Dezentrales Internet: Was ist das Web 3?

Foto: Pixabay User geralt | CC0 1.0 | Ausschnitt bearbeitet | Schrift hinzugefügt
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Veröffentlicht am 28.02.2022

Von Gregor Bauer

Metaverse, Blockchain, NFT – im Jahr 2021 hatten netzbezogene Buzzwords wieder Konjunktur. Seit dem Ende des Jahres richtete sich die Aufmerksamkeit in Fachkreisen immer mehr auf einen noch eher unbekannten Begriff: Das Web 3. Was steckt dahinter?

Das auch als Web 3.0 oder web3 bezeichnete Konzept beschreibt prinzipiell eine fundamentale Neuordnung, sozusagen eine neue Epoche des Internets. Ihre Grundidee ist die Rückkehr einer dezentralen Online-Sphäre und die Entmachtung der oft als Big Tech bezeichneten zentralisierenden, kommerziellen Plattformen.

Web 1, 2 und 3: Die Netzepochen

Bereits in der ersten öffentlichen Phase ab etwa 1990 existierte bereits eine dezentrale Form des Internets. Technisch basierte es auf offenen, allseits zugänglichen Protokollen. Die grafischen Möglichkeiten und Interaktionsfähigkeiten waren äußerst begrenzt. Vor allem Wissenschaftler:innen veröffentlichten zunächst die Ergebnisse ihrer Arbeit. Die erste Welle von digitalen Shops ging in der Mitte der 1990er online. Die meisten Nutzer:innen waren dabei lediglich in der Rolle der Zuschauenden. Sie steuerten statische Inhalte beziehungsweise Seiten an, die dezentral von verschiedensten, individuellen Anbietern veröffentlicht wurden.

Je nach Definition zwischen 1999 (Begriffsentwicklung des Web 2.0) und 2004 (Ein- und Aufstieg großer Plattformen wie Facebook) trat das Netz in seine nächste Entwicklungsstufe, die – laut der Web 3-Theorie – heute noch andauert. In ihrer Frühphase betraten mächtige Unternehmen und zunehmend auch Staaten das Feld und begannen den Traffic in wenigen Händen zu bündeln. Im sogenannten Web 2 findet demnach der größte Anteil der Kommunikation und kommerzieller Aktivitäten innerhalb geschlossener Plattformen statt, so zum Beispiel auf Facebook, Google oder Amazon. Die zweite zentralisierende Kraft des Web 2 sind Staaten, die bestimmte Inhalte zu überwachen, zu steuern oder sogar zu löschen versuchen. In vielen Fällen wird das erst möglich, weil sie in den Zentralen des Big Tech Ziele ihrer Regulierung finden, welche sie verantwortlich machen oder angreifen können, beziehungsweise mit denen sie zu kooperieren versuchen.

Andererseits wurde die Teilhabe im Netz in dieser Zeit auch vereinfacht. Denn während man ohne HTML-Kenntnisse im Web 1 kaum selbst Content einstellen konnte, wurde dies durch Onlineforen und Blognetzwerke jetzt einfach. Das Web 2 wird deshalb auch oft als partizipatives oder soziales Web bezeichnet.

Bedeutung und Ziele

Der Begriff des „Web 3.0“ wurde im Jahr 2014 durch den Informatiker Gavin Wood entscheidend geprägt. Als Mitentwickler der Kryptowährung Ethereum vertrat er die Vision einer auf der Blockchain-Technologie basierenden dezentralen Form des Internets. Er hat inzwischen die gemeinwohlorientierte Web 3 Foundation gegründet, um dieser Vision eine Förderinstituton zu geben.

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Die teilweise schon Wirklichkeit gewordene Vision des Web 3 will eine Rückkehr zu einer dezentralen Struktur des Internets. Ohne wieder auf die Rolle der Zuschauenden reduziert zu werden, sollen Nutzer:innen darin Ihre Anonymität und die Kontrolle über ihre Daten wahren können.

Den großen Plattformen soll die zentrale Kontrolle von Daten entzogen und den Nutzer:innen zurückgegeben werden. Die Verfügbarkeit von Dienstleistungen und Regulierungen von Verhalten soll ebenfalls nicht mehr in die Kontrolle der Big-Tech-Unternehmen fallen. Auch staatliche Zensur soll schwieriger werden.

Das alles soll geschehen, ohne dass die Nutzungsoberflächen wieder wie im Web 1 in Millionen verschiedener, kaum miteinander kommunizierender Einzelteile beziehungsweise statischer Websites zerfällt. Wie im „sozialen Web“ soll auch das Web 3 niedrigschwellig für einfache Nutzer:innen zugänglich und beeinflussbar bleiben.

