Breitbandausbau: Forderungen und Versprechen im Wahljahr

Veröffentlicht am 16.03.2017

Flächendeckender Breitbandausbau bis 2025“ – diese Ziel würden wohl fast alle Akteure unterschreiben. Doch bei den Details und den Rahmenbedingungen, die dafür nötig sind, gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Das wurde beim Wahlcheck des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) am 8. März in Berlin deutlich.

Einen Tag hat zuvor hatte der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt (CSU), den Beschluss der Netzallianz für eine „Zukunftsoffensive Gigabit-Deutschland“ verkündet. Das 17-seitige Papier fasst den Stand der Bemühungen für den Breitbandausbau zusammen und formuliert das Ziel,

„dass die Unternehmen mit Unterstützung des Bundes im Zeitraum 2014 bis 2023 100 Milliarden Euro in den Netzausbau investieren, um bis 2025 gigabitfähige konvergente Netze zu realisieren.“

Die Förderkulisse soll dafür so ausgestattet werden, dass der Aufbau gigabitfähiger konvergenter Netze substantiell unterstützt werden kann.

„Das BMVI strebt daher an, die Investitionen des Bundes in die digitale Infrastruktur ab dem Jahr 2018 bei 10 Prozent der Bundesnettoinvestitionen zu verstetigen. Dies bedeutet konkret die Bereitstellung von Bundesfördermitteln in Höhe von 3 Mrd. Euro pro Jahr ab 2018.“

Die Höhe der Förderung war beim VATM auch kein Streitpunkt. Was aber genau gefördert wird und die praktische Umsetzung der Förderprogramme wurde auf der Bühne und aus dem Publikum kritisiert.

Mit Kupfer in die Steinzeit

Die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), Katharina Reiche, bedauerte, dass bei der Förderung in dieser Legislaturperiode der Schwerpunkt auf Kupfer gelegen habe:

„Wer heute auf Kupfer setzt, der landet digital in der Steinzeit.“

Dirk Binding, der Leiter des Bereichs Dienstleistungen, Infrastruktur und Regionalpolitik des Deutschen Industrie- und Handelskammertages kritisierte, dass beim Sonderprogramm Gewerbegebiete noch zu viele Fragen offen seien. Das erschwere es, Unternehmen zusammenzubringen, um sich an der Investition zu beteiligen. Beispielsweise sehe das das Programm vor, dass 80 Prozent in einem Fördergebiet sich mit jeweils 2.000 Euro beteiligen müsse. Die Frage, was bei 40 Prozent und 4.000 Euro passiere, sei noch nicht beantwortet.

Während Einigkeit darüber besteht, das alleine schon für den Mobilfunkstandard 5G der Glasfaserausbau bis weit in die Fläche hinein notwendig ist, wurden unterschiedliche Ansichten dazu deutlich, ob jedes Gebäude in den nächsten Jahren einen Glasfaseranschluss bekommen kann. Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, benannte FTTB in „Fiber to the Bauer“ um und forderte einen direkten Anschluss der Höfe.

90 oder 100 Prozent?

Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, erklärte, er sei skeptisch, wenn jemand den 100-prozentigen Ausbau bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode verspreche „In unserem Wahlprogramm werden 90 Prozent stehen.“ Das sieht auch das Impulspapier der Programmkommission aus dem November 2016 vor. Darin heißt es:

„Unser Ziel muss ein Gigabitnetz sein. Primär muss jetzt in Glasfasernetze investiert werden. Ziel ist es, dass mehr als 90 Prozent der Gebäude bis 2025 mit Glasfasernetzen versorgt sind.“

Der ehemalige Telekom-Chef Rene Obermann und jetzige Partner des Finanzinvestors Warburg Pincus sagte dazu:

„Man kann über 90 Prozent oder 100 Prozent trefflich streiten, am Ende gehört Glasfaser aber überall hin. Davon bin ich überzeugt.“

Obermann sagte, entscheidend für den Netzausbau seien die Rahmenbedingungen für Investoren. Sie müssten zum Beispiel wissen, ob sie eine neue Preisregulierung erwarte.

„Ich kann nur dringend dazu raten, bei der Regulierung nicht nur auf die Verbraucherpreise zu achten, sondern auch auf die Infrastruktur“, so Obermann.

