Datenstrategie: Nicht ohne das Parlament
Foto: CC BY-SA 2.0 Flickr User BriYYZ. Bildname: View of the Plenary Chamber of the Bundestag from the Dome of the Reichstag. Reconstruction design by Norman Foster. Ausschnitt bearbeitet
Schon bald soll die Datenstrategie der Bundesregierung fertig sein, doch eine Regierungsfraktion im Parlament fühlt sich dabei übergangen. Die SPD skizziert in einem Papier ihre Vorstellungen für ein Datentreuhandsystem sowie eine Datenteilungspflicht. Auch die Unionsfraktion will am Dienstag ein eigenes Positionspapier verabschieden.
Corona ist die Zeit der Exekutive – viele Entscheidungen müssen schnell und teils auch ohne begleitende politische Debatten im Parlament getroffen werden. Bei einem der wichtigsten digitalpolitischen Vorhaben in diesem Jahr, der Datenstrategie, die die Bundesregierung im kommenden Monat vorlegen will, sollte das aber bitte nicht so sein, finden die Digitalpolitiker der SPD. In einem Brief an Kanzleramtschef Helge Braun (CDU), unter dessen Aufsicht das Kanzleramt die Datenstrategie erstellt und innerhalb der Bundesregierung koordiniert, fordern die SPD-Abgeordneten Elvan Korkmaz-Emre und Jens Zimmermann dazu auf, das Parlament „als Partner auf Augenhöhe in die Erarbeitung der Datenstrategie einzubeziehen“. Der Brief ist datiert auf den 22. Mai.
Braun hatte breite Einbindung versprochen
Tatsächlich hatte Braun den Parlamentariern deutlich mehr Beteiligung versprochen. Zwar müsse man die Datenstrategie gewissermaßen als „Schnellboot“ auf den Weg bringen, weil „es im Datenbereich ein paar Dinge gibt, die wir unbedingt schnell angehen müssen“, sagte der Kanzleramtsminister im vergangenen Oktober im Plenum des Bundestages. Man sei aber „sehr gerne bereit“ im Dialog mit dem Bundestag einen gemeinsamen Prozess aufzulegen und die Datenstrategie bei Bedarf gemeinsam weiterzuentwickeln. Dafür wollte er auch „gerne“ in die zuständigen Bundestagsausschüsse kommen. „Schnelligkeit und breite Einbindung, das sind zwei Dinge, und sie sind beide wichtig. Wir müssen einen guten Kompromiss zwischen beidem finden“, so Brauns Plan.
„Der Bundestag wurde bisher nicht in die Datenstrategie einbezogen“, stellt auch der Chef des Digitalausschusses Manuel Höferlin (FDP) einige Monate nach Brauns Versprechen mit einigem Bedauern fest. „Insofern kann man nicht von einer besseren Einbindung des Parlamentes sprechen.“ Inwieweit sich der Digitalausschuss mit der Strategie befassen wird, sei auch noch unklar.
Zumindest in Bezug auf andere Akteure ist der Bundesregierung eine breite Einbindung durchaus gelungen. Immerhin hatte sie über 1.300 Stellungnahmen im Rahmen einer öffentlichen Konsultation im Frühjahr eingeholt, die jetzt bei der weiteren Ausarbeitung der Strategie mit einfließen sollen. Bereits im Januar hatte es außerdem eine öffentliche Expertenanhörung gegeben. Gut möglich, dass auch deshalb die Enttäuschung bei den Abgeordneten groß ist.
Künftige Datenordnung à la SPD
Dass sich die Union und die SPD in der Datenpolitik nicht in allen Punkten einig sein dürften, ist bekannt. Während das CDU-geführte Wirtschaftsministerium eine Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 eingesetzt hatte, um Impulse für ein neues Daten-Wettbewerbsrecht zu liefern, hatte die SPD unter Parteichefin Andrea Nahles Anfang 2019 eine eigene Debatte für ein „Daten-für-alle-Gesetz“ angestoßen, um alternative Konzepte für die Regulierung auszuarbeiten. In einem Positionspapier skizzieren die Abgeordneten der SPD-Fraktionsarbeitsgruppe Digitale Agenda nun ihre Vorstellungen. Das Papier lag dem Brief an Braun bei, damit wollen die SPD-Politiker einen „konstruktiven Beitrag für eine gute Datenstrategie“ leisten. Eine künftige Datenordnung müsse „sozialen und nachhaltigen Fortschritt realisieren“, heißt es in dem Papier.