Seit der Initiative Woods arbeiteten allerdings verschiedene Wissenschaftler:innen, Informatiker:innen und vor allem Unternehmen an der Weiterentwicklung des Konzepts, was vor allem dazu führte, dass die Definition des Begriffs verwaschen wurde. Der südafrikanische Unternehmer Elon Musk bezeichnete es in einem Interview im Dezember 2021 als nebulös und „mehr Marketing als Realität“.

Die technische Umsetzung

Die soweit idealistisch, aber abstrakt klingenden Ideen basieren auf tatsächlich bereits vorhandenen technischen Möglichkeiten. So soll die Blockchain-Technologie ermöglichen, dass Nutzer:innen ihre Daten nicht mehr an Unternehmen geben müssen und sich dennoch „identifizieren“ können.

Vereinfacht gesagt sind Blockchains dezentrale Datenbanken. Während traditionelle Datenbanken wie die der Plattformen auf einem oder einer Reihe von Servern zentral gespeichert werden, erlaubt die Blockchain eine dezentrale Datensicherung auf dem Speicher aller Nutzer:innen. Während das auch andere Programme können, stellt die Blockchain durch ein spezielles Verschlüsselungsverfahren sicher, dass erstens alle Daten durch die dezentrale Speicherung nicht durch eine:n einzelne:n Nutzer:in manipulierbar ist, zweitens die Identität der Nutzenden aber verschlüsselt bleibt.

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Foto: CC0 1.0, Pixabay / geralt / Ausschnitt bearbeitet

Eine zentrale Herausforderung der digitalen Welt ist die Reproduzierbarkeit von Daten. So funktioniert die Blockchain ähnlich wie eine Münze. Es ist unerheblich, welche man besitzt, da sie lediglich einen Wert in einem Währungssystem repräsentiert. Bei bestimmten Produkten ist es aber entscheidend, dass sie voneinander unterschieden werden können, so ein Originalgemälde Monets zum Beispiel. Dieses Problem der digitalen Märkte lösen die in den letzten Monaten berühmt gewordenen NFTs (non-fungible tokens), nicht austauschbare Datenelemente. Mit ihnen sind Besitzstände digital nachweisbar geworden – und das bei weiterhin verschlüsselter Identität des Besitzenden. Diese Entwicklung gilt als zentraler Schritt zu den dezentralisierten Märkten des Web 3.

Ein weiteres Problem des Web 2, so die sogenannte „Web 3 Bubble”, ist die zentralisierte DNS (Domain-Name-System)-Struktur. Das DNS verwandelt, vereinfacht gesagt, komplizierte IP-Adressen in für Nutzer:innen lesbare URL (wie www.basecamp.digital). Dass diese wichtige Infrastruktur des Netzes großteils zentral geordnet ist, führt dazu, dass autoritäre Staaten durch Zugriff Content zensieren können. Außerdem besteht die sogenannte Supergau-Gefahr, nämlich dass DNS-Provider aus kommerziellen Gründen oder im Zuge von Cyber-Warfare angegriffen werden und dadurch Dienste nicht mehr zugänglich sind. Das geschah bereits 2016, als durch einen Angriff plötzlich Twitter, Reddit und GitHub in den USA nicht mehr funktionierten. Einige Provider nutzen deshalb inzwischen bereits dezentrale Speichersysteme, nicht zuletzt die Blockchain.

Eine gute Vision?

Während viele in der Web 3 Bubble inzwischen überzeugt sind, dass das Konzept – nach diversen Protokoll-Reparaturarbeiten – technisch umsetzbar ist, bleibt nicht nur die Frage der genauen Definition und den richtigen Wegen der Umsetzung – die genannten Programme sind nämlich lediglich eine begrenzte Auswahl. Außerdem ist fraglich, ob einfache Nutzer:innen entsprechende Angebote tatsächlich wertschätzen und nutzen würden oder die Einstiegshürden der Anwendung schlicht abschrecken. Insbesondere wird aber auch Kritik laut, ob das Web 3 tatsächlich eine gute Idee wäre.

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Denn inzwischen versuchen bereits große Unternehmen wie Meta, die neuen Technologien für sich zu nutzen und konterkarieren so zentrale Ziele. Außerdem würde das Internet laut den Kritiker:innen zu einem unregulierbaren „Kasino“, wenn wirklich vollkommene Dezentralisierung und Anonymität durchgesetzt würden. In autoritär regierten Staaten könnte das nützlich sein. In Demokratien würde es vielleicht zu einem Ort von politischer Destabilisierung und Verbrechen. Aber noch ist ohnehin nicht gesagt, dass das Web 3 je tatsächlich Wirklichkeit wird – und vor allem in welcher Form.

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation mit polisphere auf der Webseite BASECAMP.digital erschienen.

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