Die Revolution der Fashion-Branche: Ohne online geht’s nicht mehr!
Das kleine Schwarze ist ein Muss! Was früher vor allem für den Modeklassiker im Kleiderschrank galt, trifft heute auch auf die Tablets zu, die in keinem fashionaffinen Haushalt fehlen sollten. Sie sind inzwischen das Tor zur Modewelt: die Trends aus Paris, Mailand und New York – nur einen Klick entfernt. Die Digitalisierung hat aber nicht nur das Shopping und die Verfügbarkeit von Mode, sondern gleich die ganze Fashion-Branche vom Trendsetting bis zum Designermarketing revolutioniert. Zwei Wochen vor der Berliner Fashion Week waren dies die Themen der achten Mobile Living-Veranstaltung von Telefónica im BASE_camp am Mittwoch, 24.06.2015. Angeregt darüber diskutierten die Podiumsgäste Eva Padberg (Topmodel), Katja Will (C’est tout), Leonie Bechtoldt (Style-bergauf), Nicola Erdmann (WELT/ICON) und Claudia „Cloudy“ Zakrocki (INTRVIEW) unter der Moderation von Tanja Bülter. Beim anschließenden Get together wurde die Frage darüber, wer im Zeitalter von YouTube und Fashion Blogs wirklich die Modetrends setzt mit prominenten Gesichtern wie Schauspieler Ralph Herforth, Gerit Kling und Nina Vorbrodt sowie der Moderatorin und Let’s Dance Teilnehmerin Minh-Khai Phan-Thi fortgesetzt.
Online oder Print?
Die Zeiten sind vorbei, in denen Hochglanz-Magazine wie Vogue und Co. alleine bestimmten, was en vogue ist oder eben nicht. Inzwischen haben Fashion-Blogger in puncto Trends in der ehemals elitären Modebranche ein gehöriges Wörtchen mitzureden. Bei den großen Modeschauen sitzen sie neben ihren Print-Kollegen in der ersten Reihe – und ihre Leser mit ihnen, wenn sie parallel vom Laufsteg twittern. Und direkt nach dem Event gehen die Eindrücke auf den Blogs online. „Die Art der Nutzung ist anders. Bei Print hat man mehr Zeit für Recherche und eine gute Bildauswahl, online muss es vor allem schnell gehen“, erläutert die ehemalige Modebloggerin Claudia „Cloudy“ Zakrocki. Sowohl online als auch Print werden bestehen bleiben, ist die INTERVIEW-Chefredakteurin für den Online-Bereich überzeugt. Dieser Ansicht ist auch Nicola Erdmann: „Es handelt sich um unterschiedliche Kanäle für unterschiedliche Nutzer“, so die ICON Redakteurin. Beide Seiten würden zudem viel voneinander lernen und übernehmen. Blogger machen inzwischen auch journalistische Formate wie Interviews und klassische Print-Redaktionen probieren Bloggerformate aus.
Das schnellere Online-Tempo führt nicht automatisch dazu, dass Trends schneller vergehen, ist Erdmann überzeugt. Die Mode-Branche sei ohnehin ein schnelllebiges Geschäft, auch Chanels Chef-Designer Karl Lagerfeld mache acht Kollektionen pro Jahr, sagte die Redakteurin. Wer allerdings die Trends setze, das sei heute nicht mehr so klar auszumachen. Die Modeschöpferin Katja Will sieht das Trendsetting als Gemeinschaftsaufgabe. Die Designer liefern den Content, die Magazine und die Blogger die Berichte. Eine Zukunft für die Print-Mode-Magazine sieht sie langfristig allerdings nicht. Das werde sich immer mehr auf online verlagern, prognostizierte die Berlinerin.
Blogger und das Internet haben die Modewelt verändert
Will setzt bei ihrer Arbeit voll auf die revolutionären Möglichkeiten des Internets. „Seit es die Blogger gibt, hat sich alles geändert“, berichtet sie den Besuchern des BASE_camps. Designer könnten sich jetzt unabhängig machen von Händlern und Print-Medien. Online-Kooperationen seien nicht nur mit Bloggern möglich, sondern auch mit Plattformen wie eBay. Der direkte Draht zum Kunden auf den Social Media-Kanälen könne zudem für Online-Abstimmungen über Kollektionen genutzt werden. Was die meisten Likes bekommt, werde produziert, schwärmt die Berliner Designerin. Man sei in dieser Entwicklung gerade mittendrin, da gebe es noch viele Ideen und Konzepte. Beispielsweise könnte man Instagram-Bilder direkt mit einem Online-Shop verlinken, in dem das gelikte Kleidungsstück zu erwerben ist. Dank des Internets sei es möglich, auch mit einem kleinen Budget eine große Reichweite zu erzielen, beschreibt die Designerin die Entwicklung. Bei der Qualität der Online-Präsentation ist nach Ansicht der Fashion-Experten im BASE_camp allerdings noch Luft nach oben. Katja Will findet, dass es häufig an Videoformaten fehle, Leonie Bechtoldt sieht bei den Shopping-Apps noch reichlich Verbesserungspotential.