Forderung nach Telekom-Privatisierung

FDP und Grüne fordern, den restlichen Anteil des Bundes an der Telekom zu privatisieren und die Einnahmen in den Breitbandausbau zu investieren. Im Entwurf des Bundestagswahlprogramms von Bündnis 90/Die Grünen, das am 10. März vorgestellt wurde, heißt es dazu:

„Der Stillstand im Bund beim Breitbandausbau steht sinnbildlich für das digitalpolitische Versagen der Großen Koalition. Noch immer gibt es zu viele ‚weiße Flecken‘. Das wollen wir ändern. Wir wollen einen zukunftsfähigen und umfassenden Breitbandausbau auf der Basis von Glasfaser. Dafür widmen wir die Telekom-Aktien im Wert von rund zehn Milliarden Euro im Bundesbesitz um und investieren sie in den Breitbandausbau.“

Der SPD-Politiker Klingbeil lehnte das ab. Man müsse die Frage auch unter dem Aspekt der IT-Sicherheit und der Sicherheit Kritischer Infrastruktur diskutieren. „Da gibt es verschiedene Argumente, die sagen, man darf die staatlichen Anteile bei der Telekom nicht verkaufen.“ Sein Abgeordnetenkollege Dr. Andreas Nick aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sagte, er sei grundsätzlicher privatisierungsfreundlicher als Klingbeil, er halte es aber für zu einfach, wenn man meine, mit der Privatisierung Probleme beim Breitbandausbau zu lösen.

Beide Abgeordneten räumten ein, dass das Verhalten der Telekom für den Netzausbau nicht immer förderlich sei. Klingbeil berichtete von Blockaden in seinem Wahlkreis. Nick sagte:

„Es ist unsere Aufgabe, uns nicht immer von diesem Unternehmen erzählen zu lassen, dass die Interessen dieses Unternehmens gleichbedeutend sind mit dem Gemeinwohl der Bundesrepublik Deutschland“.

Man müsse sich die Frage stellen, ob der Regulierungsrahmen passe.

Grüne zum Breitbandausbau

Im Programm der Grünen ist der Breitbandausbau eines von drei Projekten im Kapitel „Wir machen das Internet frei und sicher“. Unter der Überschrift „Schnelles Internet für alle – Glasfaser ausbauen“ heißt es im Entwurf:

„Wir wollen, dass schnelles Internet in jedem Stadtviertel, jeder Gemeinde und jedem Dorf Standard ist. Dafür werden wir die Breitbandversorgung überall in Deutschland verbessern und die Glasfaserkabel ausbauen – von der Banken-City bis zu jedem Bauernhof.“

Beim Investieren der Einnahmen aus dem Verkauf der Telekom-Aktien stehe der Ausbau von Leerrohren als Basis für die Glasfaserkabel im Vordergrund. „Um Wettbewerb zu sichern, können sowohl Kommunen als auch Unternehmen die Leitungen legen und die Netze betreiben.“

Wenig Internet im AfD-Programm

Fast alle Parteien mit Ausnahme der CDU haben inzwischen Programmentwürfe oder umfangreiche Vorarbeiten veröffentlicht. Am 7. März hat die Programmkommission der AfD ihren Leitantrag für den Bundesparteitag vorgelegt. Darin kommen weder die Worte Breitbandausbau noch Digitalisierung vor. Das Internet wird nur an drei Stellen erwähnt: Bei der Forderung, „der Abmahnindustrie, die das Urheberrecht missbraucht“, einen Riegel vorzuschieben. Außerdem heißt es unter der Überschrift „Das Internet als Ort der freien Meinungsäußerung erhalten“: Das Internet als Medium der Kommunikation, Information und freien Meinungsäußerung darf abseits der Verfolgung von Straftaten keinerlei Beschränkung und Zensur unterliegen.“ Die dritte Nennung des Internets erfolgt auf der letzten Seite des Entwurfs – vor dem Link zur Webpräsenz der AfD.

Breitbandausbau bei Linken und FDP

Im Programmentwurf der Linken aus dem Januar schreiben die beiden Bundesvorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger:

„Die Linke setzt sich dafür ein, dass jeder Haushalt ein Anrecht auf einen bezahlbaren, schnellen Breitband-Internetanschluss hat.“

Im Entwurf zum fachlichen Teil des Bundeswahlprogramms spricht sich die FDP für ein flächendeckendes Glasfasernetz aus. Glasfaser übertrage deutlich schneller Daten als Kupferkabel. Der Ausbau der Kupferkabelnetze durch Vectoring habe den Nachteil, dass alle anderen Anbieter verdrängt werden. Wettbewerb findet nicht mehr statt. Die Liberalen fordern, dass der Ausbau des Glasfasernetzes in Regions-Clustern ausgeschrieben werden soll,

„sodass ein Ausbau auch im ländlichen Raum attraktiv ist. Alle Provider müssen Kapazitäten auf neuen Glasfaserleitungen mieten können. Dies ermöglicht echten Wettbewerb bis an die Grundstücke bei gleichzeitiger Refinanzierung über die kommenden Jahrzehnte.“

Beim Wahl-Check des VATM appellierte Verbandspräsident Martin Witt, der zugleich Vorstandsvorsitzender von 1&1 ist, an die Politik, sich mit Festlegung der künftigen Politik zum Breitbandausbau nicht lange Zeit zu lassen:

„Wir sind auf gutem Wege, die Ausbauziele bis 2018 zu erreichen. Wir können mit den neuen Zielen nicht bis 2018 warten.“

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Sascha Klettke ist Chef vom Dienst und Analyst für Netzpolitik.

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