Deutscher G7-Vorsitz: Die digitalpolitischen Pläne der Bundesregierung
Deutschland hat am 1. Januar 2022 die jährlich wechselnde G7-Präsidentschaft übernommen. Im Kreis der führenden Industrienationen möchte die Bundesregierung auch einige digitalpolitisch relevante Themen voranbringen – selbst wenn dies nur im Schatten aktueller Krisen und Herausforderungen möglich sein wird.
Ende Juni werden sich die Staatschefs von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und den USA zu ihrem jährlichen Gipfel treffen, der wie bereits 2015 im bayerischen Elmau stattfinden wird. Bis dahin sammelt die deutsche Präsidentschaft im Austausch mit den beteiligten Staaten aktuelle Themen der Weltpolitik, die auf dem Gipfel besprochen werden sollen. Als geplante Schwerpunkte der deutschen G7-Agenda wurden bereits die Klimapolitik, die Folgen der Corona-Pandemie und die Stärkung der Demokratie benannt. Aber auch die Digitalisierung wird eine Rolle spielen – wenn auch nur untergeordnet.
Eine inklusive globale digitale Ordnung als zentrales Ziel
So sieht das vor kurzem veröffentlichte Programm der Bundesregierung vor, dass Deutschland auf eine „inklusive globale digitale Ordnung“ und digitalen Fortschritt hinwirken möchte. Diese Ordnung soll ein offenes, zuverlässiges und sicheres Internet umfassen, das „demokratische Grundsätze und die universellen Menschenrechte stärkt“. Auch soll im Rahmen der G7 ein gemeinsames Verständnis entwickelt werden, in welchen Bereichen der Digitalisierung noch mehr internationale Zusammenarbeit notwendig ist. Als Beispiel wird hier die Setzung von Standards und Normen genannt, die noch stärker international koordiniert werden könnten.
Die Forderung nach einer inklusiven globalen digitalen Ordnung resultiert dabei insbesondere aus den politischen Auseinandersetzungen, die auf der internationalen Ebene in den vergangenen Jahren vermehrt um die Ausrichtung des Internets geführt werden: Seien es die Debatten in Deutschland und Europa um digitale Souveränität gegenüber den USA oder das von Staaten wie China und Russland verfolgte Modell, in dem digitale Technologien als Instrument autoritärer Herrschaft genutzt werden. Ein Beitrag der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) vom November 2021 analysiert diese Auseinandersetzungen und warnt vor einer „Spaltung der Welt in verschiedene digitale Einflusssphären, in denen je unterschiedliche technische und politische Vorgaben gelten“.
Um dem vorzubeugen, definiert der SWP-Beitrag zwei zentrale diplomatische Aufgaben, die im G7-Programm der Bundesregierung nun offensichtlich aufgegriffen wurden: zum einen die Schärfung eines gemeinsamen Verständnisses für die strategische Bedeutung der globalen digitalen Ordnung, auch über bestehende Differenzen zwischen den G7-Staaten hinweg; zum anderen die Gewinnung neuer Kooperationspartner für das Modell eines offenen und inklusiven Internets.
Vage Formulierungen im Sinne der Diplomatie
In diesem Zusammenhang sind auch die weiteren Ziele relevant, die im Programm formuliert werden: So möchte Deutschland zudem „digitalen Ungleichheiten entgegenwirken, die Sicherheit im Internet stärken, für verantwortliches Staatenverhalten im Cyberraum eintreten, fairen Wettbewerb ermöglichen und Konnektivität verbessern“. Ebenso sollen die Nachhaltigkeitspotenziale der Digitalisierung in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen noch besser genutzt werden. Wie das im Detail erreicht werden kann und soll, bleibt bisher allerdings offen. Die genaue Ausgestaltung und Umsetzung dieser Zielvorgaben wird sicherlich erst in den anstehenden Verhandlungen mit den anderen G7-Staaten thematisiert – und muss bis dahin wohl so vage formuliert bleiben.
Etwas konkreter fällt das Ziel aus, einen sicheren und zuverlässigen grenzüberschreitenden Datenaustausch zu fördern. Hierbei kann die Bundesregierung an die Vorarbeiten anknüpfen, die im vergangenen Jahr vom britischen G7-Vorsitz geleistet wurden: zum Beispiel an die Vereinbarung regulatorische Hürden für Datentransfers abzubauen sowie eine gemeinsamen Evidenzbasis zur Datenlokalisierung zu erarbeiten.
Finanztechnologien und digitale Infrastruktur als weitere Themen
Weitere digitalpolitische Themen, die im Programm Deutschlands für das G7-Forum genannt werden, betreffen den Austausch über digitales Zentralbankgeld, die Verbesserung von grenzüberschreitenden Zahlungen, die Umsetzung der globalen Mindeststeuer und der neuen „Besteuerungsrechte für große multinationale Konzerne, insbesondere der Digitalwirtschaft“. Neben diesen finanztechnologischen Aspekten strebt die Bundesregierung auch mehr globales Engagement der G7 an, das besonders konkrete Initiativen zur Förderung hochwertiger Infrastruktur entwickeln soll. Hinsichtlich der digitalen Infrastruktur können die G7-Staaten hier an die Erklärung ihrer Digitalminister vom letzten Jahr anknüpfen, in der unter anderem die Bedeutung gemeinsamer Standards in diesem Bereich hervorgehoben wurde.
In den Plänen der Bundesregierung für ihre Präsidentschaft finden sich also durchaus einige digitalpolitische Aspekte. Im Zentrum der politischen und öffentlichen Aufmerksamkeit für die G7-Verhandlungen werden aber sehr wahrscheinlich eher andere Themen stehen – zum Beispiel der Vorschlag von Bundeskanzler Olaf Scholz für einen internationalen Klimaclub, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie oder die außenpolitischen Herausforderungen durch Russland und China. Es bleibt somit die große Frage, ob es angesichts dieser Themen und des diplomatischen Formats wirklich gelingen kann, den digitalen Fortschritt nachhaltig und inklusiv zu gestalten. Zumindest könnten die G7-Staaten aber unter deutscher Vermittlung weitere gemeinsame Schritte in diese Richtung unternehmen.