsdatenspeicherung geäußert, vor allem im Hinblick auf die entsprechende, zu erfüllende EU-Richtlinie von 2006. Da Gesche Joost nicht im neuen Bundestag vertreten ist, wird sie während der Koalitionsverhandlungen ihren wissenschaftlichen Sachverstand einbringen, während Brigitte Zypries als Verhandlungsführerin in der kommenden Legislatur die politische Verantwortung für die Weichenstellung übernehmen muss.
Als vierter Vertreter der SPD-Gruppe wird Björn Böhning, Leiter der Berliner Senatskanzlei, an den Verhandlungen teilnehmen. Er hatte sich bei den rot-schwarzen Koalitionsverhandlungen in Berlin für ein eigenes Netz-Ressort starkgemacht.
Ausschuss oder im Bundestag verstreute Experten
Noch ist völlig offen, ob es einen eigenen Ausschuss für Netzpolitik geben wird, wie es viele der Netzpolitiker und Enquete-Mitglieder im Bundestag forderten, oder das Thema einem größeren Gremium, wie etwa bisher dem Ausschuss für Kultur und Medien oder alternativ dem Wirtschaftsausschuss, angegliedert wird. Abhängen wird dies wohl vor allem davon, ob es ein entsprechendes Bundesministerium oder zumindest einen Staatsminister für Digitales geben wird. Möglich wäre auch, dass jedem Ausschuss ein Digitalisierungsexperte angehören wird, wie es Jarzombek bei einer Podiumsdiskussion in Berlin am Mittwoch vorgeschlagen hat. Der Düsseldorfer CDU-Netzexperte, der bisher stets für deutliche Worte und seine freie Meinungsäußerung bekannt war, verhandelt momentan in der Arbeitsgruppe Verkehr, Bau und Infrastruktur über den Koalitionsvertrag.