Digital-Index der EU: Deutschland hat Nachholbedarf
Die Europäische Kommission evaluiert seit 2014 jährlich den Grad der Digitalisierung der Mitgliedsstaaten. Wo steht Deutschland im Vergleich zu seinen Nachbarn? Der Digital Economy and Society Index (DESI) 2019 liefert die Antworten. Dieser untersucht fünf Dimensionen der Digitalisierung: Die Konnektivität, das Humankapital, die Internetnutzung, die Integration digitaler Technologien und die öffentlichen Dienstleistungen. Deutschland steht kategorienübergreifend im Vergleich der 28 EU-Mitgliedstaaten auf Platz zwölf.
2016 lag die Bundesrepublik noch auf Platz neun. Finnland, Schweden, die Niederlande und Dänemark erzielten die höchsten Bewertungen im DESI 2019 und gehören damit zu den Vorreitern in der Digitalisierung. Die Tatsache, dass die größten Volkswirtschaften der EU keine digitalen Vorreiter sind, wird als Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit der EU angesehen. Die Kommission empfiehlt daher gezielte Investitionen und betont die Bedeutung einer wirksamen Digitalpolitik.
Die Konnektivität in Deutschland
Aus dem Länderbericht für Deutschland geht hervor, dass bei den Konnektivitätsindikatoren, zu denen etwa die 4G-Netzabdeckung, die 5G-Bereitschaft oder die Festnetzbreitbandabdeckung zählen, Fortschritte erzielt werden konnten. Da andere Länder jedoch schneller voranschritten, rutschte Deutschland in diesem Bereich vom neunten auf den elften Platz ab.
Die Festnetzbreitbandabdeckung liegt weiterhin bei 98 Prozent – das ist im EU-Vergleich Rang 15. Über eine ultraschnelle Breitbandabdeckung verfügten 2018 66 Prozent der deutschen Haushalte gegenüber 60 Prozent im EU-Vergleich, was nur Rang 16 bedeutet.
Gute Ergebnisse erzielt Deutschland beim Breitbandpreisindex (Rang drei) und der Festnetzbreitbandnutzung (Rang vier). 2018 nutzten 87 Prozent der deutschen Haushalte Festnetzbreitbandverbindungen. Die Mobilfunkpreise für Handy-Angebote fielen 2018 von 19,30 EUR auf 15,20 EUR und liegen damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt (22,30 EUR). Bei der 5G-Bereitschaft steht Deutschland an dritter Stelle, nachdem bis Ende 2018 Frequenzen im 700-MHz-Band zugeteilt waren, die 2020 für 5G verfügbar sein sollen.
Als große Herausforderungen werden die digitale Kluft zwischen Stadt und Land in Bezug auf die Netzabdeckung ausgemacht sowie der sehr geringe Anteil der Glasfaseranschlüsse. Die Autoren betonen, dass wirtschaftliche Anreize für den Ausbau der 5G-Infrastruktur sowie für einen anhaltenden Wettbewerb um die Infrastruktur gesetzt werden müssten.
Internetnutzung, Integration der Digitaltechnik und E-Government
Im Vergleich der fünf untersuchten Kategorien schneidet Deutschland bei der Nutzung von Online-Diensten am besten ab und landet auf Rang neun. Die Deutschen sind überdurchschnittlich aktiv im Internet und nur fünf Prozent haben noch nie das Internet genutzt. Entsprechend wird beim Online-Verkauf Rang drei und beim Online-Einkauf Rang fünf erreicht.
In der Kategorie Integration der Digitaltechnik kommt Deutschland auf Rang 13 und liegt damit leicht über dem EU-Schnitt. In zunehmenden Maße nutzen beispielsweise Unternehmen die Möglichkeiten von Big Data. Waren dies 2016 noch sechs Prozent, lag der Anteil 2018 schon bei 15 Prozent. Allerdings nutzen nur zwölf Prozent der deutschen Unternehmen Cloud-Dienste, gegenüber 18 Prozent im EU-Durchschnitt.
Die größte Herausforderung besteht für Deutschland jedoch in der Verbesserung der Online-Interaktion zwischen Behörden und Bürgerinnen und Bürgern (Rang 26). E-Government-Angebote werden nur von 43 Prozent der Internetnutzer (Rang 26) und E-Health-Dienste lediglich von sieben Prozent der Menschen genutzt (Rang 26).
Im Zuge der Vorstellung des DESI 2019 erklärte der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Vizepräsident der EU-Kommission Andrus Ansip:
„[…] Es ist dringend geboten, neue Vorschriften zur Förderung der Konnektivität, der Datenwirtschaft und der digitalen öffentlichen Dienste umzusetzen und den Mitgliedstaaten zu helfen, die Bürger mit digitalen Fähigkeiten auszustatten, die an den modernen Arbeitsmarkt angepasst sind.“
Handlungsbedarf sieht auch der Wirtschaftsrat der CDU. Dessen Vorsitzender Wolfgang Steiger erklärte:
„Europaweit belegen wir Platz 26 von 28 bei digitalen Behördengängen. Die EU-Kommission hat Deutschland wieder einmal bescheinigt, dass da – um es freundlich zu formulieren– noch Luft nach oben ist.“
Smarte Regulierung von digitalen Plattformen
Der Bitkom hat wiederum Handlungsbedarf bei der Regulierung der Plattformökonomie ausgemacht und dazu ein Positionspapier veröffentlicht.
Zeitglich mit der Veröffentlichung des DESI 2019 hat der Bitkom ein Positionspapier zur Regulierung digitaler Plattformen veröffentlicht. Demnach könne Deutschland zu einem Gewinner der Plattformökonomie werden – notwendig seien eine innovationsoffene Haltung und Unterstützung der Politik.
Gefragt sei eine „Smarte Regulierung“: So sollte in einem ersten Schritt die regulatorische Kompetenz im Politikbereich durch das Heranziehen von sachkundigen Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft gestärkt werden. Zudem sei eine passgenaue Regulierung gefragt. Regulierungsobjekte sollten differenziert und nicht im Rahmen eines „one size fits all“-Ansatzes betrachtet werden.
Insgesamt müsse in der Plattformökonomie ein fairer Wettbewerb herrschen und Innovationen gefördert werden. Innovations-Anreizsysteme müssten aktiv, etwa durch steuerrechtliche Vorteile gestaltet werden. Auch die Weiterentwicklung des digitalen Binnenmarktes sei wichtig. Aufsichtsbereiche wie Datenschutz, Verbraucherschutz und Wettbewerbsschutz müssten enger koordiniert werden. Regulierungsvorschriften müssten zudem vergleichbar und für die Marktteilnehmer transparent sein.