#BTW21: Was fordern die Verbände der digitalen Infrastruktur?
Nachdem wir bereits die Positionen von Bitkom, eco und BVDW betrachtet haben, setzen wir unsere Serie zur Bundestagswahl mit den Forderungen weiterer Verbände fort, die Unternehmen aus dem Bereich der digitalen Infrastruktur repräsentieren.
Wie beim Vergleich der Wahlprogramme deutlich geworden ist, unterstützen grundsätzlich alle relevanten Parteien das Ziel, die digitale Infrastruktur in den kommenden Jahren stark auszubauen – auch wenn sich ihre vorgeschlagenen Wege dorthin durchaus unterscheiden. Doch was wünschen sich eigentlich die entsprechenden Verbände von der nächsten Bundesregierung?
VATM: Bürokratieabbau und investitionsfreundliche Regeln für das Gigabit-Jahrzehnt
Die Verbesserung und Erweiterung der digitalen Netze ist auch das zentrale Anliegen des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), dem mehr als 100 Telekomunikations- und Multimediaunternehmen angehören. In seinem Positionspapier von Mitte Mai identifiziert der VATM mehrere Herausforderungen, die von der nächsten Bundesregierung angegangen werden sollten, damit „die Digitalisierung unseres Landes und der Gigabit-Ausbau deutlich effizienter“ vorangebracht werden können als bisher.
Vorrangig gehe es darum, die „letzten weißen Flecken“ auf Deutschlands digitaler Landkarte zu schließen und in allen Kommunen und Landkreisen schnelles Internet zu ermöglichen. Momentan seien nämlich „etwa 400.000 Haushalte oder gut eine Million Menschen noch völlig unzureichend versorgt.“ Dafür sei die „Optimierung und Entbürokratisierung des Gigabit-Ausbaus auf allen Verwaltungsebenen (Länder und Kommunen)“ notwendig. Für die schnelle Erweiterung des Breitbandnetzes braucht es aus Sicht des Verbands zudem eine „klare Fokussierung auf den eigenwirtschaftlichen Ausbau und künftige private Investitionsmöglichkeiten.“ Darüber hinaus sollten auch Übergangslösungen, z. B. durch funkgestützte Breitbandversorgung, in Betracht gezogen werden, bis eine flächendeckende Gigabit-Versorgung gewährleistet ist.
Drei Handlungsfelder für den Netzausbau
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, identifiziert der VATM drei wesentliche Handlungsfelder, auf denen die Politik aktiv werden sollte:
- Bürokratieabbau und Digitalisierung der Verwaltung: Verwaltungs- und Genehmigungsprozesse auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sollen weiter verschlankt und besser koordiniert, Behördenkompetenzen insgesamt gebündelt werden, „um mehr Genehmigungskilometer in kürzerer Zeit zu schaffen.“ Die Antrags- und Genehmigungsverfahren für den Festnetz- und Mobilfunkausbau sollen stärker digitalisiert und beizubringende Unterlagen standardisiert werden. Auch die allgemeine Einführung von E-Government-Diensten bis 2022 benötigt laut VATM erheblich mehr Anstrengungen durch Bund, Länder und Kommunen.
- Investitions- und wettbewerbsfreundliche Rahmenbedingungen: Durch die „Schaffung einer langfristigen und verlässlichen Perspektive“ beim Glasfaserausbau soll der vorhandene Mangel an Baukapazitäten und Fachkräften beseitigt werden. Der Daten- und Verbraucherschutz soll nicht gegen die Unternehmen maximiert, sondern im Dialog mit der Wirtschaft durch „sinnvolle Kompromisse“ optimiert werden. Zudem setzt sich der VATM für eine „faire Besteuerung digitaler Plattformen“ im Rahmen einer OECD-weiten Lösung ein.
- Förderung einer gleichmäßigen Ausbaugeschwindigkeit in Stadt und Land: Der Verband betont den Vorrang des eigenwirtschaftlichen Netzausbaus, der „deutlich schneller und günstiger“ sei. Nur dort, „wo der Ausbau wirklich unwirtschaftlich ist“, sei staatliche Förderung sinnvoll. Ein überarbeitetes Markterkundungsverfahren soll deshalb den Ausbau vor allem im ländlichen Bereich besser steuern. Bis zur Erschließung solcher Gebiete sollen den Menschen dort „schnell umsetzbare, funkgestützte Übergangslösungen“ bereitgestellt werden. Zudem regt der Verband eine ergänzende Nachfrageförderung in Form eines Gigabit-Vouchers in Höhe von 150 bis 500 Euro an, den die Bürger:innen erhalten sollen, die sich für einen Glasfaseranschluss entscheiden.
