Digitalagenda des BMU: Digitalisierung für und nicht gegen das Klima
Foto: shutterstock / Romolo Tavani
Das BMU hat Eckpunkte für eine umweltpolitische Digitalagenda erarbeitet. Aus Sicht von Bundesumweltministerin Svenja Schulze steht fest: Die Digitalisierung braucht einen Ordnungsrahmen, um positiv für Klima und Umwelt zu wirken. Andernfalls beschleunige sie die Überschreitung der planetaren Grenzen. Auch künstliche Intelligenz soll helfen.
Aus Sicht von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) benötigt die Digitalisierung einen „Ordnungs- und Handlungsrahmen“, damit diese nicht zu einer Belastung, sondern vielmehr zu einer Chance für den Klima- und Umweltschutz wird. Die Ministerin stellte in diesem Zusammenhang auf der re:publica 2019 erste Eckpunkte für eine „umweltpolitische Digitalagenda“ vor, die bis zum Jahresende „im Dialog mit Anwenderinnen und Anwendern, Entwicklerinnen und Entwicklern, Nutzerinnen und Nutzern“ erarbeitet werden soll. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ab Juli 2020 will Schulze nutzen, um die BMU-Agenda auf die europäische Ebene zu heben. Denn Ziel sind europaweite Standards für die nachhaltige Digitalisierung – die auch eine Chance haben, global Verbreitung zu finden.
Zudem erklärte Schulze:
„Wenn wir die Digitalisierung unverändert fortsetzen, wird sie zum Brandbeschleuniger für die ökologischen und sozialen Krisen unseres Planeten.“
Die nachhaltige Digitalisierung müsse daher zu einem Markenprodukt Europas werden. Sie sei überzeugt, so Schulze weiter,
„dass eine solche Strategie nicht nur der Umwelt nützt, sondern durch Innovationen auch neue industriepolitische Impulse setzt.“
Eckpunkte für eine umweltpolitische Digitalagenda
Das Eckpunktepapier aus dem Bundesumweltministerium (BMU) ist mit dem Titel „Umwelt in die Algorithmen“ überschrieben. Eingangs wird der Bedarf für eine Trendwende hin zu einer nachhaltigen Digitalisierung unterstrichen: Geschehe nichts, werde die Digitalisierung nicht zum „Chancentreiber“, sondern beschleunige die Überschreitung der planetaren Grenzen. Dann folgen zehn Thesen, die skizzieren sollen, wie wirtschaftliche Entwicklung und Umweltschutz in der Digitalisierung zusammengedacht und vollzogen werden können.
Digitalisierung für Klima- und Umweltschutz
Dier ersten vier Thesen befassen sich mit dem direkten Einsatz der Digitalisierung zum Klima- und Umweltschutz. Dabei sei zu beachten, dass mehr Effizienz durch digitale Anwendungen schnell durch den Rebound-Effekt überkompensiert werden – wenn man beispielsweise an die Industrie 4.0 denke. Damit die Digitalisierung einen positiven Klimaeffekt entfalten kann, will das BMU in einem ersten Schritt die Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu diesem Thema vorantreiben. Dazu soll im Rahmen des Klimaschutz-Maßnahmenprogramms 2030 ein „Digital Innovation Hub for the Climate“ aufgebaut werden. Dieses soll auch Startups mit innovativen Lösungen für den Klimaschutz fördern. Über eine Fortschreibung des Deutschen Ressourceneffizienzprogramms ProgRess III will das Umweltressort zudem die Chancen der Digitalisierung für die Förderung einer ressourcen- und klimaschonenden Produktion nutzen. Darüber hinaus sollen digitale Technologien in allen Förderprogrammen des BMU stärker berücksichtigt werden. Die Maßnahmen der „Umsetzungsstrategie zur Gestaltung des digitalen Wandels“ will das Ministerium hinsichtlich ihrer Auswirkung auf Klima und Umwelt untersuchen.
Mit Blick auf den Umweltschutz soll ein „Monitoringzentrum Biodiversität“ entstehen. Dieses soll politische Entscheidungen durch Informationen zu den Auswirkungen von Eingriffen in die Natur und zur Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen unterstützen. Aber auch die Öffentlichkeit soll auf die Informationen des Zentrums zugreifen können. In der Landwirtschaft sollen digitale Hilfsmittel eingesetzt werden, um den Einsatz von Düngern und Pflanzenschutzmitteln zu verringern. Im Zuge der Digitalisierung der Landwirtschaft will sich das BMU für die Entwicklung einer „Agrar-Masterplattform“ einsetzen. Eine solche Plattform soll Landwirte mit Umweltdaten versorgen und deren Abhängigkeit von IT-Lösungen internationaler Konzerne verringern. Schlussendlich soll die Digitalisierung auch die Position der staatlichen Vollzugsbehörden stärken, um „Umweltkriminellen besser das Handwerk zu legen“.
