Chaos Communication Congress: Komputerfrieks, versammelt Euch
„Damit wir als Komputerfrieks nicht länger unkoordiniert vor uns hinwuseln, tun wir wat und treffen uns am 12.9.81 in Belin.“
So lautete im Jahr 1981 der Aufruf zum ersten Treffen der politischen Hackergemeinde in den Redaktionsräumen der tagesszeitung (taz). 36 Jahre nach der Tuwat.txt-Anzeige, die als Initialzündung zur Gründung des Chaos Computer Clubs (CCC) gilt, stand der inzwischen 34. Chaos Communication Congress wieder unter dem Motto „tuwat“. Zwar nicht in „Belin“, sondern in Leipzig, traf sich zwischen dem 27.-30. Dezember 2017 die Hackercommunity. Die Themen Internationale Netzwerke, Kommunikationsrecht, Datenrecht, Informations- und Lernsysteme, Verschlüsselung und Hardware, die schon damals diskutiert wurden, standen auch diesmal wieder auf der Tagesordnung.
Ganze 15.000 Teilnehmer gab es beim Kongress – viele von ihnen wollen „wat tun“ und aktiv werden für eine lebenswerte digitale Gesellschaft. Zusätzlich zum analog stattfindenden Kongress hatte der CCC in einem Online-Portal Livestreams zu den Vorträgen eingerichtet. Für alle, die weder analog noch digital an dem Kongress teilnehmen konnten, stehen die Vorträge in einer Mediathek des CCC zur freien Verfügung.
Netzpolitischer Wetterbericht und Rückschau auf die Bundestagswahl
Über 100 Vorträge umfasste das Programm des Kongresses – einen Fahrplan dafür bekommt man hier. Sowohl für Kongress-Besucher, die sich von den Tiefen der Computertechnik mitreißen lassen als auch für jene, die mehr an gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen in Bezug auf moderne Technik interessiert sind, gab es auf dem Chaos Communication Congress viel zu sehen. Einige Vorträge aus dem Bereich Politik und Gesellschaft waren der von Markus Beckedahl gehaltene „netzpolitische Wetterbericht“, eine Vorstellung des auf Big Data basierenden Sozialkreditsystem in China und „Tightening the Net in Iran“ – ein Überblick zu Zensur und Überwachung im Iran.
Auch die Bundestagswahl 2017 war diesmal ein Thema für die CCC-Gemeinde, mit einem Rückblick zum aufsehenerregenden PC-Wahl-Hack und zur Rolle der Medien bei der Bundestagswahl.
Unter der Lupe: Ladeinfrastruktur für Elektroautos
Mit besonderer Spannung wurde außerdem der Vortrag von IT-Wissenschaftler und CCC-Mitglied Mathias Dalheimer zum Thema „Ladeinfrastruktur für Elektroautos“ erwartet. Dalheimer hatte sich mit einem Autosimulator verschiedene Ladesäulen und deren Backend-Kommunikation angeguckt und festgestellt, dass es „mit geringem Aufwand möglich ist, auf fremde Kosten zu laden“. So weise sowohl die Chipkarte, mit der man sich bei den Ladesäulen ausweist als auch das „Open Charge Point Protocol“ (OPCC), mit dem die Ladesäule prüft, ob der Ladevorgang freigeschaltet werden darf, gravierende Sicherheitsmängel auf. Außerdem könne laut Dalheimer, „wer physischen Zugriff auf Ladestationen hat, diese beliebig umkonfigurieren und so zum Beispiel alle Informationen für das Klonen von Ladekarten abschnorcheln.“ Für 2018 wünscht sich Dahlheimer, „entspannt an einer Ladesäule laden und dieser Infrastruktur vertrauen zu können“. Momentan habe er das Vertrauen auf Grund „zu vieler konzeptioneller Probleme“ nicht.
Ströbele, Snowden und Kling
Speaker auf dem Kongress, die auch über die Hackercommunity hinaus einem breiten Publikum bekannt sind, waren der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, der per Video zugeschaltete US-Whistleblower Edward Snowden und der Autor und Kabarettist Marc-Uwe Kling.
In einem Vortrag mit dem Titel „Die Lauschprogramme der Geheimdienste“, den er gemeinsam mit der Informatikerin und Sprecherin des CCC, Dr. Constanze Kurz, hielt, sprach sich Ströbele für eine strengere Überwachung der Geheimdienste aus. Ströbele sagte:
„Wenn wir feststellen, da sind Sachen gemacht worden, von denen die Beteiligten selber wussten, dass die gesetzeswidrig sind, dann muss das auch Konsequenzen haben.“
Edward Snowden erklärte in seinem Vortrag, ein Hacker sei jemand, der zweifle, der misstraue. Er betonte, dass das Jahr wieder bewiesen habe, wie wichtig ihre Skepsis sei. Marc-Uwe Kling dagegen nahm die Zuschauer mit auf eine Reise ins „Qualityland“, einer, laut Kling,
„nicht allzu fernen Zukunft, in der alles rund läuft und Arbeit, Freizeit und Beziehungen von Algorithmen optimiert sind“.