Darüber hinaus formuliert der VATM weitere konkrete Forderungen an die Politik – etwa nach einem „Digitalministerium mit Unterbau“, in dem die digitalpolitischen Kompetenzen ressortübergreifend gebündelt werden sollen. Oder nach einem „objektiv arbeitenden Justizministerium“, das alle Interessengruppen statt ausschließlich den Verbraucherschutz im Blick haben solle. Außerdem wird die Absenkung der hohen Staatsbeteiligung an der Deutschen Telekom gefordert:
„Zumindest sollte die Bundesregierung deutlich konsequenter als bisher dafür sorgen, dass die Deutsche Telekom sich nicht markt- und ausbauschädlich verhält.“
BREKO: Sieben Punkte für die beste digitale Infrastruktur
Unter dem Motto „Fiber for Future: Wie wir Deutschland mit der besten Infrastruktur nachhaltig digitalisieren“ hat auch der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) Anfang Juni ein Positionspapier zur Bundestagswahl veröffentlicht. Dem Verband, in dem fast 400 Festnetzwettbewerber organisiert sind, geht es dabei vor allem um „zukunftssichere Glasfasernetze bis in die Gebäude und Wohnungen.“ Die Weichen für eine flächendeckende Versorgung seien zwar gestellt, aber für noch mehr Tempo brauche es „neben realistischen Zielen neue Ideen und einen klaren Plan für die entscheidende Etappe des Ausbaus.“ BREKO fasst seine Vorstellungen dazu in sieben Punkten zusammen:
- Bedeutung des eigenwirtschaftlichen Ausbaus: Ähnlich wie der VATM betont BREKO den Vorrang des Netzausbaus durch die Unternehmen gegenüber staatlicher Unterstützung. „An fehlenden Finanzmitteln wird der Ausbau nicht scheitern. (…) Trotzdem setzt die Politik beim Ausbau weiter sehr stark und starr auf den Einsatz möglichst umfangreicher und breit gestreuter staatlicher Fördermittel.“ Doch wenn die Förderung nicht zielgerichtet eingesetzt werde, würde sie in Konkurrenz zum eigenwirtschaftlichen Ausbau „um die ohnehin schon knappen Kapazitäten im Tiefbau und für Genehmigungsverfahren“ treten, kritisiert der Verband. Die nächste Bundesregierung soll deshalb die Förderprogramme für den Glasfaserausbau auf die Gebiete konzentrieren, „die kein Unternehmen perspektivisch mit eigenen Finanzmitteln ausbauen wird.“ BREKO plädiert zudem für realistische Ausbauzeiträume statt nicht umsetzbarer Ankündigungen sowie für eine staatliche Glasfaser-Prämie für Haushalte und Unternehmen, um deren Nachfrage zu erhöhen.
- Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben vor Ort: Die im neuen Telekommunikationsmodernisierungsgesetz vorgesehenen Ansätze für einfache und digitale Genehmigungsverfahren seien zwar wichtig, letztlich würde aber die konsequente Anwendung der Regeln in den lokalen Verwaltungen über den Ausbauerfolg entscheiden. Die kommunalen Behörden sollten deshalb für ihre „Verantwortung für eine maximale Beschleunigung der Verwaltungsverfahren“ sensibilisiert werden.
- Keine staatlichen Ausbauverpflichtungen: BREKO betrachtet staatliche Versorgungs- und Ausbauverpflichtungen beim Glasfaserausbau nicht als geeignetes Mittel, um diesen zu beschleunigen. Im Gegensatz zum Mobilfunkausbau, wo es seit Jahren solche Auflagen berechtigterweise gebe, sei die Wettbewerbssituation beim Glasfaserausbau mit mehr als 200 konkurrierenden Telekommunikationsunternehmen eine völlig andere:„Es wäre geradezu grotesk, jetzt, wo der Glasfaserausbau in Zahlen messbar Fahrt aufgenommen hat und durch den Druck der Wettbewerber auch die Deutsche Telekom in den Glasfaserausbau investiert, einen Paradigmenwechsel vorzunehmen.“ Staatliche Verpflichtungen würden außerdem zu einem Ausbau führen, der nicht dem Bedarf der Bürger:innen entspreche, da durch den Mangel an Tiefbaukapazitäten und Fachkräften „nicht überall zur gleichen Zeit und im gleichen Tempo“ ausgebaut werden könne. Wie der VATM fordert auch BREKO hier Überganglösungen per Satellit oder Richtfunk für besonders schwer anzuschließende Gebiete.
