Den Fakes auf der Spur: Wie wir uns vor Manipulationen im Netz schützen können
Das Internet bietet hervorragende Möglichkeiten, um uns schnell, bequem und umfassend zu so ziemlich jedem Thema zu informieren. In den sozialen Medien können wir uns in Gruppen austauschen und diskutieren. Doch gerade auf diesen Plattformen sollten wir mit einer gehörigen Portion Misstrauen unterwegs sein, denn nicht alles, was uns da präsentiert wird, ist korrekt. Und nicht alles, was uns dort an Falschem begegnet, ist aus einem ungewollten Irrtum entstanden. Sogenannte Fake News sind oft absichtliche Fälschungen oder Verdrehungen, um uns zu manipulieren – gerade vor der Bundestagswahl.
Doch wir sind ihnen nicht hilflos ausgeliefert. Im Programm „Digital mobil im Alter“ sind unter dem Titel „Fit gegen Fake News“ Tipps gegen Desinformation versammelt: Mit einer Checkliste und einem Themenüberblick, mit Videos und einem interaktiven Quiz können die Grundlagen gelegt werden, um Falschnachrichten zu erkennen. In den sechs Gesprächsrunden „Faktisch betrachtet“ mit Vertreter:innen aus Wissenschaft, Politik und Kultur geht es speziell um Ausmaß und Einfluss von Fake News zu Themen wie Verschwörungserzählungen, Migration, Demokratie, Satire und Kunstfreiheit, Klimawandel sowie die Möglichkeiten, durch Regulierungen und Gesetze gegen Desinformation vorzugehen.
Falschinformationen in den Sozialen Medien
Seitens der Europäischen Union gibt es den Vorschlag, digitale Dienste zu regeln und dabei auch Haftungs- und Sicherheitsvorschriften für digitale Plattformen zu schaffen: den Digital Services Act. Wie sich die Maßstäbe der geplanten Regelung bei der Bundestagwahl in den sozialen Medien, speziell bei Twitter und Facebook, auswirken könnten, hat im August 2021 eine Gruppe von Wissenschaftler:innen des Sustainable Computing Lab und der Wirtschaftsuniversität Wien untersucht. Dabei haben die Wissenschaftler:innen festgestellt, dass rund sieben Prozent aller Facebook-Einträge und rund sechs Prozent aller Tweets, die die Wahlen betreffen, Falschinformationen enthalten, gegen die Community-Regeln der Unternehmen verstoßen oder sogar als strafbar einzuordnen sind, wie in einer Zusammenfassung der Wissenschaftler zu lesen ist.
Dabei ist es in manchen Bereichen schwierig zu unterscheiden, was absichtliche Desinformation ist und was überspitzte Satire. Wie weit geht die Kunstfreiheit? Für Elke Schillig, Gründerin von „Silbernetz“, ist klar: „Wir leben in einem Land der Meinungsvielfalt. Ich muss damit leben, dass andere Leute anderer Meinung sind, auch was Humor betrifft, auch was Satire betrifft.“ Die Grenzen seien dabei durch das Grundgesetz gegeben. „Humor ist oft der kürzeste Weg, Dinge zu beschreiben“, erläutert Komiker Martin Gottschild dem Moderator von fünf Teilen der Gesprächsreihe, Daniel Finger von Radio Eins, der sich selbst auch mit netter Übertreibung im Internet vorstellt. Eine Kennzeichnungspflicht, die Satire von Falschnachrichten abgrenzt, halten die Gäste der Runde für überflüssig.
Klimawandel und Migration: Top-Themen der Fake News
Zwei Themen, bei denen Fake News besonders häufig vorkommen, sind Klimawandel und Migration. Wechselhaftes Wetter habe es doch schon immer gegeben, fasst Moderator Sven Oswald die Meinung der Klimawandel-Leugner:innen zusammen. Da das Klima für viele Menschen so abstrakt ist, fallen hier Falschinformationen oft auf sehr fruchtbaren Boden. Wissenschaftler:innen haben oft viel Mühe, Behauptungen richtigzustellen, die mit Zahlen begründet werden, jedoch aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Wissenschaftler:innen werden oft auch persönlich beschimpft für ihre Erkenntnisse, wie der Klimaforscher Mojib Latif in dem Gespräch berichtet. Neu an den Fake News ist für FDP-Abgeordnete Daniela Kluckert, dass damit „Kampagnen gefahren werden“, „das hat eine ganz neue Qualität“ und „ist ein gefährliches Spiel“. Aber das Internet helfe eben auch dabei, falsche Behauptungen schnell zu entlarven.
