Bundestagswahljahr 2021: Digitalpläne von Union und SPD
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Vor dem Parteitag am Freitag haben sich die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz inhaltlich in Stellung gebracht. Ihre Pläne werden auch die Digitalpolitik der Partei mitbestimmen. Unterdessen hat die Landesgruppe der CSU auf ihrer Klausurtagung eine eigene Digitalagenda beschlossen. Die SPD-Bundestagsfraktion legt in ihren Beschlüssen den Schwerpunkt auf den Neustart der Beziehungen zu den USA, die Europa durch technologische Kooperationen stärken soll.
Die Regierungsparteien versuchen im Bundestagswahljahr 2021 digitalpolitisch eigene Akzente zu setzen. Im Vorfeld des CDU-Parteitages am 15. und 16. Januar haben Armin Laschet, NRW-Ministerpräsident und Anwärter auf den CDU-Vorsitz, sowie dessen Unterstützer, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, schon ihre eigenen „#impulse2021“ in einem 10-Punkte-Papier veröffentlicht. Ihr Parteikollege Friedrich Merz, ebenfalls Kandidat für den Vorsitz, hat in einem Videointerview Fragen zur Digitalpolitik des Vereins Cnetz beantwortet, das am Sonntag veröffentlicht wurde. Der dritte Kandidat, Norbert Röttgen, ließ seine Chefstrategin Ellen Demuth die Fragen des Vereins für sich beantworten.
Die CSU legt einen Schwerpunkt auf die Digitalisierung, was sie durch den Beschluss einer Digitalen Agenda auf der Klausurtagung ihrer Landesgruppe am 6. und 7. Januar unterstreicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die per Video zugeschaltet war, betonte die gemeinsame Arbeit der Schwesterparteien: „Es ist eine Zusammenarbeit, in der wir gerade auch im Bereich der Digitalisierung vieles geschafft haben. Hier hat die CSU ein sehr originäres und eigenes Interesse.“
CSU: Smartphone-Perso, Games und Weltraumbahnhof
Mit ihren „Plänen für ein Jahrzehnt der digitalen Innovationen“ möchte die CSU „Aufschwung und Arbeitsplätze in Wohlstand und Wachstum übersetzen“. Als Grundlage dafür sieht sie die digitale Infrastruktur. Ihr Ziel ist es deshalb, bis spätestens 2024 alle weißen Flecken im Mobilfunk mit stationären oder mobilen Masten zu beseitigen. Für den neuen Mobilfunkstandard 5G und entsprechende Netze will die CSU bis 2025 insgesamt 15 Milliarden Euro locker machen. Für die Bürger sollen digitale Lösungen vereinfacht werden, etwa durch einen Smartphone-Perso, der den Ausweis in digitaler Form auf das Mobilgerät bringt. Nach dem Vorbild der digitalen Kfz-Zulassung i-Kfz sollen weitere Behördengänge digitalisiert werden. Das entspricht auch den Plänen der Bundesregierung und der EU-Kommission, die digitale Identitäten voranbringen wollen.
Eine weitere Verbesserung für Bürger verspricht sich die CSU von einer – in ihren Augen – leichteren Handhabung von „nervigen“ Datenschutzeinstellungen beim Surfen im Netz. Die Verwendung von Cookies auf Webseiten soll EU-weit mit der E-Privacy-Verordnung geregelt werden. Doch darauf wollen die Christsozialen nicht warten. „Solange keine Einigung bei der E-Privacy-Verordnung in Sicht ist, wollen wir deshalb national handeln und in Deutschland gesetzlich festlegen, dass Nutzer der Verwendung von Cookies über eine Einstellung in ihrem Browser generell zustimmen“, heißt es. „Die Pflicht, bei jedem Besuch einer neuen Homepage der Verwendung von Cookies zustimmen zu müssen, soll damit entfallen.“
Beim Kampf gegen Hass im Netz sieht die CSU das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) als Vorbild, das Deutschland zum Vorreiter mache. Bewährtes aus dem Gesetz soll daher auch auf europäischer Ebene beibehalten werden, fordert die Landesgruppe, denn hier hat die EU-Kommission mit dem Digital Services Act (DSA) Ende Dezember einen Entwurf vorgelegt, der Änderungen nötig machen könnte. Dabei ist der CSU der Zugang zu Daten sozialer Netzwerke für Wissenschaftler wichtig. Für Verbraucher will sie auch das Kündigen von Verträgen vereinfachen. „Wenn Verträge online mit einem Klick geschlossen werden können, sollen sie künftig ebenso mit einem Klick gekündigt oder widerrufen werden können“, steht im Beschluss. Pauschale Erstattungsansprüche, etwa bei verspäteten Flug- oder Bahnreisen, sollten automatisch ausgezahlt werden müssen.
