D21-Digital-Index 2023/2024: KI und Resilienz als zentrale Herausforderungen

Veröffentlicht am 20.02.2024

Gerade erst wurde die neue Ausgabe des D21-Digital-Index in Berlin vorgestellt und diskutiert. Was sind die zentralen Ergebnisse der Studie und wie ist der Stand der Digitalisierung hinsichtlich Künstlicher Intelligenz und digitaler Resilienz in der deutschen Bevölkerung?

Seit dem Start von ChatGPT & Co vor etwas mehr als einem Jahr ist der Hype um KI-Tools kaum abgerissen und immer mehr Menschen wird bewusst, dass Künstliche Intelligenz großes Potenzial besitzt, unseren (Arbeits)Alltag zu verändern – sei es z.B. bei Übersetzungen, dem Verfassen von Texten, der Erstellung täuschend echter Bilder oder personalisierten Empfehlungen beim Online-Einkauf. Deshalb überrascht es nicht, dass das Thema KI nun auch ein Schwerpunkt des diesjährigen D21-Digital-Index ist, der bereits seit 2013 die Anpassungs- und Zukunftsfähigkeit der digitalen Gesellschaft in Deutschland erfasst.

KI als Transformationstreiber – und Herausforderung

Vor allem generative Künstliche Intelligenz hat in Rekordzeit massenhafte Anwendung gefunden – vom einmaligen Ausprobieren bis zur regelmäßigen Nutzung im beruflichen und privaten Kontext – weshalb die diesjährige Ausgabe des Index ein besonderes Augenmerk darauf legt. Laut der repräsentativen Studie, für die mehr als 30.000 Personen befragt wurden, nutzt bereits jede:r Dritte KI-Dienste wie ChatGPT oder DeepL. Und fast die Hälfte der Befragten (46 %) ist überzeugt, dass KI vor allem die Arbeitswelt in den nächsten zehn Jahren stark verändern wird. Die größten Veränderungen durch KI werden für die Bereiche Bildung (48 %), Arbeit (44 %) und Medizin (38 %) erwartet.

Spannend hinsichtlich der bisherigen Nutzung: Allein ChatGPT haben 18 Prozent der Befragten im ersten halben Jahr nach seinem Start ausprobiert, 47 Prozent davon zur Erstellung von Texten und zum kreativen Schreiben. 43 Prozent nutzten das Tool aber auch als Suchmaschine bzw. zur Informationsbeschaffung, obwohl es nicht immer verlässliche Ergebnisse liefert, sondern auch gern mal Fakten erfindet.

Auch die weiteren Ergebnisse der Studie zeigen, dass es vielen Menschen noch schwerfällt, kompetent mit KI-Tools umzugehen. So trauen sich nur 22 Prozent die Erkenntnis zu, ob Nachrichten, Musik oder Bilder von einer Künstlichen Intelligenz oder von Menschen erstellt wurden. Und das grundsätzliche Vertrauen in KI-Anwendungen fällt je nach Alter der Befragten recht unterschiedlich aus: Das größte Vertrauen gewähren die digital affinen Nutzer:innen der Generationen Z (42 %) und Y (36 %), während das größte Misstrauen bei der älteren Generation der Babyboomer herrscht (22 %).

Quelle: D21-Digital-Index 2023/24

Gefahren für die Demokratie

Hinzu kommen weitere Herausforderungen der Digitalisierung mit Blick auf den digitalen Diskurs und den Einfluss auf die Demokratie: 62 Prozent gaben an, schon einmal mit Desinformation in Kontakt gekommen zu sein und jede:r Fünfte vermutet in der Digitalisierung eine Gefahr für die Demokratie. Diese Herausforderung ist sowohl national als auch auf globaler Ebene von Relevanz, gerade in einem Jahr, in dem rund die Hälfte der Weltbevölkerung zu Wahlen aufgerufen ist.

So zieht sich in Deutschland bereits ein Viertel der Menschen aus Angst vor Anfeindungen aus digitalen Debattenräumen zurück. Eine aktuelle Studie des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz kommt hier sogar zu noch höheren Werten um die 50 Prozent. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich im Digital-Index eine große Mehrheit von 73 Prozent für verbindliche Regeln in sozialen Netzwerken ausspricht. Regeln, die in Europa gerade durch den Digital Services Act der EU etabliert werden sollen.