Inzwischen gibt es eine weltweite Reihe von Faktenfinder-Projekten, die Fake News aus allen Bereichen systematisch ausleuchten und korrigieren, darunter auch eine eigene Seite des Bundeswahlleiters.
Beim Thema Migration hängen Fake News und Hassrede (Hate Speech) besonders häufig eng zusammen. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour, geboren in Teheran und als Kind nach Deutschland gekommen, wird immer wieder mit Gerüchten über Missetaten von Zugewanderten konfrontiert, an denen nichts stimmt. „Das ist ansteckend in einer Bevölkerung, die verunsichert ist“, stellt Elke Schillig von Silbernetz fest. „Woher kommt der Hass im Netz und was kann man dagegen tun“, fragt Daniel Finger. Eine Antwort: Wir brauchen mehr Empathie und Toleranz, müssen uns gegenseitig zuhören und offener miteinander umgehen.
Quiz zum Thema Fake News
Dem Fake auf der Spur: Testen Sie Ihr Wissen in unserem Quiz
Im Begriff „Verschwörungstheorien“ klingen die Falschinformationen schon an. Deshalb gibt es auch Vorschläge, es besser „Erzählungen“ oder „Mythen“ zu nennen, statt mit dem wissenschaftlichen Begriff „Theorie“ zu belegen. „So eine Verschwörungstheorie, die klingt immer so einfach und geht ganz schnell in den Kopf“, schildert SPD-Abgeordnete Elvan Korkmaz-Emre die Wirkweise dieser Phantasien. „Aber dies dann richtigzustellen, mit Argumenten zu unterfüttern, das ist immer die Mammutaufgabe.“ Gerade in Wahlkampfzeiten oder seit Beginn der Corona-Pandemie sei sie häufig mit solchen Verschwörungsanhänger:innen konfrontiert, die beispielweise ihre Meldungen in sozialen Medien kommentieren.
Deepfakes: Eine Gefahr für die Demokratie
Eine besondere Gefahr für die „Demokratie“ sind so genannte Deepfakes, also Manipulationen z. B. von Foto-, Ton- oder Videoaufnahmen, die täuschend echt wirken und technisch immer ausgefeilter werden. „Desinformationen im Vorfeld von Wahlen sind kein US-Phänomen mehr“, konstatiert Daniel Finger, sie führen dazu, dass sich Freunde zerstreiten und Gesellschaften sich spalten. Ruth Meyer, die Direktorin der Landesmedienanstalt Saarland, mag den Begriff „Fake News“, der von Donald Trump in seiner Kampagne gegen die Medien geprägt wurde, nicht: „Wir reden bei der Landesmedienanstalt von Desinformation.“ Als Aufsichtsbehörden über viele Plattformen haben die Landesmedienanstalten immer mehr mit Desinformationen zu tun, allerdings „gab es die schon immer“, unterstreicht Meyer, im persönlichen Umgang, in der Werbung und in vielen weiteren Bereichen. „Das Thema hat so einen Bart, es kriegt jetzt nur einen besonderen Spin dadurch, dass es mit den modernen Medien ganz anders gesteuert werden kann“, dass es verbunden mit Bildern in kürzester Zeit eine globale Reichweite bekommt.
Das ist genau eines der Probleme, die in der Runde mit der Journalistin Ria Hinken (alterskompetenz.info), dem Kommunikationsprofessor Marcus Maurer und dem Digitalexperten der Grünen, Konstantin von Notz, besprochen werden. Wie kann etwas reguliert werden, das längst in der Welt des Internets herumschwirrt? „Gibt es überhaupt die Möglichkeit, Fake News überall zu finden, und kann man die verbieten“, fragt denn auch Maurer. Nach tagelanger Recherche, um alles richtigzustellen, interessiere der Post niemanden mehr. Die Plattformen nähmen „hier eine sehr bequeme Haltung ein“, wenn sie sagen, man könne nicht von ihnen verlangen, dass sie alles kontrollieren, da sie global aufgestellt seien, kritisiert von Notz. Ria Hinken sieht Verantwortung bei der Politik und bei den Plattformen, betont aber: „Jeder für sich hat auch eine Verantwortung.“
Um dieser eigenen Verantwortung gerecht zu werden, sollte man Fragen stellen, wie es schon den Kleinsten in der „Sesamstraße“ beigebracht wurde: „Wer? Wie? Was, Wieso? Weshalb? Warum?“ Die Checkliste zum Erkennen von Fake News von „Faktisch betrachtet“ kann dabei ebenso hilfreich sein wie der Themenüberblick über häufige Desinformationen. Wichtigster Hinweis dabei ist: Informationen sollten nur an andere weitergeleitet oder öffentlich geteilt werden, wenn man sich wirklich sicher ist, dass sie auch der Wahrheit entsprechen.