- Mehr Ehrlichkeit und Transparenz beim Produkt „Glasfaser“: Vielen Verbraucher:innen würde durch irreführende Produkt-Bezeichnungen mancher Anbieter suggeriert, dass sie einen zukunftssicheren Glasfaseranschluss bekämen, obwohl das nicht der Fall sei. BREKO fordert deshalb: „Wo Glasfaser draufsteht, muss auch Glasfaser drin sein“ und setzt sich für die Einführung eines Glasfaser-Labels analog zum EU-Energielabel ein.
- Glasfaserausbau für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz: Da Glasfasernetze im laufenden Betrieb bis zu siebzehnmal weniger Energie als herkömmliche Kupfernetze verbrauchen würden, betrachtet BREKO sie als „Kernbestandteil einer energieeffizienten und nachhaltigen digitalen Infrastruktur“. Als „klimafreundlichste Art der Datenübertragung“ soll ihr Ausbau deshalb gestärkt werden.
- Ein Digitalministerium mit klarer Ausgestaltung: Der Verband reiht sich ein in die Riege der Unterstützer:innen eines neuen Ministeriums für die digitale Transformation. Es komme dabei allerdings auf eine „klare Zuweisung von Themen mit übergeordneter Bedeutung für alle Bereiche der Digitalisierung“ an. Die digitalen Kompetenzen sollten bei den einzelnen Fachministerien deshalb nicht herausgelöst werden, vielmehr könne ein Vetorecht des neuen Ministeriums bei zentralen Digitalthemen sinnvoll sein. Angeregt wird auch der Aufbau eines ergänzenden Think Tanks, der dem Ministerium zugeordnet würde. Zusätzlich schlägt BREKO vor, einen federführenden Ausschuss für Digitalpolitik im Bundestag einzurichten.
- Regionaler Glasfaserausbau als gelebte digitale Souveränität: Der Verband betont das Potenzial regionaler Glasfasernetze und sieht darin einen „Garant für die Verbesserung digitaler Souveränität in Deutschland“. Der beim Glasfaserausbau eingeschlagene Weg soll deshalb fortgesetzt werden und in Verbindung mit regionalen Rechenzentren für eine sichere und vernetzte Dateninfrastruktur sorgen.
Neben diesen digitalpolitische Feststellungen und Forderungen wirbt BREKO im Vorfeld der Bundestagswahl zudem mit seiner Initiative „Fiber for Future“ für das Potenzial digitaler Technologien. Zugleich bietet der Verband ein Wahlkampfbriefing zum Glasfaserausbau an und zeichnet Politiker:innen aus, „die bereits wichtige digitalpolitische Impulse in ihrer politischen Arbeit gesetzt haben.“
ANGA: Gegen einen Überbau von Netzen mit Steuergeld
Abschließend soll noch kurz auf den Breitbandverband ANGA eingegangen werden, der die Interessen von knapp 200 Unternehmen aus der deutschen Breitbandkabelbranche vertritt. ANGA hat bisher zwar kein Positionspapier zur Bundestagswahl vorgelegt, Anfang August bei Twitter aber die Pläne der Parteien kommentiert.
So bezieht der Verband klar Stellung gegenüber den Vorschlägen der CDU/CSU, bis 2025 fünfzehn Milliarden Euro für den Ausbau von Gigabit-Netzen bereitzustellen, und der SPD, die Versorgung aller Haushalte mit mindestens 1 Gbit/s durch Ausbau- und Versorgungsverpflichtungen zu erreichen. Wie auch die anderen Infrastrukturverbände spricht sich ANGA dabei für den Vorrang des eigenwirtschaftlichen Ausbaus von Gigabit-Netzen aus. Gebiete mit vorhandenen Gigabit-Netzen sollen außerdem „aus der Breitbandförderung ausgenommen werden, um den Überbau dieser Netze mit Steuergeldern zu verhindern.“
Dahinter steht offensichtlich die Befürchtung der Unternehmen, dass ihre Investitionen in die digitale Infrastruktur durch die Pläne der Parteien für mehr staatliche Förderung Konkurrenz bekommen und unrentabel werden könnten. Aber auch hier werden erst die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen nach der Wahl mehr Klarheit bringen.
Mehr Informationen:
Bitkom-Befragung: Was Startups sich von der nächsten Bundesregirung wünschen
BREKO: Das Positionspapier „Fiber for Future“