#BTW21: Wie wird der digitale Wahlkampf fair?

Foto: CC0 1.0, Pixabay User imexclusives | bearbeitet PlaceIt
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Veröffentlicht am 07.07.2021

Auch in Sachen Wahlkampf müssen Parteien durch die Corona-Pandemie ihre herkömmlichen Strategien überdenken. Wo vor vier Jahren noch mit Haustürgesprächen oder Veranstaltungen mit Spitzenpolitiker:innen vor großen Zuschauermengen um Stimmen geworben wurde, wird der Wahlkampf 2021 vor allem eines: Digital. 

Stimmen aus dem Netz fangen, so lautet die Devise für den Wahlkampf zur Bundestagswahl im September. Vor vier Jahren bereits professionalisierten einzelne Parteien ihren Internetwahlkampf unter anderem mit kurzen Videos und moderierten Social Media Profilen. Dieses Jahr sind digitale Kampagnen das zentrale Mittel aller Parteien. Daten liefern dabei die Grundlage für zielgerichtete Wahlwerbung.

Microtargeting und Dark Social

Sogenanntes Microtargeting ermöglicht es Parteien zum Beispiel, Gruppen anhand von sozioökonomischen und soziodemographischen Daten zu identifizieren, um genau bei den Menschen Werbung für bestimmte Themen zu machen, die in ihrer Wahlentscheidung noch unentschlossen sind. Genauso können jedoch auch Überzeugungen durch Wahlwerbung gefestigt werden. Bei beidem zielen die jeweiligen Parteien nicht nur darauf ab, Bürger:innen und deren Stimmen für sich zu gewinnen. Sie beabsichtigen auch, dass Nutzer:innen von sozialen Plattformen wie Facebook oder Instagram, auf denen Parteien für sich werben, ihrerseits Inhalte und Standpunkte der Parteien verbreiten. Dabei werden Nutzer:innen aufgrund ihres Online-Verhaltens und mittels Algorithmen vor allem solche Beiträge angezeigt, die den eigenen Interessen entsprechen und sie damit kräftigen. (Wahl)Werbung lässt sich somit überaus genau personalisieren.

Eine Folge der Verschiebung des Wahlkampfes von der Straße ins Digitale ist, dass der politische Wettbewerb immer häufiger in individuellen Newsfeeds oder geschlossenen Messengergruppen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Expert:innen bezeichnen diesen Trend als „Dark Social“. Zivilgesellschaftliche Kontrolle durch Medienvertreter:innen oder politische Konkurrent:innen ist im Dark Social allerdings nur schwer möglich.

Gleiche Spielregeln für alle

Aus diesem Grund haben diverse zivilgesellschaftliche Gruppen wie die Amadeu Antonio Stiftung die Wahlkämpfenden zu einer fairen digitalen Wahlkampfführung aufgerufen. Da es keine gesetzlichen Regelungen für digitale Kampagnenarbeit und politische Werbung im Internet gibt, ist man hier auf die Freiwilligkeit der Parteien angewiesen. Wie die Spielregeln für einen fairen digitalen Wahlkampf aussehen könnten, hat D64 in einem „Code of Conduct für digitales Campaigning“ festgehalten.

Darin ermutigen sie die Parteien etwa zu dem Bekenntnis zu einem respektvollem Umgang miteinander sowie zu der Verpflichtung, keine irreführenden Inhalte, Hassrede oder Aufrufe zu Gewalt zu verbreiten. Zudem fordern die Organisation die Parteien auf, vollständig auf Social-Media-Kommunikation in geschlossenen Messenger-Gruppen zu verzichten und sämtliche Anzeigen, Posts und Werbebudgets transparent zu machen.

„Transparenz ist in diesem demokratischen Wettbewerb essentiell, damit sich politische Konkurrenten zu Themen positionieren, Lösungsvorschläge präsentieren und gegen mögliche Anschuldigungen wehren können“, heißt es in dem Papier.

Auch Mircotargeting sollten die Parteien nur begrenzt einsetzen, so D64. So sei es sinnvoll, Werbung nur in bestimmten Regionen auszuspielen oder sie auf bestimmte Altersgruppen zuschneiden zu können. Politische Onlinewerbung auf Basis von Daten, die Aufschluss über ganz persönliche Interessen und politische Einstellungen geben wie es das Datenanalyseunternehmen Cambridge Analytica im US-Wahlkampf 2016 tat, sollte jedoch unterlassen werden. Auch nicht gekennzeichnete Bots, Deep Fakes, Fake-Accounts, Astrosurfing (vorgetäuschte Massenbewegungen) oder der Kauf von Fans oder Follower:innen seien zu unterlassen.

Reaktion der Parteien

Und wie kam das bei den Parteien an? Zu einer gemeinsamen freiwilligen Selbstverpflichtung der Parteien zu den von D64 vorgeschlagenen Spielregeln kam es bis jetzt nicht. Sowohl die Grünen als auch die SPD haben ihre eigene Selbstverpflichtungen für einen fairen Bundestagswahlkampf veröffentlicht.

Vorgeprescht sind Mitte Mai zuerst die Grünen mit einem Kodex für einen fairen Wahlkampf insbesondere im Internet. Mitte Juni zog dann die SPD mit einem Acht-Punkte-Plan für einen fairen digitalen Wahlkampf nach. Darin heißt es zum Beispiel, dass „der bewussten Verbreitung von Falschmeldungen, gefälschten Zitaten und Lügen“ entgegengetreten werden soll. Bei Online-Wahlwerbung sollen die „hohen europäischen und deutschen Datenschutzstandards“ beachtet werden. Sowohl das Microtargeting der SPD als auch der Grünen werde auf Merkmalen wie Geschlecht, Ort, Alter und Interessen basieren.

Laut dem Redaktionsnetzwerk Deutschland wolle auch die Linke noch eine Selbstverpflichtung abgeben. CDU/CSU und FDP haben das nicht vor, sondern bekennen sich lediglich zu „fairen Wahlkampfregeln“. Ob die Parteien auch halten, was sie versprechen, werden die nächsten zweieinhalb Monate zeigen.

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