Bundesregierung: Digitalpolitische Beschlüsse der Kabinettsklausur

Veröffentlicht am 01.09.2023

Kurz vor dem Ende der parlamentarischen Sommerpause hat die Bundesregierung mit ihrer Kabinettsklausur bereits den Start in die zweite politische Jahreshälfte eingeläutet. Beim Treffen in Meseberg wurden auch mehrere digitalpolitische Vorhaben beschlossen. Breite Kritik am bisherigen Tempo der Digitalisierung gibt es trotzdem.

Am Dienstag und Mittwoch trafen sich die Bundesminister:innen zu ihrer traditionellen Klausur im brandenburgischen Meseberg mit dem Ziel, den zuletzt erneut sichtbar gewordenen Zwist innerhalb der Ampelkoalition zu überwinden und die Weichen für den Rest der Legislaturperiode zu stellen. Dabei wurden auch einige Beschlüsse zu digitalen Initiativen gefasst – im Gegensatz zu anderen Themen gehört die Digitalpolitik allerdings nur selten zu den Streitthemen der Koalition.

KI, Daten und Verwaltung

Auf der Agenda der Kabinettsklausur standen insbesondere die Themen “Künstliche Intelligenz als Zukunftstechnologie” und “Digitaler Fortschritt im Spannungsfeld von Datennutzbarkeit und Datenschutz”, wozu mehrere Expert:innen aus Unternehmen und Wissenschaft geladen waren, um Impulse zu geben. Das Thema KI wurde vor allem unter dem Aspekt der Verwaltungsdigitalisierung und wie diese beschleunigt werden kann diskutiert.

So möchte die Bundesregierung die Potenziale von KI z.B. durch die Entwicklung eigener großer Sprachmodelle (LLM) erschließen, die für Chatbots in den Verwaltungen genutzt werden könnten. Für die Einhaltung notwendiger Regeln sollen dabei unter anderem die Datenlabore der Ministerien und die Datenschutzbehörden sorgen. Bereits vergangene Woche hatte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger zudem einen Aktionsplan angekündigt, der die Forschung sowie Gründungen im Bereich KI mit 1,6 Milliarden Euro fördern soll. Fachleute und Verbände monierten an dem Plan aber bereits mehrere fehlende Details.

Die neue Datenstrategie ist da

Damit Daten künftig in besserer Qualität zur Verfügung stehen und effektiver genutzt werden können, hat das Kabinett in Meseberg eine neue Datenstrategie beschlossen, die eigentlich bereits beim Digitalgipfel im vergangenen Dezember vorliegen sollte.

Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr | Foto: Henrik Andree

„Bislang bleiben Daten viel zu oft ungenutzt und fehlen somit für digitale Innovationen. Das betrifft industrielle genauso wie öffentliche Daten. Das wollen und müssen wir ändern. Dafür brauchen wir eine neue, mutige Datenkultur, die das Teilen von Daten möglich macht, um neue, datenbasierte Angebote aus der Wirtschaft und aus der Mitte der Gesellschaft zu entwickeln.“ (Digital- und Verkehrsminister Volker Wissing)

Um dieses Ziel zu erreichen, beinhaltet die Strategie eine Roadmap, die aufzeigt, welche Gesetze und Strukturen bis Ende 2024 angepasst bzw. aufgebaut werden sollen – unter anderem das angekündigte Dateninstitut, neue Datenlabore oder ein Beratungszentrum für Künstliche Intelligenz in der Verwaltung.

Roadmap Datenstrategie bis Q4/2024, Datenstrategie der Bundesregierung, S. 37

Digitale Vorhaben im Gesundheitsbereich

Mit dem “Gesetzentwurf zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten” wurde während der Kabinettsklausur auch gleich ein Vorhaben der Datenstrategie auf den Weg gebracht. Das Gesetz soll die Voraussetzung für eine bessere Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten schaffen und so eine bessere medizinische Versorgung ermöglichen. Vorgesehen ist dafür der Aufbau einer dezentralen Infrastruktur für Gesundheitsdaten sowie einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für die Nutzung der Daten.

Zugleich wurde der “Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens” beschlossen, der den Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten erleichtern soll. Als Kernelement des Vorhabens gilt die Elektronische Patientenakte. Sie wird ab 2025 für alle gesetzlich Versicherten automatisch bereitgestellt, solange sie dem nicht widersprechen (Opt-Out-Regelung). Außerdem ist die Einführung eines digitalen Medikationsmanagements sowie des E-Rezepts als verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung geplant.

Foto: iStock / ipopba

Kommt nun der Digitalcheck?

Auch zum lang geplanten Digitalcheck in der Gesetzgebung gibt es Neuigkeiten von der Bundesregierung. Seit Anfang des Jahres müssen neue Gesetze der Bundesregierung durch den Nationalen Normenkontrollrat (NKR) zwar bereits auf ihre Digitaltauglichkeit hin geprüft werden. Allerdings müssen die Empfehlungen des Gremiums nach dem Digitalcheck bisher nicht zwingend umgesetzt werden. Die nun in Meseberg beschlossenen Eckpunkte des Bundesinnenministeriums sollen hier mehr Verbindlichkeit schaffen.

Dafür wurden fünf Prinzipien formuliert, an denen sich Gesetzesvorhaben im Sinne des Digitalchecks orientieren sollen:

  • Sicherstellung der digitalen Kommunikation durch technologieoffene Regelungen
  • Wiederverwendung von Daten und Standards ermöglichen
  • Gewährleistung des Datenschutzes und der Informationssicherheit
  • verständliche Regelungen für eine digitale Ausführung mit einheitlichen Rechtsbegriffen
  • Ermöglichung von automatisierten oder antragslosen Verfahren durch die Einbindung von IT-Fachexpert:innen
Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat | BMI | Quelle: Peter Jülich

“Wir wollen einen digitalen Staat, der konsequent aus der Perspektive der Bürgerin und des Bürgers gedacht ist. Wir wollen unser Land moderner, bürgernäher und digitaler machen. Das heißt konkret: Einheitliche Standards und schnellere, digitale Verfahren.” (Bundesinnenministerin Nancy Faeser)

Breite Kritik am bisherigen Tempo

Ob diesen Worten auch entsprechende Taten folgen werden, ist angesichts des bisherigen Tempos bei den Digitalisierungsvorhaben der Regierung aber eher fraglich. Denn pünktlich zur Kabinettsklausur hat ein breites Bündnis aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Digitalverbänden darauf hingewiesen, dass die Ampelregierung nach der Hälfte der Legislaturperiode nur wenige ihrer digitalpolitischen Projekte angestoßen hat. Aufgrund der geplanten Sparmaßnahmen für das kommende Jahr drohe letztlich “ein digitalpolitisches Scheitern und ein langfristiger Schaden für Gesellschaft und Wirtschaft”.

Auch eine aktuelle Analyse des Bitkom kommt zu dem Schluss, dass bisher nur jedes zehnte digitalpolitische Vorhaben dieser Legislatur umgesetzt wurde, während ein Viertel der insgesamt 334 digitalpolitischen Vorhaben noch gar nicht angepackt wurde. Vor diesem Hintergrund steht die Bundesregierung also auch nach den Beschlüssen von Meseberg noch vor großen Herausforderungen in der Digitalpolitik.

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