Cambridge Analytica, EU-Steuer & Co.: Facebook unter Druck
Es sollte angesichts der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Fachministern sowie den dazugehörigen Aussprachen eine digitalpolitisch unaufgeregte Woche werden. Doch mit den Enthüllungen um die Causa Facebook/Cambridge Analytica änderte sich dies schlagartig. Vertreter von Facebook haben am Freitag (23.03.) im Bundestag – als erstes Parlament weltweit – zu den Vorwürfen Stellung genommen, wenn auch nicht zufriedenstellend aus Sicht der Ausschussmitglieder. Auch die neue Justiz- und Verbraucherschutzministerin Katarina Barley (SPD) hat Facebook-Vertreter für Montag ins Ministerium zitiert. Barley wird sich mit einer höheren Konzern-Ebene austauschen, mit Richard Allan, dem ehemaligen Public Policy Europa-Chef, der seit neuestem den Titel „Vice President Policy Solutions“ trägt. Die Ausschussmitglieder mussten sich mit der Beraterebene begnügen. Facebook steht als Konzern in vielerlei Hinsicht unter Druck. Die EU-Kommission hat gerade nicht nur ihre neuen Pläne zur Besteuerung von Digitalkonzernen vorgestellt, es sollen auch die Rechte von Nutzern von kostenlosen Diensten, wie Facebook und Gmail, gestärkt werden. Ein Kommissions-Entwurf, der Reuters vorliegt, soll im Laufe des Aprils veröffentlicht werden. Die Kommission hatte für April ein weiteres Paket für den digitalen Binnenmarkt angekündigt.
Sondersitzung Digitale Agenda
Der Erkenntnisgewinn der Ausschusssitzung am Freitag hielt sich nach Aussage der Ausschussmitglieder in Grenzen. Während man sich einig war, dass die Vorladung von Facebook die hohe Priorität des Themas und auch die Wichtigkeit des Digitalausschusses unterstreiche, hätten die Vertreter von Facebook lediglich vorgefertigte Pressestatements abgelesen und kaum nennenswerte Auskünfte gegeben. Dass Facebook bereits seit 2015 von der Verwendung der 50 Millionen Nutzer-Daten durch Cambridge Analytica zu Microtargeting Zwecken wusste, war zwar schon vorher bekannt, wurde aber von den Unternehmensvertretern im Bundestag bestätigt. Keine Aussage erhielten die Abgeordneten darüber, ob deutsche Nutzer betroffen waren. Das will Justiz- und Verbraucherschutzministerin Barley bei dem Treffen am Montag jedoch in Erfahrung bringen.
Ob das gelingt, scheint fraglich. Wie Manuel Höferlin von der FDP-Fraktion dem Tagesspiegel Politikmonitoring sagte, wolle sich Facebook bis nächste Woche dazu eine Übersicht verschaffen und die betroffenen deutschen Nutzer informieren. Viel zu spät, findet Höferlin, der zwar die Einschätzung des Unternehmens teilt, dass es keinen Rechtsbruch begangen hat, es aber in der Pflicht gesehen hätte, rechtliche Schritte gegen Cambridge Analytica einzuleiten und die eigenen Nutzer zu informieren. Falko Mohrs, SPD-Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda, hingegen findet die Argumentation, dass der Datenschutzverstoß mit der App eines Drittanbieters vollzogen wurde, nicht ausreichend. Facebook sei trotzdem mindestens mitverantwortlich. Dass Facebook bei der Sitzung beteuert hat, keine Rechtsbrüche begangen zu haben, aber interne Ermittlungen angeblich noch nicht abgeschlossen seien, findet Anna Christmann von der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen absolut unverständlich. Höferlin findet es zwar grundsätzlich gerechtfertigt, wenn sich ein Unternehmen die Zeit nimmt, Datenschutzverstöße umfassend zu analysieren, nicht aber, wenn der entsprechende Verstoß längst hinreichend bekannt war.
