#DataDebates: Patienten haben ein Recht auf ihre Daten
Kaum ein Lebensbereich wird sich in den kommenden Jahren durch die Digitalisierung so grundlegend verändern wie das Gesundheitswesen. Am Donnerstagabend stand deshalb bei der fünften Ausgabe der Tagesspiegel Data Debates, mit Telefónica Deutschland als Initiator und Partner der Reihe, die vernetzte Gesundheit im Fokus. Knapp 170 Gäste im Telefónica BASECAMP diskutierten, welche Chancen die Digitalisierung für das Wohlergehen von Patienten bietet.
In seinem Impulsvortrag zeigte Moritz Diekmann, Geschäftsführer von Telefónica NEXT, auf, wie smarte Lösungen bereits heute unser Leben verbessern und unsere Gesundheit schützen. Auf dem Panel waren alle Perspektiven von Politik bis Cyborg vertreten: Unter Moderation von Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner debattierten Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, Prof. Dr. Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts für Systemtechnik, Francesco de Meo, Geschäftsführer der Helios Kliniken und Enno Park, Vorsitzender des Cyborgs e.V.
Im Silicon Valley hat Moritz Diekmann erst vor kurzem ein Start-up kennen gelernt, das einen Algorithmus für Überwachungskameras für Babys entwickelt hat. Bei Unregelmäßigkeiten schlägt die Kamera Alarm und informiert die Eltern, den Babysitter oder auch die Krankenschwester. Der Experte für das Internet der Dinge (IoT) bei Telefónica NEXT hatte erst auf der CeBIT im März Smart Home Lösungen vorgestellt, mit denen Angehörige ältere und hilfsbedürftige Menschen in ihrer Familie besser unterstützen können. „Wenn die Angebote den Menschen einen echten Mehrwert bieten, werden sie auch angenommen. Ältere Menschen sind viel technikaffiner, als wir denken – und sie haben uns, die technikaffinen Kinder, zur Seite. So können wir ihnen dabei helfen, länger autark zu Hause zu leben“, erklärt Diekmann im Telefónica BASECAMP.
„Die Nutzer müssen die Kontrolle über ihre Daten haben“
Das Beispiel des Geschäftsführers von Telefónica NEXT ist nur eine von unzähligen neuen Anwendungen aus dem privaten Bereich, die die Gesundheitsversorgung von Menschen verbessern können. Aber gerade weil das Wohl von Menschen und sensible Gesundheitsdaten unmittelbar betroffen sind, ist die Verantwortung besonders hoch. „Unternehmen und Organisationen brauchen einen Mentalitätswechsel: Die Nutzer müssen die Kontrolle über ihre Daten haben. Wenn jemand viele Daten teilen will, ist das in Ordnung. Aber es muss genauso in Ordnung sein, wenig Daten preis zu geben“, so Diekmann.
Auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe spricht sich für die Digitalisierung im Gesundheitswesen aus: „Das solidarische Gesundheitssystem braucht den Fortschritt der Digitalisierung. Die Menschen erwarten zu Recht eine bestmögliche medizinische Versorgung. Deswegen müssen wir Datenschätze heben.“ Gleich zu Beginn der Data Debates #5 verkündete er, dass am Nachmittag der Testbetrieb der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) erfolgreich beendet wurde. Die Debatte um die vernetzte Gesundheit könne man aber nur gewinnen, wenn der Nutzen für den Bürger klar werde. Kaum ein Patient hätte wohl etwas dagegen, wenn die Daten unzähliger Krebspatenten zur Mustererkennung analysiert werden – um dann dem Einzelnen eine optimale Therapie zu ermöglichen.
Publikum erwartet Transparenz über Datenverwendung
Das Publikum im Raum sowie die Zuschauer des Video-Streams diskutierten kräftig mit. Via Voting Pad wurde regelmäßig die Meinung der Gäste vor Ort abgefragt. Auf Twitter debattierten die Zuschauer unter dem Hashtag #DataDebates live mit und konnten auch auf diesem Kanal Fragen an das Panel stellen. Im Laufe des Abends wurden die Data Debates sogar mehrfach zum Trending Topic.
