#DataDebates mit Innenminister: Daten sind weder gut noch schlecht
Foto: Henrik Andree
Daten sind der Rohstoff der Zukunft. „Ein wahrer Datenschatz“, sagte Peter Mentner, Mitglied der Geschäftsleitung von Telefónica Deutschland, gestern bei seiner Eröffnungsrede. „Um ihn zu heben, braucht es Regeln und Gesetze, doch das allein reicht nicht: Wir benötigen eine intensive Debatte in Politik, Wirtschaft und der ganzen Gesellschaft.“ Und diese Debatte gab es auch am Donnerstagabend bei der ersten Ausgabe der Tagesspiegel Data Debates mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière und mit Telefónica Deutschland als Initiating Partner.
Bald 200 Besucher kamen ins Telefónica BASECAMP und auch online war die Diskussion intensiv: Schon direkt nach dem Beginn landete der Hashtag #DataDebates auf Platz 2 der deutschen Trending Topics bei Twitter. Nur das Fußballspiel von Borussia Mönchengladbach gegen den AC Florenz erzielte gestern Abend noch mehr Erwähnungen.
Das lag nicht nur an dem interessanten Thema, sondern vor allem an den überraschenden Aussagen, die Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff als Moderator dem Innenminister entlockte: Big Data könne beispielsweise „von der Straßenverkehrsordnung viel lernen“, sagte Thomas de Maizière. Oder von dem Umgang mit einem Buttermesser.
Bewusst nutzen: Daten können Leben verbessern
Denn es kommt immer auf die konkrete Verwendung an: Wenn Daten bewusst und überlegt genutzt würden, könnten sie unser Leben verbessern und wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen. Doch bei einer missbräuchlichen Verwendung könne auch Schaden entstehen und deshalb wäre schon viel gewonnen, wenn man beispielsweise die wichtigsten Regeln der Straßenverkehrsordnung auf den Umgang mit Daten übertragen würde.
Paragraph 1 würde dann lauten: „Die Teilnahme am Datenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“. Und dann ginge es weiter mit: „Wer am Datenverkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“ Die Daten seien weder gut noch schlecht. Ganz ähnlich wie ein Messer, das entweder zum Butterstreichen oder zum Stechen dienen kann. Es ist für beides gut verwendbar.
Privatsphäre: Grundrecht im gesellschaftlichen Wandel
Auch die Einschätzung, welche Informationen überhaupt zur Privatsphäre gehören und schützenswert sind, würden sich ständig wandeln sowie in jedem Land verschieden sein. In Schweden sind die Steuererklärungen aller Bürger öffentlich zugänglich und in den USA stellt das Justizministerium die Adressen von Sexualstraftätern einfach ins Netz.
Das wäre in Deutschland der Stoff für Skandale. Doch auch in der Bundesrepublik würde heute fast jeder seinen beruflichen Lebenslauf bei Xing oder LinkedIn veröffentlichen, sagte Thomas de Maizière, was vor 15 Jahren für die meisten Internet-Nutzer noch unvorstellbar gewesen sei. Deshalb müsse sich das Recht an die gesellschaftlichen Veränderungen anpassen.
Und oft vollzieht sich der Wandel auch noch viel schneller: Als Stephan-Andreas Casdorff dem Bundesinnenminister noch einmal sein umstrittenes Zitat vom März vorlegte, wonach Datenschutz „schön“ ist, „aber in Krisenzeiten hat Sicherheit Vorrang„, ließ der Chefredakteur das Publikum darüber abstimmen. Ganze 60 Prozent der Anwesenden im Telefónica BASECAMP stimmten der Aussage zu oder „eher zu“ und nutzten dafür das Tagesspiegel Voting Pad.
Grundgesetz: Verfassung gilt auch im Internet
Dieses Ergebnis hätte noch vor wenigen Wochen anders ausgesehen, war man sich schnell einig. Doch seit dem Anschlag mit zwölf Toten auf dem Berliner Breitscheidplatz, der wohl durch mangelhaften Datenaustausch zwischen verschiedenen Polizeibehörden begünstigt wurde, ist es in Deutschland nicht mehr wie früher. Aber dennoch: Dass unsere heutige Gesellschaft ganz neue digitale Grundrechte benötigt, glaubt de Maizière “im Prinzip” nicht, weil die vorhandenen Regelungen auch im digitalen Bereich anwendbar seien.
Allerdings sei es nun endlich Zeit für eine „Verschriftlichung des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung„: das Recht des Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen. Es steht seit über 30 Jahren nicht im Grundgesetz und ist nur als Grundsatzentscheidung im Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts zu finden. Dennoch hat es seit 1983 den deutschen Datenschutz in allen Bereichen geprägt. Da sieht man einmal, wie lang so eine Debatte dauern kann.
Mehr Informationen:
Data Debates: Datenschutz ist kein Selbstzweck
(Gastbeitrag von Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei tagesspiegel.de)
Data Debate in Berlin: De Maizière lehnt einen Digitalminister ab
(Artikel über die Veranstaltung bei tagesspiegel.de)
Tagesspiegel vom 15.02.2017: Was Big Data von der Straßenverkehrsordnung lernen kann (Namensbeitrag von Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière)
Diskussion über Digitalisierung: Nach einer respektlosen Frage zeigt de Maiziére plötzlich die Zähne (focus.de)
De Maizière hält Losung „Meine Daten gehören mir“ für falsch (heise.de)