Hervorgehoben wird auch die Rolle der Künstlichen Intelligenz (KI): Diese könne dabei helfen, das Verkehrsaufkommen zu verringern oder Produkte wie Stahl und Zement mit einem geringen Energieeinsatz und weniger Treibhausgasemissionen herzustellen. Damit KI ihre Rolle beim Klimaschutz ausspielt, müsse die „Umwelt in die Algorithmen einfließen“, schreibt das BMU. Dazu plant das Ministerium, „Kriterien und ein Gütesiegel für umweltgerechte KI“ zu entwickeln. Die Verbreitung „umweltorientierte[r] KI-Anwendungen“ in den Unternehmen will die SPD-Umweltministerin in Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Betriebsräten forcieren.
Umweltdaten der deutschen Behörden will das BMU als „Open-Data“ öffentlich zugänglich machen, um auf Seiten der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft „kreative Lösungen für Umwelt, Natur und Klima zu ermöglichen“. Zu diesem Zweck soll in den „kommenden Jahren“ eine „Umweltdatencloud“ aufgebaut werden. Dazu sollen auch die deutschen Umweltbehörden „für den digitalen Wandel fit gemacht werden“.
Digitalisierung für Ressourceneffizienz und nachhaltigen Konsum
Die Thesen fünf bis sieben gehen auf Energie- und Ressourceneffizienz und nachhaltigen Konsum ein. Neben dem bestehenden Umweltzeichen „Blauer Engel“ für energie- und ressourceneffiziente IKT und Rechenzentren will das BMU ein Kriterien für ressourceneffiziente Software entwickeln. Gleichzeitig plädiert das Ministerium dafür, die EU-Ökodesignrichtlinie so zu überarbeiten, dass auf eine „umweltfreundliche Gestaltung digitaler Geräte“ hingewirkt wird. Die Hersteller der Produkte sollen zudem für den gesamten Produktlebenszyklus verantwortlich gemacht werden – von der Herstellung bis zum Recycling und der Entsorgung. Die Blockchain-Technologie könne in diesem Kontext eingesetzt werden, um Rohstoffe und seltene Erden von der Gewinnung bis zum Recycling zurückzuverfolgen und Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie gegen Umweltauflagen verstoßen.
Um den nachhaltigen Konsum zu fördern, prüft das BMU die Einführung einer europäischen IT-Designrichtlinie. Diese soll für eine energieeffiziente IKT, ressourcenschonende Produktion, Datensuffizienz und die Reparierbarkeit von Produkten sorgen – mehr noch werden ein „right to repair“ und europäische Standards für die Langlebigkeit digitaler Endgeräte eingefordert. Im Onlinehandel soll den Umweltauswirkungen von Verpackungen und Lieferverkehren mit umweltfreundlichen Mehrwegverpackungen und klimaschonenden Transportmitteln begegnet werden.
Entwicklung mit Forschung unterstützen
Die letzten drei Thesen befassen sich mit der Forschung zum Themengebiet sowie der Rolle der Zivilgesellschaft und des BMU selbst. So schreibt das Ministerium:
„Die Folgen der digitalen Transformation für Umwelt, Natur und für die Nachhaltigkeit sind bisher nur ansatzweise erforscht.“
Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wird daher die Ausarbeitung einer Forschungsagenda „Nachhaltiges Leben in einer digitalisierten Welt“ angestrebt. Außerdem soll der Aufbau eines „Forschungsinstitutes für Digitalisierung und Nachhaltigkeit“ unterstützt werden. Um den Beitrag der Zivilgesellschaft zum Thema zu unterstützen, macht sich das BMU für die Gründung einer Innovationsagentur zur Weiterentwicklung des Knowhows Organisationen stark, die an der „Entwicklung digital-sozialer Lösungen von Nachhaltigkeitsproblemen“ arbeiten. Mit einer „Modernisierungsagenda BMU“ will das Ministerium sich zudem selbst mehr Digitalkompetenz verpassen.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Hendrik Köstens schreibt als Chef vom Dienst zur Energie- und Klimapolitik.