Dabei zeigte sich: Die Haltung der BASECAMP-Community zu Daten ist positiv. 98 Prozent würden beispielsweise ihre Daten teilen, um im Alter länger zuhause leben zu können. Ein ermutigendes Ergebnis für die Panelteilnehmer, ihre Pilotprojekte, Ideen und politischen Forderungen weiter zu verfolgen. Gleichzeitig waren sich die Online-Diskutanten mit dem Cyborg Enno Park einig: Daten sollen zum Wohle der Patienten gespeichert und verarbeitet werden. Aber der Patient müsse jederzeit Einblick haben, welche seiner Daten für was genutzt werden, so Park.
Sorge vor Hackerangriffen
Enno Park, begeistert von der Idee, dass alle seine Ärzte auf korrekte Daten zugreifen könnten, teilte jedoch auch eine Sorge mit Blick auf die Sicherheitssysteme. Durch ein Implantat hat er sein Hörvermögen wiedererlangt und kann nun telefonieren oder – wie zum ersten Mal im Telefónica BASECAMP – an Podiumsdiskussionen teilnehmen. Sein Hörgerät ist jedoch nicht mit dem Internet verbunden und damit im Gegensatz zu vielen anderen Devices vor Hackerangriffen geschützt. Die Vorstellung, dass dies einmal anders sein könnte, mache ihm Angst.
Viele Gäste im Telefónica BASECAMP teilen diese Befürchtungen. Aus der Luft gegriffen ist sie nicht. Die Cyberattacke durch den CryptoLocker WannaCry Trojaner zeigte beispielhaft die Gefahr für das Gesundheitssystem auf. Der Trojaner hatte es geschafft, in England zahlreiche Krankenhäuser lahmzulegen. Teilweise wurden Patienten gebeten, nicht in die Notaufnahmen zu kommen. Operationen mussten abgesagt werden.
Auch Helios-CEO Francesco de Meo, Chef einer der größten Patientenversorger Europas, sieht die Sicherheit vernetzter Medizingeräte als größere Herausforderung. Er fordert die Hersteller auf, ihre Produkte vor Hackerangriffen zu schützen. „Die Sicherheit vernetzter Medizingeräte ist eine größere Herausforderung als die Sicherheit der Medical Cloud“, betont de Meo.
Die Cloud verändert die Möglichkeiten der Digitalisierung enorm
Chancen aus Angst nicht voranzutreiben war aber keine Option für das Panel. Prof. Dr. Meinel sieht in Big Data großen Nutzen für die Medizin. Sein Institut stellte pünktlich zur Debatte im Telefónica BASECAMP die Gesundheitscloud vor, eine Plattform, die es Patienten ermöglicht, ihre Daten in einem geschützten Raum freiwillig zur Verfügung zu stellen. „Die Cloud verändert die Möglichkeiten der Digitalisierung enorm. Es muss unser Ziel sein, aus möglichst vielen Daten wertvolle medizinische Erkenntnisse zu gewinnen. Für Krankenhäuser ist das bisher schwer, denn ihre Daten dürfen das Silo nicht verlassen“, sagt Meinel. Deshalb will die Initiative seines Instituts Bewegung in das System bringen.
Ein weiteres Pilotprojekt stellte Francesco de Meo vor. In Berlin werden Patienten ermutigt, ihre Gesundheitsdaten mit Helios Kliniken für medizinische Untersuchungen zu teilen. Bereits 400 Patienten nehmen an dem Projekt teil. Es habe allerdings viel Überzeugungsarbeit, Anstrengungen und Geduld gekostet, die Datenschutzbehörde von der Idee zu überzeugen. „Es bedarf nicht nur guter Argumente, sondern man muss auch den Einsatz von Daten zum Wohle des Patienten aufzeigen“, so de Meo. Ein fairer Deal, bei dem am Ende alle Seiten gewinnen.