Aus Sicht der SPD braucht es ein dezentrales Datentreuhändersystem für Deutschland, das als vertrauensvolle Instanz insbesondere für die Verwaltung von personenbezogenen Daten der Bürgerinnen und Bürger zuständig ist. Weil das Verwalten und Verteilen von Daten eine „hochsensible Aufgabe“ sei, müssten Datentreuhänder in öffentlicher Hand oder von öffentlicher Hand beliehene Stellen sein, damit sie vertrauenswürdig sein können. Parallel soll es eine sektorenorientierte Struktur für den Austausch und zum Teilen von nicht-personenbezogenen Datensets zwischen unterschiedlichen Akteuren geben. Das aktuell SPD-geführte Bundesjustizministerium soll die rechtlichen Voraussetzungen für ein solches System prüfen und der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) entsprechende Stellen zertifizieren. Es braucht aus Sicht der SPD einen Dialog zwischen Bund, Ländern und Stakeholdern, um ein solches System auszuarbeiten.
Marktbeherrschende Unternehmen auf datengetriebenen Märkten will die SPD zum Teilen ihrer Daten verpflichten, um für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Diese Pflicht würde also über eine freiwillige Teilnahme an künftigen Daten-Teilen-Modellen hinausgehen. Darunter sollten nach Vorstellungen der Partei Sachdaten sowie anonymisierte und aggregierte Daten über Nutzerpräferenzen fallen. Die Einrichtung sektoraler Datenräume, wie sie auch von der Europäischen Kommission geplant ist, unterstützen die Autoren des Papiers und mahnen eine breite Beteiligung von Akteuren einer solchen künftigen Datengemeinschaft an.
Union: Datenteilungspflicht nur als letztes Mittel
Die CDU/CSU-Fraktion hat am Dienstag, den 25.05. ebenfalls ein Positionspapier zur Datenstrategie verabschiedet. Die 16-seitige Stellungnahme ist die Weiterentwicklung eines Berichts der Digitalpolitiker der Fraktion, den diese bereits zuvor an das Kanzleramt übermittelt haben. Die AG Digitales habe ihre Position im Rahmen von mehreren Fachgesprächen mit Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt, sagt der Digitalpolitiker Tankred Schipanski (CDU).
Kerngedanke des Papiers ist die Abkehr vom Prinzip der Datensparsamkeit hin zu einer Datensorgfalt. Um unternehmerische Datensilos zu überwinden, brauche es eine „Regulierung, die effektiv und rechtssicher allen Akteuren solche Möglichkeiten eröffnet“. Mit Blick auf Datentreuhänder sollten sowohl staatliche als auch private oder unternehmerische Ansätze geprüft und die jeweiligen Anforderungen klar definiert werden – evtl. auch in einem eigenen Gesetz. In allen Gesetzen aber seien Experimentier- und Forschungsklauseln mitzudenken, um innovative Ansätze nicht zu behindern.
Um gerade für mittelständischen Unternehmen die Arbeit mit den eigenen Daten attraktiver zu machen, will die CDU/CSU prüfen, „ob Daten als immaterielle Unternehmenswerte in der Bilanz als Aktiva abzubilden sind, um ein anderes Verständnis für den wirtschaftlichen Wert von Daten zu schaffen“. Eine Datenteilungspflicht, wie die SPD sie fordert, sollte dabei nach Meinung der Unionsexperten nur „als letztes Mittel in Fällen von Marktversagen und Missbrauch von Marktmacht bei marktbeherrschenden Unternehmen sektorspezifisch geprüft werden“. Wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen sich weigere, einem anderen Unternehmen Zugang zu Daten zu gewähren, könne dieses Verhalten „künftig unter bestimmten Umständen wettbewerbsrechtlich missbräuchlich sein“, heißt es dazu im Papier der Fraktion. Es brauche eine Neufassung der sogenannten „essential facilities doctrine“ im Hinblick auf Daten, um den Zugang zu den Datenbeständen der „Gatekeeper“ im digitalen und nicht-digitalen Bereich zu verbessern.
Geregelt werden soll dieser Aspekt bereits in der anstehenden GWB-Novelle. Ein Referentenentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium liegt seit Anfang des Jahres vor, ist aber noch nicht vom Kabinett beschlossen worden. Zuletzt gab es hier noch viel Diskussionsbedarf, vor allem auf Seiten der größeren Verbände, in denen auch die US-Plattformen organisiert sind. Unklar ist auch noch, welche Daten von den großen Unternehmen herausgegeben werden sollen, in welcher Form und ob gegen Entgelt, oder nicht. Auch die EU-Kommission plant für spätestens 2021 einen sogenannten „Data Act“, in dem Regeln für das Teilen von Daten erlassen werden sollen.