Bundesweiter Warntag: Testlauf für das Cell Broadcast System

Grafik: BASECAMP
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Veröffentlicht am 06.12.2022

Am 8. Dezember findet in Deutschland zum zweiten Mal der bundesweite Warntag statt, um alle technischen Warnsysteme für den Bevölkerungsschutz zu testen. Dabei werden erstmals auch sogenannte Cell Broadcast Meldungen flächendeckend an Mobilfunkgeräte versendet. Hier erläutern wir die Hintergründe und Funktionsweise des neuen Systems.

Der erste Warntag wurde vor zwei Jahren, am 10. September 2020, durchgeführt. Allerdings schlug der deutschlandweite Probealarm damals aufgrund von technischen Problemen weitgehend fehl. Doch bei der diesjährigen Neuauflage soll alles anders und besser werden – auch mithilfe von Cell Broadcast, der das vorhandene Portfolio der Warnmittel künftig ergänzen wird.

Was passiert am Warntag?

Foto: Pixabay User OtoZapletal | Ausschnitt bearbeitet

Am 8. Dezember um 11 Uhr starten der Bund, die Länder sowie die teilnehmenden Kreise, Städte und Gemeinden in einer gemeinsamen Übung einen Probealarm. Mit dessen Hilfe wird der Warmittelmix getestet: vorwiegend Rundfunk, digitale ÖPNV- und Stadtanzeigetafeln, Sirenen oder Warn-Apps. Auf diese Weise sollen zum einen die Warnmittel und die technischen Abläufe auf ihre Funktion und mögliche Schwachstellen geprüft werden, zum anderen zielt der Aktionstag auch darauf ab, die Bevölkerung zu informieren und für Warnungen zu sensibilisieren. Zugleich geht es darum, einen Überblick über die Erreichbarkeit der Bevölkerung zu bekommen.

Eine Neuerung ist dabei die flächendeckende Erprobung von Cell Broadcast (CB), dessen Einführung im August 2021 von der Bundesregierung beschlossen wurde – unter anderem als Reaktion auf die Flutkatastrophe im Ahrtal. Der offizielle Start des CB-Systems ist zwar erst auf den 23. Februar 2023 datiert, aber der erste bundesweite Testlauf soll dafür noch weitere Erkenntnisse liefern und unter anderem zeigen, ob und an welchen Stellen der CB-Betrieb bis dahin weiter optimiert werden kann.

Foto: Telefónica Deutschland | Montage PlaceIt | Ausschnitt bearbeitet

Die Eigenschaften von Cell Broadcast

Bei Cell Broadcast geht es darum, eine Warnnachricht direkt auf die Mobilfunkgeräte in einem bestimmten Gebiet auszusenden, um die Menschen dort gezielt warnen zu können. Dieses Gebiet kann – abhängig von der Meldungslage – das gesamte Bundesgebiet, aber auch einzelne Bundesländer, Landkreise oder Gemeinden umfassen. Konkret erhalten alle Smartphones und Tablets, die zum Zeitpunkt der Versendung in einer Funkzelle bzw. einem Sendemast des Zielgebietes eingebucht sind, eine Warnung per Textnachricht. Dies bietet mehrere Vorteile gegenüber anderen Warnmitteln:

  • Die Gerätenutzer:innen werden unabhängig von ihrem Mobilfunkanbieter, Tarif, Guthaben oder ihren Einstellungen (z.B. „Lautlos-Modus“) erreicht.
  • Die Zustellung erfolgt wie bei einem Rundfunksignal gleichzeitig, automatisch und anonym, da ohne Kenntnis der Telefonnummer (anders als bei SMS), wodurch in den Funkzellen auch Gäste aus dem Ausland informiert werden können.
  • Cell Broadcast funktioniert auch bei großen Menschenansammlungen und Events (Fußballspiele, Festivals), da es so gut wie keine Kapazitätsbeeinträchtigung durch die Aussendung gibt.
  • Mittels der gewählten Mobilfunkstationen können die Behörden die Warnmeldung lokal eingrenzen. Durch Wiederholung der Meldung in zeitlichen Abständen werden auch neu eintretende Menschen in einem Gebiet erreicht.
  • Für den Empfang wird keine eigene App benötigt, ratsam ist aber eine Überprüfung der Einstellungen am Mobilgerät (abhängig vom Alter und Betriebssystem des Geräts).

