Bundeswehr-Sondervermögen:
Was für die
Digitalisierung der
Truppe geplant ist
Das kontrovers diskutierte und vor kurzem beschlossene Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro sieht auch Mittel für die Digitalisierung der Streitkräfte vor. Wieviel und wohin das Geld fließen soll, fassen wir hier zusammen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte den gesamten politischen Betrieb hierzulande Ende Februar nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine mit seiner Ankündigung eines Bundeswehr-Sondervermögens überrascht. Nach langen Verhandlungen zwischen den Regierungsparteien der Ampel und der oppositionellen Union wurde nun Anfang Juni die nötige Grundgesetzänderung vom Bundestag und Bundesrat beschlossen, damit das Sondervermögen nicht von der verfassungsmäßig verankerten Schuldenbremse betroffen ist.
Cyberabwehr und Zivilschutz bleiben außen vor
Ein großes Streitthema der Parteien war zuvor die Frage, wie das Geld genau verwendet werden soll. Während die Ampel-Koalition einen Teil der 100 Milliarden Euro zum Beispiel auch für Maßnahmen der Cyberabwehr und des Zivilschutzes nutzen wollte, bestanden CDU/CSU für ihre parlamentarische Zustimmung auf einer ausschließlichen Nutzung für die Bundeswehr – womit sich die Union letztlich durchsetzen konnte. Die angedachten Maßnahmen der Cyberabwehr sollen nun stattdessen aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Zugleich wurde vereinbart, die Bundesregierung eine „Strategie zur Stärkung der Sicherheit im Cyber- und Informationsraum“ erarbeiten zu lassen. Bis wann das passieren soll, ist aber noch unklar.
Die Beschränkung des Sondervermögens auf Vorhaben der Bundeswehr sorgt nun dafür, dass mehr Geld in die einzelnen Teile der Truppe investiert werden kann. Davon profitiert auch ihr digitaler Bereich: So sind für die „Dimension Führungsfähigkeit/Digitalisierung“ Ausgaben in Höhe von 20,7 Milliarden Euro vorgesehen, was der zweitgrößte Posten des Vermögens ist, hinter 40 Milliarden für den Schwerpunkt „Dimension Luft“.
Kommunikation steht im Fokus
Das zentrale Anliegen der Investitionen ist dabei die Digitalisierung der Kommunikation und ihre kryptografische Absicherung. Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, bezeichnete vor kurzem eine abhörsichere Kommunikation als wichtigste Aufgabe bei der Modernisierung der Bundeswehr:
„Wir müssen digitale Funkgeräte haben, die es uns […] erlauben, Gefechtsstände zu betreiben, Daten und Sprache zu übertragen, ohne dass jemand mithören oder alles lahm legen kann.“
Die unsichere Kommunikation über die offenen Netze der Bundeswehr habe im Einsatz nämlich bereits zu Problemen mit Einheiten von NATO-Verbündeten geführt.
Auf der Ausgabenliste für das Sondervermögen steht dementsprechend der Kauf neuer Funkgeräte unter dem Punkt „Digitalisierung landbasierter Operationen“ weit oben in der Priorität. Hinzu kommen weitere spezielle Einkanalfunkgeräte, die eine sichere Kommunikation mit US-Satelliten und Luftfahrzeugen sowie die Einrichtung von mobilen Ad-Hoc-Netzwerken zur Datenübertragung zwischen den Geräten ermöglichen.
Als weitere Maßnahmen der Digitalisierung, die vor allem das Zusammenspiel der Teilstreitkräfte durch gute Kommunikation verbessern sollen, sind ein Taktisches Wide Area Network (TAWAN), ein Rechenzentrumsverbund, der Ausbau der Satellitenkommunikation (SATCOMBw) und ein „German Mission Network“ zur Vernetzung von Auslandseinsätzen geplant. Von den 20 Milliarden Euro des Digitalisierungs-Postens sind zudem 500 Millionen für „Forschung, Entwicklung und Künstliche Intelligenz“ vorgesehen, wobei KI-Anwendungen besonders für die „Überwachung und Sicherung großer Räume“ in Betracht gezogen werden.
Strukturen für die Digitalisierung
Die Digitalisierung der Bundeswehr ist bereits seit längerem ein wichtiges Thema. Im Verteidigungsministerium existiert für diese umfassende Aufgabe seit einigen Jahren ein strategisch ausgerichtetes Leitungsboard, ein koordinierendes Steuerungspanel, ein eigenes Sekretariat zur operativen Unterstützung sowie ein Digitalrat. In der Bundeswehr selbst gibt es zudem den eigenständigen militärischen „Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum“, der sich um die Informationsnetze kümmert und eigene Zentren für Cybersicherheit sowie Softwarekompetenz betreibt. Hinzu kommen das Cyber Innovation Hub in Berlin und der Cybercluster an der Universität der Bundeswehr in München, die sich stärker mit Wirtschaft und Wissenschaft austauschen.
Die Bedeutung digitaler Lösungen wird dabei zum einen in der vereinfachten Verwaltung der Truppe gesehen, zum anderen aber auch in der angestrebten Informationsüberlegenheit in militärischen Auseinandersetzungen:
„Systeme zur Krisenfrüherkennung warnen rechtzeitig vor Risiken; die Datenverarbeitung in Echtzeit liefert hochaktuelle Lagebilder. Die Vernetzung militärischer Einheiten durch Battle Management Systeme ermöglicht das präzise Führen militärischer Operationen.“
Beispielprojekte
Wie wichtig eine sichere Information und Kommunikation der Soldaten ist, zeigen nicht zuletzt die Mängel der russischen Truppen bei ihrem Angriff auf die Ukraine. Die Bundeswehr und ihr IT-Dienstleister BWI verfolgen deshalb die Digitalisierung landbasierter Operationen (D-LBO) als ein weitreichendes Projekt. Ein Teil dessen ist unter anderem die Integration aktueller Hard- und Software in militärische Fahrzeuge, die noch für analoge Kommunikation geplant und gebaut wurden, damit diese mit Satelliten oder in eigenen 5G-Netzen kommunizieren können.
Ein weiteres Projekt, das von den Geldern des Sondervermögens profitieren könnte, betrifft zum Beispiel die Digitalisierung des logistischen Systems der Bundeswehr. So wurden vom Cyber Innovation Hub gerade erst neue Logistik-Ideen als Ergebnisse einer Innovation-Challenge vorgestellt, darunter etwa ein Routenplaner für Konvois oder ein Sensor zur digitalen Containerüberwachung. Dass die Bundeswehr bei der Digitalisierung durchaus bereit ist, eigene Wege zu gehen, zeigte bereits der als Open-Source-Lösung kreierte BwMessenger.
Man darf gespannt sein, ob und wie die Bundeswehr die große Aufgabe der umfassenden Digitalisierung mit den vorgesehenen Mitteln des Sondervermögens bewältigen kann. Im Sinne unser aller Sicherheit kann man nur hoffen, dass sie dabei weiterhin agiler vorgehen und erfolgreicher sein kann als bei ihrem in Verruf geratenen klassischen Beschaffungswesen.