#diesejungenLeute: Ganz schön gut – für dein Alter
Wird man im Beruf, Alltag oder in der Ausbildung auf das Geschlecht, die Herkunft oder sexuelle Orientierung reduziert, ist das ein ganz klarer Fall von Diskriminierung. Eine Hashtag-Kampagne, die letzte Woche ihren Höhepunkt erreicht hat, zeigte, dass auch die explizite oder implizite Erwähnung des Alters in einem dafür nicht relevanten Kontext als diskriminierend empfunden werden kann. Einer, der ein Lied davon singen kann, ist Juso-Chef Kevin Kühnert. Die teilweise herablassende Haltung der Medien gegenüber dem 28-Jährigen wurden nach dem Bundesparteitag am 21. Januar angeprangert. Die Nachrichten-Website Bento rief daraufhin junge Politiker und Politikerinnen dazu auf, Situationen bei Twitter zu schildern, in denen sie aufgrund ihres Alters nicht ernst genommen wurden. Nur 24 Stunden später haben hunderte Menschen, darunter Landtags- und Bundestagsabgeordnete, ihre persönlichen Erfahrungen unter dem Hashtag #diesejungenLeute geteilt.
Im Deutschen Bundestag sind derzeit zwölf von 709 Abgeordneten unter 30 Jahre alt – in vielen anderen Landesparlamenten, darunter zum Beispiel im Abgeordnetenhaus von Berlin mit gerade mal zwei Abgeordneten unter 30, ist die Altersstruktur zumindest nicht jünger.
„Wenn der Kollege in der ersten Ausschusssitzung nicht mit dir, sondern mit deinem Referenten spricht, weil der älter ist“,
beschrieb etwa der FDP-Politiker Moritz Körner, Mitglied des Landtags Nordrhein-Westfalen, eine Situation. Die Grünen-Politikerin Ami Lanzinger, derzeit Mitglied im grünen Landesausschuss Bayern, erzählte, dass sie als Antwort auf ihre Ankündigung, für den Bundestag zu kandidieren, gefragt wurde: „Willst du nicht erst einmal Kinder bekommen, bevor du in die Politik gehst?“ Ähnliche Situationen berichteten June Tomiak, Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus, Lasse Petersdotter, grüner Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein und die SPD-Landtagsabgeordnete in Nordrhein-Westfalen, Sarah Philipp.
„Symptomatisch für den Umgang mit engagierten jungen Menschen auf allen Ebenen“
empfindet Madeleine Henfling die Hashtag-Kampagne.Die Grünen-Abgeordnete im Thüringer Landtag empfiehlt allen, die sich fragen, „warum junge Menschen keinen Bock auf Politik und Parteien haben“ die Kampagne #diesejungenLeute zu lesen. Auch Anke Domscheit-Berg, Bundestagsabgeordnete der Linken, sieht in dem Generationenkonflikt ein größeres Problem:
„Da wird unsere Zukunft demotiviert. Menschen nicht an Politikgestaltung rangelassen, die am längsten von dieser Politik betroffen sein werden. Auch deshalb ist Politik oft kurzsichtig, weil sie von Menschen mit kürzeren Horizonten gemacht wird“,
schreibt die Parlamentarierin bei Twitter. In einem weiteren Tweet ergänzte Domscheit-Berg:
„[…] wenn mich jemand in Debatten inhaltlich disqualifizieren will u meine Positionen klein machen, dann nennt er mich ‚Mädchen‘ o ‚junge Frau‘. Ich werde im Februar 50 Jahre alt u frage mich langsam, wann das aufhört…“.
Auch wenn zunächst junge Politiker dazu aufgefordert wurden, ihre Erfahrungen zu teilen, meldeten sich viele junge Menschen aus anderen Berufen bei Twitter unter demselben Hashtag zu Wort. Auf den Tweet von Moritz Körner antwortete etwa die Twitter-Nutzerin und Journalistin bei kn-online, Anne Holbach:
„Funktioniert übrigens auch andersrum. Wenn Politiker erst nur mit dem älteren Fotografen sprechen, weil die junge Frau ja nun wirklich nicht die Reporterin sein kann, die die Zeitung geschickt hat. #diesejungenLeute“.
Juso-Chef Kevin Kühnert nimmt die Anspielungen auf sein Alter mit Humor: Nachdem er bei der RTL-Sendung „Guten Morgen Deutschland“ gefragt wurde, ob er in einer WG lebe, erklärte er auf Twitter, solche „überaus relevanten Fragen“ zu beantworten –
„sobald #Merkel und Co gefragt werden, ob sie beim Joghurt immer den Deckel ablecken.“