Auch eine Digitalsteuer für „Internetriesen“ unterstützt die CSU. Bis dies auf internationaler Ebene gelinge, sollen Deutschland und Europa bereits mit einer europaweiten Regelung für eine Mindestbesteuerung reagieren. Für Start-ups will sie mehr Geld einsammeln. Dazu soll der mit 10 Milliarden Euro ausgestattete Zukunftsfonds zu einem „schlagkräftigen Dachfonds“ weiterentwickelt werden. Investitionen plant die CSU außerdem für Robotik und Digitalisierung im Gesundheitssektor, wofür sie 500 Millionen Euro in die Hand nehmen will. Unter den Unternehmen möchte die Landesgruppe zudem besonders die Computerspiele-Branche unterstützen. Dazu soll eine Games-Strategie erarbeitet werden mit dem Ziel, Deutschland zum „Games-Standort Nr. 1“ zu machen.
Um für die Wirtschaft den Datenaustausch zu erleichtern, setzen die Christsozialen auf eine schnelle Umsetzung der europäischen Dateninfrastruktur GAIA-X. Ökonomische Chancen erhofft sich die CSU durch einen Weltraumbahnhof für Satelliten, die etwa für die Erdbeobachtung und die Umwelt- und Klimaforschung wichtig seien. Die Startplattform soll jedoch nicht in Bayern, sondern mobil in der Nordsee errichtet werden. Weitere Punkte der Digitalen Agenda beschreiben die Unterstützung für autonomes Fahren und Shuttles im ländlichen Raum, eine nachhaltige, digitale Entwicklung der Landwirtschaft sowie digitales Bauen durch virtuelle Modelle.
10-Punkte-Plan von Laschet und Spahn
Ihre Pläne für die politische Ausrichtung der CDU haben Armin Laschet und Jens Spahn mit „#impulse2021: Für ein innovatives und lebenswertes Deutschland“ überschrieben – und betonen damit, ähnlich der Digitalen Agenda der CSU-Landesgruppe, Innovationen. Sie betonen, dass sie „die Digitalisierung und Bildung großschreiben. Die Ökologie und Ökonomie zusammenbringen“ wollen.
Unter Punkt eins des 10-Punkte-Plans listen sie einen Großteil ihrer digitalen Pläne auf: Ein Digitalministerium mit umfassenden Kompetenzen, eine Novelle des Datenrechts, die Datenschutz und -nutzung gleichzeitig ermöglicht sowie standardisierte Genehmigungsverfahren beim Glasfaser-, LTE- und 5G-Netzausbau. Daneben wollen sie eine eigene Blockchain-Infrastruktur für Deutschland schaffen und die Verwaltung digitalisieren, damit Angaben nur noch einmal bei einer Behörde gemacht werden müssen.
Für Unternehmensgründer planen Laschet und Spahn verbesserte Bedingungen: Sie wollen einen nationalen Digital-Fonds als kontrollierten Dachfonds für Investitionen in private Wagniskapitalfonds schaffen. Außerdem sollen bessere Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung für Start-ups entstehen. Als weitere Punkte nennen sie innovative Formen der Mobilität, wie Flugtaxis und autonomes Fahren, die sie in Deutschland im „Reallabor“ testen wollen. Auch eine umfassende digitale Bildung sowie „flächendeckende Digitalschulen analog zu Musikschulen“ gehören zu ihren Zielen. Ebenso wollen sie „Cybersicherheit in Forschung und Praxis“ fördern und auf europäischer Ebene Digital- und KI-Strategien vorantreiben. Als Maßnahmen gegen künftige Pandemien sollen digitale Strukturen, wie Homeoffice-Kapazitäten in Unternehmen und Verwaltung, ausgebaut und der Informationsaustausch im Gesundheitssystem erhöht werden. In ihrem Verständnis einer Zukunftspartei soll die Parteiarbeit „selbstverständlich digital und analog“ gelebt werden.
Viel Übereinstimmung mit Merz und Röttgen
In vielen Punkten stimmt Laschet mit seinen Kontrahenten um den CDU-Vorsitz, Merz und Röttgen, digitalpolitisch überein. Alle drei wollen ein Digitalministerium und auch bei der digitalen Bildung sehen alle Verbesserungsbedarf. In puncto Wirtschaft betonte Merz, dass die Förderung der Digitalbranche nicht national, sondern europäisch gesehen werden müsse. Anlässlich des letzten Dreiergesprächs eine Woche vor dem Parteitag machte Merz zudem klar, dass er nichts von einem Recht auf Homeoffice hält. „Das brauchen wir nicht“, sagte er, sondern dies sollten die Tarifparteien vielmehr unter sich selbst regeln. Laschet und Röttgen widersprachen dem nicht.
