Die Schönheit von Big Data: The Next Rembrandt

Veröffentlicht am 26.04.2016

Big Data ermöglicht Innovationen in fast allen Lebensbereichen. Mithilfe von großen Datenmengen können Daten-Analytiker inzwischen Epidemien vorhersagen, unseren Energieverbrauch optimieren oder Geschäftsprozesse präzisieren. Doch Big Data eröffnet auch ungeahnte Möglichkeiten in der Welt der schönen Künste. Das beweist ein eindrucksvolles Projekt in den Niederlanden, das sich auf die Spuren des Malers Rembrandt van Rijn begeben hat: 400 Jahre nach dessen Tod hat eine Kooperation aus Data-Analysten, Rembrandt-Kennern und Software-Ingenieuren das künstlerische Erbe des großen Meisters nicht nur analysiert, sondern mithilfe eines Algorithmus und eines 3D-Druckers auch ein typisches Rembrandt-Gemälde kreiert. Dieser „Next Rembrandt“ – ein Portrait eines weißen Mannes mit Bart – würde an einer Museumswand glatt als „echter“ Rembrandt durchgehen.

Mit Big Data die Seele berühren

„Wir nutzen Daten, um Prozesse zu optimieren, aber bisher nutzen wir Daten noch nicht auf eine Art, die die menschliche Seele berührt. Man könnte sagen, wir nutzen Technologien und Daten, wie Rembrandt damals mit Farbe und Pinsel etwas Neues geschaffen hat“, erklärt Ron Augustus von Microsoft, die mit ihrer Azure-Plattform die Software für das Handling der Daten beigesteuert haben. Konkret gingen die Experten von der TU Delft, dem Den Haager Mauritshuis und dem Amsterdammer Museum „Rembrandthaus“ so vor: Zunächst wurden alle bekannten Werke des Künstlers – es sind immerhin rund 350 – aufwendig ausgelesen und in einem Database gesammelt. Dies gelang mithilfe von 3D-Scans und sogenannten Deep-Learning-Algorithmen. Insgesamt kam diese Auswertung von Rembrandts Gesamtwerk auf eine Datenmenge von beachtlichen 15 Terrabyte – also etwa sechsmal so viel wie die jüngst geleakten Panama Papers, die als bisher größtes Datenleck der Geschichte gelten. Weil der Großteil von Rembrandts Werken Portraits sind, wurde im nächsten Schritt das „typische“ Rembrandt Subjekt ausgewählt. „The Next Rembrandt“ sollte also ein Mann mittleren Alters im Look des 17. Jahrhunderts sein. Dann wurden alle Portraits, die auf dieses Profil passen, verglichen, um die typische Rembrandt-Nase, das typische Rembrandt-Auge oder den typischen Rembrandt-Mund zu generieren. Im letzten Schritt folgte der 3D-Druck des Gemäldes. „The Next Rembrandt“ besteht aus 148 Millionen Pixeln und 168 263 Rembrandt-Bildfragmenten auf dreizehn 3D-gedruckten Farbschichten.

Big Data überzeugt Kunstexperten nicht

Doch obwohl der portraitierte Herr den Rembrandt-Figuren täuschend ähnlich sieht, sind Kunstexperten mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Für sie ist „The Next Rembrandt“ nichts als eine technisch perfekte Fälschung ohne Herz und ohne Leben. Tatsächlich fehlt dem Bild bei genauerer Betrachtung das „Besondere“, das Rembrandts andere 350 Werke auszeichnet und den Maler zu einem der größten seiner Zeit machte. Rembrandts Magie ist also nicht einmal mit einer umfangreichen Datenanalyse qualifizierbar. Bei dem Projekt ging es aber nicht nur um eine perfekte Imitation, sondern auch darum, herauszufinden, was Rembrandt zu Rembrandt machte. „Es wäre interessant zu erfahren, was Rembrandt selbst davon hielte. Ich glaube er wäre glücklich darüber, dass Leute versuchen, ihn zu verstehen“, sagt Emmanuel Flores von der TU Delft, Director of Technology des Projekts.

18 Monate haben die Kooperationspartner am „Next Rembrandt“ gearbeitet. Über die Kosten des Mammut-Projekts verraten die Initiatoren nichts, aber mit der niederländischen ING-Bank hatte die Rembrandt-Crew einen finanzstarken Partner an ihrer Seite. Solange Big-Data-Analysen und 3D-Druck so ressourcenaufwändig sind, muss sich die Kunstwelt also keine Sorgen machen, dass High-Tech-Kunstfälscher mit Next Dalí, Next Chagall und Next Dürer den Markt überschwemmen. Doch wenn 3D-Drucker erst für jedermann erschwinglich werden, könnten auf einmal viele „verschollene“ Werke von großen Künstlern auftauchen.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion