Breitband-Ausbau: Monopolkommission skizziert Regulierungsrahmen
Auch ohne gewählte Regierung gibt es staatliche Institutionen, die in der Lage sind, umfangreiche Papiere zu Regulierungsthemen zu verfassen. Das haben die Monopolkommission und die Bundesnetzagentur jetzt bewiesen: Die Monopolkommission hat auf 96 Seiten ihr Sondergutachten 78 „Telekommunikation 2017: Auf Wettbewerb bauen!“ vorgelegt. 271 Seiten stark ist der „Tätigkeitbericht Telekommunikation“ der Bundesnetzagentur (BNetzA) für die Jahre 2016/17. Beide Berichte enthalten eine Übersicht über den deutschen Telekommunikationsmarkt. Die Monopolkommission macht dazu zahlreiche Empfehlungen zur Regulierung – sowohl zu Regulierungsschritten, die sie begrüßt als auch zu solchen, die sie ablehnt.
Starkes Stadt-Land-Gefälle beim Breitbandausbau
Die Bundesnetzagentur liefert in ihrem Jahresbericht den „Kontoauszug“ für die Umsetzung des 50 Mbit/s-Ziels der Digitalen Agenda der vergangenen Legislaturperiode: Mitte 2017 waren in 76,9 Prozent der Haushalte 50 Mbit/s oder mehr verfügbar. Die BNetzA stellt ein deutliches Stadt-Land-Gefälle fest. In Städten lag die Verfügbarkeit zur Jahresmitte bei 90 Prozent, in halbstädtischen Gebieten bei 68 Prozent – dagegen waren es in ländlichen Räumen nur 36 Prozent. Bei höheren Bandbreiten ist das Gefälle noch deutlicher: In Städten waren Ende 2016 in 65 Prozent der Haushalte Internet-Anschlüsse mit mehr als 100 Mbit/s verfügbar – auf dem Land waren es dagegen nur 16 Prozent.
Als Grund für die Unterschiede zwischen Stadt und Land nennt die BNetzA
„regional divergierende Ausbaukosten in den unterschiedlich dicht besiedelten Regionen. Insbesondere im ländlichen Raum erweist sich der Ausbau aufgrund deutlich höherer Kosten pro Anschluss als wirtschaftlich herausfordernd für die Unternehmen.“
Die Monopolkommission hat die Investitionen in Sachanlagen im Jahr 2016 ausgewertet: Größter Investor war die Deutsche Telekom mit 4,4 Milliarden Euro – eine Milliarde mehr als 2014. Die Telekom überholte damit die alternativen Anbieter. Deren Investitionen gingen gegenüber 2014 um 0,3 Milliarden zurück auf 3,8 Milliarden, davon entfielen 1,07 Milliarden Euro auf die Kabelnetzbetreiber.
Nach Ansicht der Monopolkommission kommt der sektorspezifischen Regulierung beim Gigabitausbau eine erhebliche Bedeutung für die Investitionsentscheidungen von Unternehmen zu. Die Kommission begrüßt den Dialog der BNetzA mit den Marktteilnehmern über die Ausgestaltung der Zugangs- und Entgeltregulierung von Glasfaserinfrastrukturen. Da das Marktanalyseverfahren der BNetzA noch nicht abgeschlossen sei, könne man noch nicht abschließend beurteilen,
„ob es einer Zugangs- und Entgeltregulierung bei FTTB/H-Netzen bedarf und wie diese gegebenfalls auszugestalten wäre.“
„Nachbildbarkeitsansatz“ bei der Entgeltregulierung
Einen Vorschlag dazu macht die Monopolkommission aber bereits. Als Möglichkeit, die Rentabilität riskanter Investitionen durch eine Flexibilisierung der Zugangs- und Entgeltregulierung zu verbessern, nennt sie eine Umstellung der Berechnungen bei den Zugangsentgelten. Statt der kostenbasierten Variante empfiehlt die Kommission den „Nachbildbarkeitsansatz auf Basis sich am Markt bildender im Zeitverlauf möglicherweise schwankender Endkundenpreise.“ Voraussetzung dafür wäre ein Schutz vor „missbräuchlich überhöhten Endkundenpreisen.“ Dieser könnte durch den Druck des Marktes erfolgen. Wenn der Wettbewerb regional unzureichend sei, könne die behördliche Preismissbrauchskontrolle greifen.
Die Monopolkommission hält Kooperationen und Wholesale-Only-Geschäftsmodelle für grundsätzlich geeignet, um den Gigabit-Ausbau zu beschleunigen. Bei Ko-Investitionsmodellen sollen ihrer Meinung nach Anbieter mit beträchtlicher Marktmacht von der Regulierung der in Kooperation errichteten Netze befreit werden, wenn sie interessierten Unternehmen ein Kooperationsangebot zu angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen unterbreiten. Es bestehe allerdings die Gefahr einer Schwächung des Infrastrukturwettbewerbs, wenn der weitere Netzausbau ausbleibe, obwohl dies ohne Kooperation wirtschaftlich möglich wäre. Es müsse darauf geachtet werden, dass Dritten ein diskriminierungsfreier Zugang zu den in Kooperation errichteten Netzen gewährt wird. Außerdem dürften kooperierende Unternehmen sich nicht über Endkundenangebote austauschen.
Whole-Sale erleichtern
Auch Whole-Sale-Only-Modelle sollten nach Ansicht der Kommission durch Regulierungserleichterungen attraktiver gemacht werden. Anbietern mit beträchtlicher Macht auf dem Vorleistungsmarkt sollten zwar Zugangsverpflichtungen auferlegt werden, aber nicht der kostenorientierten Entgeltregulierung unterliegen.
Ablehnend stehen die Kommissionsmitglieder auch Vorschlägen gegenüber, nach denen die Zusagen von Unternehmen zu Ausbauvorhaben verbindlicher gemacht und deren Nicht-Einhaltung sanktioniert werden soll. Zuerst sollten die bisher getroffenen Maßnahmen ihre Wirkung entfalten können, bevor eingriffsintensivere Schritte eingeleitet werden. Auch zur Vergabe von Konzessionen und dem damit verbundenen temporären Ausschluss von Wettbewerb auf der Infrastrukturebene gebe es Alternativen, die weniger stark eingreifen.
Warnung vor zu hoher Förderung
Nicht nur mit der Regulierung beschäftigt sich die Monopolkommission, sondern auch mit der staatlichen Förderung des Breitbandausbaus. Sie warnt vor den möglichen Folgen einer deutlichen Ausweitung der Fördersumme. Die könne die Planungsressourcen in den Unternehmen und die vorhandenen Kapazitäten auf den Märkten für Bauleistungen überfordern. Auch um Mitnahmeeffekte und die Verdrängung privatwirtschaftlicher Investitionen zu vermeiden, sollte die staatliche Förderung „bedarfsorientiert und mit Sicht auf die Ressourcen erfolgen“, so die Kommission in ihrem Sondergutachten.
Positiv sieht die Kommission nachfrageorientierte Instrumente bei der Breitbandförderung. So könnten kleinere und mittlere Unternehmen sowie „sozioökonomisch wichtige Einrichtungen“ zeitlich befristete Gutscheine für Gigabit-Anschlüsse bekommen. Diese sollten einen Teil der einmalig anfallenden Kosten für den Anschluss decken.
Die Monopolkommission wiederholt im Gutachten ihre seit langem bestehende Forderung, dass der Bund seine Anteile an der Deutschen Telekom veräußern soll. So würde die „problematische Doppelrolle des Staates als Regulierer und Anteilseigner beendet.“
5G-Frequenzvergabe
Die Vergabe der Frequenzen für 5G rückt näher. Die BNetzA bereitet zur Zeit eine Entscheidung der Präsidentenkammer an. Eine Anhörung dazu ist für Anfang 2018 vorgesehen, heißt es im Tätigkeitsbericht. Die Frequenzen sollen dann im Laufe des Jahres 2018 bereitgestellt werden. Nach diesem Zeitplan würde die Entscheidung fallen, ohne dass die neue Bundesregierung den Prozess politisch begleiten kann.
Die Monopolkommission spricht sich dafür aus, dass die Frequenzen versteigert werden, wenn der Bedarf das Angebot übersteigt. Eine eher finanztechnische Forderung der Kommission für die Auktion dürfte ganz im Sinne der Netzbetreiber sein:
„Der Fälligkeitszeitpunkt der Zahlungen sollte an die tatsächliche Verfügbarkeit der Frequenzen angeglichen werden.“
Bei früheren Versteigerungen wurden die Milliardensummen direkt nach dem Zuschlag fällig, was für die Telekommunikationskonzerne einen erheblichen Aufwand und hohe Kosten für die Finanzierung zur Folge hatte.
Verpflichtung zu diskriminierungsfreiem Zugang
Die Kommission referiert in ihrem Sondergutachten Vorschläge, „die Vergabe der Frequenzen an die Verpflichtung zu knüpfen, Anbietern von Telekommunikationsdienstleitungen […] und virtuellen Netzbetreibern (MVNO) Vorleistungsprodukte zu Großhandelskonditionen diskriminierungsfrei, d.h. zu den gleichen Konditionen wie dem eigenen Vertrieb anzubieten. Anbieter ohne eigenes Mobilfunknetz sollen so in die Lage versetzt werden, ihren Endkunden Mobilfunkdienste im eigenen Namen und auf eigene Rechnung anbieten zu können.“ Im Sondergutachten schreiben die Kommissionsmitglieder, dass sie dagegen keine durchgreifenden verfassungs- und frequenzrechtlichen Bedenken haben. Eine solche Verpflichtung leiste einen wichtigen Beitrag zu einem funktionsfähigen Wettbewerb, „indem sie das Verbraucherinteresse in Bezug auf Auswahl, Preise und Qualität von Mobilfunkprodukten fördern“.
Lockerung der Vorschriften zur Netzneutralität
Die Monopolkommission steht Zero-Rating-Tarifen im Mobilfunk offen gegenüber. Dabei wird der Datenverbrauch für bestimmte Audio- und Video-Streaming-Dienste nicht auf das vertragliche vereinbarte Datenvolumen des Kunden angerechnet. Die Kommission spricht sich dafür aus, dass die „strengen Regelungen der Netzneutralitäts-Verordnung zur Zulässigkeit von Verkehrsmanagementmaßnahmen“ gelockert werden. Hintergrund sind Tarifvarianten in „Stream on“, dem Zero-Rating-Tarif der Telekom, bei denen die Bandbreite des Videostreams und damit die Auflösung reduziert wird. „Es zeichnet sich ab, dass die Bundesnetzagentur die Bandbreitenreduzierung im vorliegenden Fall beanstandet“, so die Kommission. Ihrer Auffassung nach lassen die Vorgaben der EU-Verordnung kaum eine andere Entscheidung zu. Solche Maßnahmen dienten aber auch dazu, Netzüberlastungen zu vermeiden, „ohne die Interessen der Nutzer oder die Entwicklung des sog. ‚Best-Effort-Internet‘ zu beeinträchtigen“. Deshalb hält die Kommission die Änderung der Regelungen für sinnvoll.
Mitglieder der Monopolkommission
Mitglieder der von der Bundesregierung berufenen und vom Bundespräsidenten ernannten Monopolkommission sind der Präsident des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Prof. Achim Wambach (Vorsitzender), der Jurist Prof. Jürgen Kühling, die Unternehmerin Dagmar Kollmann, Dr. Thomas Nöcher, Vorstandsmitglied bei K+S und die Unternehmerin Dr. Angelika Westerwelle von der LANAX Management GmbH.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Sascha Klettke ist Chef vom Dienst und Analyst für Netzpolitik.