Die Bundesregierung bei Facebook: „Staatsfernsehen“ auf Umwegen?
Seit 2015 hat die Bundesregierung einen Facebook-Account, auf dem sie fast täglich Bild-, Ton-, Text- oder Videobeiträge postet. Ein „Fan“ der ersten Stunde: Jan Böhmermann. Dieser stellt auf der Seite der Bundesregierung auch gerne mal Fragen, wie etwa:
„Was ist der Unterschied zwischen Rundfunk und den publizistischen Tätigkeiten der Bundesregierung im Internet?“
So stellt Böhmermann implizit die provokante These auf, dass die Bunderegierung über Facebook eine Art „Staatsfernsehen“ etabliert. Was steckt dahinter? Und was „darf“ die Bundesregierung eigentlich im Netz?
Amtsblatt 4.0
Jeder kennt sie, die Amtsblätter der eigenen Gemeinde oder Stadt, die in Rathäusern, Bürgerämtern oder teilweise zerfleddert auf der Straße herumfliegen. Würde man das Gemeindeblatt regelmäßig lesen, wäre man wahrscheinlich bestens informiert – über neue Gesetze, Baumaßnahmen und andere Angelegenheiten. Wozu dann noch eine Lokalzeitung für Geld erwerben? Dass die lokale Presse in den Amtsblättern eine starke Konkurrenz sieht, zeigt sich an den zahlreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen der Presse und Kommunen über die Zulässigkeit des redaktionellen Teils der Amtsblätter. Dass dem Staat mit den sozialen Medien nun zusätzliche Plattformen zur Verfügung stehen, auf dem er Informationen verbreiten kann, dürfte viele Medien noch weniger erfreuen.
Die Bundesregierung hat die Möglichkeiten des Internets zur Verbreitung von Informationen definitiv erkannt. So pflegt die Bundeskanzlerin einen Instagram-Account, betreibt unter dem Titel „Die Kanzlerin direkt“ einen wöchentlich erscheinenden Podcast und auch Facebook wird täglich mit Videobotschaften, Bildern und Statements gefüttert. Über 500.000 Menschen folgen der Seite der Bundesregierung. Sie bekommen Informationen über die Aktivitäten des Kabinett Merkel auf ihrer Timeline mitgeteilt – ungefiltert und aus erster Hand. Außerdem gibt es auf der Seite einen regen Austausch. Das Redaktionsteam gibt fleißig Antwort auf fast jeden Kommentar. Auch der Bundestag berichtet im Internet umfassend über seine Tätigkeit und die Sitzungen des Plenums werden als Parlamentsfernsehen über Satellit, Kabel und Internet übertragen. Noch nie konnte man der Politik so nah sein. Doch die Frage, die Jan Böhmermann in einem Beitrag im Neo Magazin Royale stellte, ist: Ist das noch Öffentlichkeitsarbeit oder schon Staatsfernsehen?
Gläserner Staat par excellence
Grundsätzlich steht fest: Ob Audio-, Video- oder Lesebeiträge in sozialen Medien oder klassische Druckschriften, wie die Amtsblätter – dem Staat stehen dieselben Kommunikationswege offen, wie den Medien. Unzulässiges Staatsfernsehen bestimmt sich laut Hubertus Gersdorf, Professor für Medienrecht an der Uni Leipzig, vielmehr danach, ob die Beiträge über die bloße Selbstdarstellung der jeweiligen staatlichen Stelle hinausgehen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn nicht ersichtlich ist, dass der Staat hinter einem Beitrag steckt. Wenn der Deutsche Bundestag in Eigenregie Sitzungen des Plenums und von den Ausschüssen über Satellit, das Kabelnetz oder per Livestream ausstrahlt, liege kein unzulässiger Staatsrundfunk, meint Gersdorf.
„Ein solches Parlaments-TV ist der ‘gläserne Staat’ in Reinform, d.h. Selbstdarstellung des Staates par excellence“, meint der Medienrecht-Professor.
Nicht alles ist erlaubt
Im Gegensatz zum Rundfunk und der Presse unterliegt der Staat allerdings thematischen Einschränkungen. Die Bundesregierung darf Beiträge ausschließlich im „Rahmen ihrer Organkompetenz“ produzieren. Beliebige Themen, die nichts mit den Aktivitäten der Bundesregierung oder staatlicher Aufklärung zu tun haben, sind nicht erlaubt. Aus diesem Grund ist auf der Seite der Bundesregierung – abgesehen von den kurzen Videos über Schokonikoläuse, Osterhasen und Sternschnuppen – auch meistens nur Angela Merkel in Aktion zu sehen. Facebook-Posts zu belanglosen Themen kritisiert auch Jan Böhmermann.
Fakt ist dennoch, dass nicht nur die Bundesregierung, sondern auch Politiker und andere staatliche Institutionen durch Facebook, Twitter und Co. als Diskussionsteilnehmer im Netz deutlich präsenter geworden sind.
„Je mehr sich der Staat selbst darstellt, desto geringer ist die Notwendigkeit, sich durch die Medien darstellen zu lassen“, meint Gersdorf.
Ob man sich seine Informationen lieber direkt von der Facebook-Seite der Bundesregierung oder aus Zeitungen, Facebook-Seiten der Medien oder dem Fernsehen holt, entscheidet jedoch letztendlich der Bürger. Genauso wie der Bürger entscheidet, ob er lieber die Lokalzeitung oder das Amtsblatt liest.