Warum Resilienz für die Digitalisierung wichtig ist

Eng verbunden mit solchen gesellschaftlichen Herausforderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen, ist das Thema Resilienz, das einen weiteren Schwerpunkt der D21-Studie darstellt. Demnach nehme die Fähigkeit, zukünftig mit dem digitalen Wandel Schritt zu halten, in der Bevölkerung ab, auch wenn eine Mehrheit (-3 auf 61 %) noch über ausreichend Resilienzfaktoren verfüge. Allerdings seien diese in fast allen Bevölkerungsgruppen rückläufig. Dies liege vor allem daran, dass die positive Grundeinstellung zum digitalen Wandel abnehme.

Zu den zentralen Ergebnissen des Index gehört nämlich auch die Erkenntnis, dass zwar ein Großteil der Bürger:innen in der digitalen Welt angekommen ist: der Digital-Index-Wert steigt auf 58 von 100 Punkten (+1 zum Vorjahr), ebenso die Zahl der „digitalen Profis“ (+ 5 auf 35 %). Zugleich sind die Menschen aber auch in ihrer Einstellung zur Digitalisierung gespalten: 47 Prozent sind aufgeschlossen, während 52 Prozent der Digitalisierung eher skeptisch gegenüber stehen. Und fast ein Drittel empfindet mittlerweile einen Anpassungsdruck an den digitalen Wandel (+1 auf 31 %).

Dazu trägt sicherlich bei, dass nur gut die Hälfte der Befragten die eigenen Arbeitgeber gut aufgestellt sieht für den digitalen Wandel (-4 auf 54 %) und auch das Vertrauen in die Kompetenzvermittlung durch das Bildungssystem abnimmt. Im Bereich digitaler und grüner Wandel wünschen sich die Menschen zudem mehr Transparenz und Aufklärung für ein nachhaltiges digitales Leben.

Die Bedeutung digitaler Basiskompetenzen

Die Offenheit gegenüber der Digitalisierung nehme besonders bei denjenigen ab, die mit Rückzug statt mit proaktiver Anpassung auf die steigenden Anforderungen der Digitalisierung reagieren. Laut der Studie sind gerade Bürger:innen mit niedriger formaler Bildung und mit geringem Einkommen unterdurchschnittlich gut für die digitale Welt gewappnet und fühlen sich auch häufiger überfordert.

„In Bezug auf den Digitalisierungsgrad bleiben die bekannten soziodemografischen Gräben zwischen den Bildungsniveaus, den Generationen, den Geschlechtern sowie den Einkommensschichten weitestgehend bestehen.“

Der D21-Digital-Index warnt deshalb vor einer neuen digitalen Spaltung und einer gefährdeten Zukunftsfähigkeit durch zunehmende Ablehnung und Rückzug aus dem digitalen Fortschritt. Um dem entgegenzutreten, brauche es „niederschwellige Bildungsangebote in den Bildungseinrichtungen, im Beruf oder auch im Seniorenheim“, um die digitalen Basiskompetenzen für mehr Resilienz zu entwickeln, wie Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21, es formuliert hat. Denn bislang konnte der „Digital Skills Gap“ in der Gesellschaft nicht geschlossen werden. So fehlen laut Index jeder bzw. jedem zweiten Deutschen die entsprechenden Basiskompetenzen.

Zivilgesellschaftliche Organisationen aber auch Unternehmen wie O2 Telefónica sind in diesem Bereich bereits aktiv, z.B. durch Programme, bei denen Menschen sowohl die Chancen als auch die Risiken der Digitalisierung vermittelt bekommen – etwa Aufklärung über Mobbing und Hass bei jungen Menschen („WAKE UP Jetzt“) oder Angebote zur digitalen Teilhabe älterer Menschen („Digital mobil im Alter“).

Mit Blick auf die Zukunft kommt es aber natürlich vor allem auf das Bildungssystem an, um die benötigten Kompetenzen für die Digitalisierung möglichst vielen Menschen zu vermitteln. Sonst drohen mittel- und langfristig weitere Rückschritte, die sich künftig auch in den Werten des D21 Digital-Index niederschlagen dürften.

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