Wie die Ausschussmitglieder berichten, wird nun eine Folge-Sondersitzung abgestimmt – gegebenenfalls noch in den sitzungsfreien Wochen um die Osterpause. Der digitalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Thomas Jarzombek will laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Facebook-Chefin Sheryl Sandberg vorladen.
Opinion European Data Protection Supervisor
Zeitgleich mit dem Bekanntwerden der Informationen zu Cambridge Analytica, hat der Europäische Datenschutzbeauftragte Giovanni Buttarelli ein Positionspapier zum Thema Missbrauch personenbezogener Daten für Manipulationszwecke veröffentlicht. In der „Opinion“ setzt Buttarelli sich u.a. mit Profiling durch die Verknüpfung von personenbezogenen Daten und Online-Aktivitäten wie Quiz-Apps auseinander. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer „culture of manipulation in the online environment“ durch Microtargeting. Der Datenschutzbeauftragte exerziert darin auch die Verantwortung von einerseits „data processing companies“ und andererseits Plattformen, deren Nutzerdaten verwendet werden, nach Maßgabe der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) durch. Der oberste europäische Datenschützer empfiehlt dem Gesetzgeber, mit der von der Kommission vorgeschlagenen E-Privacy-Verordnung zusätzliche Schutzmechanismen gegen Microtargeting zu schaffen. Die bulgarische Ratspräsidentschaft hat am 22. März anlässlich des Treffens der Gruppe „Telekommunikation und Informationsgesellschaft“ am 28. März einen Zwischenstand zu der internen Positionsfindung veröffentlicht.
EU-Steuer- und Verbraucherschutzpläne
Vermutlich eher zufällig fiel die Ankündigung der Digital-Steuerpläne der EU-Kommission in die Woche, in der Facebook wegen Cambridge Analytica unter Druck geriet. Ziel der Kommission ist, dass auch im EU-Ausland ansässige Digitalunternehmen in der EU Steuern zahlen, sofern sie in EU-Mitgliedstaaten eine „digitale Präsenz“ haben. Davon wird ausgegangen wenn sie jährlich mehr als sieben Millionen Euro in einem Mitgliedstaat erwirtschaften, sie mehr als 100.000 Nutzer in einem Steuerjahr in einem Mitgliedstaat zählen und mehr als 3.000 Geschäftsverträge über digitale Dienstleistungen zwischen dem Unternehmen und gewerblichen Nutzern in einem Steuerjahr abschließen. Bestimmte digitale Geschäftsmodelle, die derzeit überhaupt nicht besteuert werden, sollen künftig übergangsweise indirekt versteuert werden müssen – darunter der Handel mit Daten, die aus Nutzerinformationen generiert werden, oder Onlinewerbung. Wie zu erwarten war, kritisiert die Digitalwirtschaft den Vorstoß der Kommission scharf.
Im Laufe des Aprils wird die Kommission außerdem einen weiteren Vorstoß zum AGB-Recht für Online-Plattformen vorlegen, dessen Entwurf inzwischen der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. Demnach sollen Nutzer kostenloser Dienste wie Gmail und Facebook mehr Rechte gegenüber der Plattform in Bezug auf die wirtschaftliche Nutzung ihrer Daten erhalten. „Angesichts des wachsenden wirtschaftlichen Werts persönlicher Daten sind diese Dienste nicht mehr ‚kostenlos‘“, zitiert Reuters aus dem Dokument. Der Vorstoß soll im Rahmen des digitalen Binnenmarkt-Pakets der Kommission im April veröffentlicht werden. In dem Paket ist auch die angekündigte Strategie zu Künstlicher Intelligenz enthalten. Dazu liegt nun ein Vorentwurf vor, in dem eine „Charter on AI Ethics“ für Anfang 2019 angekündigt ist.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Lina Rusch schreibt über Netzpolitik und beobachtet die Landespolitik.