Beim Thema Corona-App grenzten sich Laschet und Merz von Röttgen ab. Röttgen würde den Datenschutz zum Zweck einer besseren Kontaktverfolgung nicht lockern, wohingegen Laschet Datenschutz als „nicht unantastbar“ bezeichnete. Merz sagte, Datenschutz sei nicht wichtiger als Gesundheitsschutz. Röttgen betonte hingegen, Gesundheitsschutz setze das Vertrauen der Bürger voraus, das Datenschutz ermögliche. Auf die Frage, ob mehr Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen nötig sei, antwortete Laschet, dass dies an Brennpunkten hilfreich sei. Darin waren sich alle drei wiederum einig.
SPD: Gemeinsam mit den USA Regeln setzen
Unter den Beschlüssen der SPD-Bundestagsfraktion vom 8. Januar findet sich kein Papier zur Digitalpolitik. Die Sozialdemokraten legen den Fokus auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Solidarität durch die Pandemie, die Neuregelung der Transatlantischen Beziehungen sowie die Wohnungspolitik.
In der Pandemie habe sich gezeigt, dass die Gesundheitsämter gestärkt werden müssen. „Deshalb brauchen wir dort mehr Personal, mehr Digitalisierung, mehr Vernetzung mit der Wissenschaft sowie eine bessere institutionelle Absicherung auf allen föderalen Ebenen“, fordert die Fraktion. Zudem soll die bundeseinheitliche Nutzung des digitalen Meldesystems DEMIS und des Kontaktpersonenmanagements SORMAS „dringend“ vorangetrieben werden. Investieren will die SPD auch in die Digitalisierung der Schulen, in den Breitbandausbau, in nachhaltige Mobilität und erneuerbare Energien, in Zukunftstechnologien und die Zukunft der Arbeit.
Die Wirtschaft soll „Leitanbieter für Zukunftstechnologien“ werden, wofür die Innovationsförderung sowie die Start-up-Finanzierung weiter erhöht und ausgebaut werden soll. Dabei will die SPD außerdem die Qualifizierung der Beschäftigten mit „erhebliche Mehrinvestitionen“ fördern. Damit Investitionen insgesamt effektiv umgesetzt werden, soll der Abbau von verzögernden Regelungen in Planungsverfahren Hand in Hand gehen mit dem Ausbau der digitalen Verwaltung.
Wie die CSU fordert auch die SPD eine Digitalsteuer, die national eingeführt werden sollte, wenn dies nicht „in den nächsten Wochen und Monaten“ auf internationaler Ebene gelänge. Ziel sei „ein wirtschaftlich und digital souveränes Europa“, das seine technologischen und digitalen Kompetenzen konsequent ausbaut, wie es im Positionspapier „Transatlantische Beziehungen neu denken“ heißt. Als wichtige „Meilensteine für mehr Unabhängigkeit und Sicherheit“ in diesem Zusammenhang werden der für 2021 angekündigte EU-Data-Governance-Act und das Cloudinfrastrukturprojekt GAIA-X genannt. Weitere Möglichkeiten für Kooperationen zwischen der EU und den USA böten Quantenrechner, Künstliche Intelligenz, Weltraumforschung oder der Ausbau von 5G-Mobilfunknetzen. Gemeinsam mit den USA sollte sich die EU auch für einen „ambitionierten internationalen Data Act einsetzen, der persönliche und kollektive Datenschutzrechte festschreibt und Standards für gemeinwohlorientiertes Datenteilen und globale Interoperabilität etabliert“.
Grüne: Ressourcenschonende Digitalisierung
Die Grünen haben sich am Montag (11. Januar) zu ihrer Vorstandsklausur getroffen. Ihr Grundsatzprogramm hat die Partei im vergangenen Jahr überarbeitet und Ende November beschlossen. Darin hat sie auch ihre digitalpolitischen Leitplanken umrissen, die das Ziel einer nachhaltigen, umweltverträglichen und ressourcenschonenden Digitalisierung betonen. Schwerpunkte legt die Partei in der Wirtschaft auf das Aufbrechen von Datenmonopolen großer Konzerne, Open Source, offene Standards und klare Haftungsregeln für KI. Für die Gesellschaft strebt sie ein Recht auf Homeoffice sowie bessere digitale Bildung und Weiterbildung an.
Tagesspiegel Politikmonitoring
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf der Website des BASECAMP.