Trotz der Defizite können sich auch Designer-Größen wie Chanel mit einem eher älteren Kundenstamm dem Online-Trend nicht entziehen. Das Traditionshaus werde jetzt bald einen Online-Store eröffnen, berichtet Cloudy. Die Designer-Marke Burberry sei dagegen eine der ersten gewesen, die Online-basierte Inszenierungen auch in ihren Flagship Stores genutzt hätten. Leonie Bechtoldt rät grundsätzlich dazu, Shop- und Online-Angebot gut miteinander zu verzahnen. Wenn man morgens auf dem Weg zur Arbeit im Schaufenster eine schöne Tasche sieht, die einem gefällt, sollte man die im Geschäft online reservieren und abends abholen können. Wenn man im Internet noch die passenden Schuhe zur Handtasche präsentiert bekommt, umso besser. „Am Ende geht es darum, den Konsumenten zufrieden zu stellen“, so die Bloggerin. Angesichts dieser Entwicklung äußert Katja Will Zweifel, ob die großen Modekonzerne, die traditionell ihre Kollektionen erst ein halbes Jahr nach der Präsentation in die Geschäfte bringen, bei dieser Tradition bleiben können. Bei ihrem Label C’est tout seien die Kleidungsstücke bereits einen Tag nach der Präsentation online erhältlich.
Schaufensterbummel mit dem Tablet auf dem Sofa
Das schnelle Tempo ist nicht der einzige Vorteil des Online-Shoppings. Es sei für viele auch sehr bequem, erzählt Cloudy Zakrocki. Manche Fashionfans würden einfach einer Bloggerin folgen, deren Stil ihnen gefällt, und dann die Hälfte von den Sachen für sich selbst bestellen. Leonie Bechtoldt zeigt sich begeistert von der ständigen Verfügbarkeit: „Online kann man immer shoppen“, so die Trendsetterin. Abends auf der Couch im Internet einzukaufen, ist fast ein Hobby geworden, gestand auch Topmodel Eva Padberg beim Fashion-Event im BASE_camp. „Wer weiß, ob es Läden bald überhaupt noch braucht …“, fragte dann auch Designerin Katja Will in die Runde.
Inspiration bei der klassischen Klamottenjagd
Wenn es nach Eva Padberg geht, muss man sich aber auch in Zeiten der Digitalisierung um die Mode-Läden in den Shopping-Vierteln keine Sorgen machen. „Beim Online-Shoppen fehlt mir die Inspiration. Wenn ich durch die Geschäfte gehe, kann ich etwas entdecken, das noch nicht jeder kennt“, sagte die Mode-Ikone. Und auch die Umfrage in der Podiumsrunde im BASE_camp ergab, dass die klassische Klamottenjagd im Offline-Modus noch lange nicht ausgedient hat. Zwar gibt es die großen Überzeugungstäter wie Katja Will, die inzwischen 95 Prozent ihrer Kleidung online kauft. Auch Eva Padberg ist mit einem geschätzten Anteil von 70 Prozent Online-Shopping ganz gut dabei. Bei Leonie Bechtold hingegen ist das Verhältnis eher 50 zu 50, während Nicola Erdmann den stationären Handel (70 Prozent) favorisiert und Claudia Zakrocki nie im Internet einkauft. „Ich werde den ganzen Tag online zugeworfen mit Angeboten und Fotos, da ziehe ich lieber alle zwei Monate los und shoppe offline“, verrät die INTERVIEW-Chefredakteurin Online. Auch wenn die klassische Klamottenjagd im Offline-Modus ganz sicher seine Vorteile hat – für Kunden, Designer und Fashion-Redaktionen gilt künftig: „Ohne online geht’s nicht mehr“. Darin war sich das Podium der Powerfrauen einig.