Im Katastrophenfall können somit idealerweise gleichzeitig und zuverlässig Millionen Menschen informiert werden. Dazu wird die Warnmeldung direkt auf dem Display dargestellt und über einen eigenen, schrillen Ton plus Vibration signalisiert, der sich deutlich von einer SMS oder WhatsApp-Nachricht unterscheidet. Der Ton wird zudem immer auf höchster Lautstärke abgespielt, selbst dann, wenn das Gerät auf „Lautlos“ gestellt wurde.

Mehrwert durch Zusatzinformationen

Ein weiterer großer Vorteil der Cell Broadcast Meldungen gegenüber der klassischen Warnung per Sirenensignal ist die Möglichkeit, konkrete Zusatzinformationen zur Krisensituation und Handlungsempfehlungen zu versenden, derzeit noch auf Deutsch oder Englisch. Dafür stehen pro Meldung aktuell max. 500 Zeichen zur Verfügung.

Logo: BBK

Wichtig ist hierbei, dass für die Inhalte der Warnmeldungen allein das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zuständig ist. Die Telekommunikationsunternehmen stellen als einer von vielen Warnmultiplikatoren lediglich ihre Netzinfrastruktur zur Verfügung und sind somit nur der Überbringer, nicht aber der Ersteller oder Absender der Nachrichten.

Die Grenzen des CB-Systems

So gut das alles klingt, gibt es aber natürlich auch für das CB-System gewisse Grenzen bzw. Aspekte, die in der Anwendung zu beachten sind. Zum einen erreichen die Warnungen die Empfangsgeräte nur, solange die Funkzellen senden können und nicht durch äußere Einflüsse ausfallen, beispielsweise eine komplette Zerstörung aufgrund der Katastrophe. Zum anderen hängt die Zustellung bei älteren Endgeräten derzeit noch von den Versionen der Betriebssysteme ab.

In den sogenannten grauen Flecken der Netzabdeckung bekommen die Kunden eines Anbieters die Warnmeldung zugestellt, wenn dort die geteilte, virtuelle Netznutzung („active sharing“) bereits von diesem Anbieter genutzt wird.

Jenseits der technischen Verfügbarkeit spielt aber auch das Verhalten der Empfänger eine Rolle. So ist es denkbar, dass der schrille, sehr laute und zunächst ungewohnte Signalton in einzelnen Fällen nicht nur für erhöhte Aufmerksamkeit sorgt, sondern selbst auch zur Gefahr wird, beispielsweise durch Ablenkung im Autoverkehr.

Angesichts der im Alltag oftmals geradezu inflationären Verbreitung von Eilmeldungen für vermeintlich dringende Nachrichten oder Wettermeldungen ignorieren inzwischen viele Menschen diese Art von Meldungen. Daher ist ein behutsamer Einsatz der Cell Broadcast-Technologie durch Bund und Länder ratsam, will man letzteres verhindern. Dies wiederum würde den Sinn und Erfolg wirklich wichtiger Meldungen im Falle einer echten Katastrophe gefährden.

Grafik: BASECAMP

Wie geht’s weiter?

Wie anfangs erläutert, soll der Warntag genutzt werden, um weitere Erkenntnisse für das System der Warnmittel zu gewinnen. Speziell für den Cell Broadcast ist anschließend von Dezember bis Februar eine Phase der Learnings und Anpassungen geplant. Hierbei fließen auch Erfahrungen und Erkenntnisse aus anderen EU-Ländern ein, die Cell Broadcast bereits länger nutzen (z.B. Niederlande, Spanien, Großbritannien).

Besonders die richtigen Einstellungen zum Erreichen aller Endgeräte werden absehbar auch über den 23. Februar 2023 hinaus noch etwas Zeit beanspruchen. Doch der damit verbundene Aufwand für die Behörden und Mobilfunkanbieter wird sich lohnen, damit alle Menschen in Deutschland in nicht allzu ferner Zukunft im Katastrophenfall schnell erreicht und informiert werden können.

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