Bildungsschranken öffnen – mehr Freiheit für Lehrmittel
Ein Laptop pro Schüler oder Schülerin – diese Idee kursierte lange in den Debatten der Netz- und Medienpolitiker und hat es nun doch nicht in den Koalitionsvertrag geschafft. In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD stehen nun Formulierungen wie „digitale Lehrmittelfreiheit“, „Open-Access-Politik“ und „Profilschulen IT/Digital mit dem Schwerpunktprofil Informatik“. Die Große Koalition will also die große Chance der Digitalisierung nutzen und hierfür endlich die Türen aller Schulen öffnen.
Offene Standards bei den Lehrmaterialien werden angestrebt
Mit der Digitalisierung bei den Lehrmitteln anzusetzen ist durchaus keine schlechte Idee – gäbe es ein entsprechend bildungs- und forschungsfreundliches Urheberrecht. Damit Schüler und Lehrkräfte die Inhalte überhaupt in der angedachten Weise für den Unterricht nutzen können, müssten diese in digitaler Form im Netz frei verfügbar sein. Wenn das Prinzip Open Access ernsthaft umgesetzt werden soll, müssten Unterlagen auch frei zum Bearbeiten, Kombinieren und Austauschen sein. Daran will die zukünftige Bundesregierung nun arbeiten, erklärt sie im Koalitionsvertrag: „Schulbücher und Lehrmaterial auch an Hochschulen sollen, soweit möglich, freizugänglich sein, die Verwendung freier Lizenzen und Formate ausgebaut werden.“ Bezüglich des Urheberrechts wird im Koalitionspapier nicht näher definiert, wie dies konkret umgesetzt werden soll. Nur die Einführung einer „Bildungs- und Wissenschaftsschranke“ wird angekündigt und lässt viel Raum für Ausnahmen, Spekulation und Interpretation.
Es müsste vor allem geregelt werden, wie häufig digitale Inhalte kopiert und verbreitet werden dürfen und in welchem Umfang die Ausbildungseinrichtungen diese nutzen könnten. Bereits seit 2004 fordert das Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft”, dass in einer digitalisierten und vernetzten Informationsgesellschaft der Zugang zur weltweiten Information für alle zu jeder Zeit von jedem Ort für Zwecke der Bildung und Wissenschaft sichergestellt werden soll. Vor diesem Hintergrund macht der Koalitionsvertrag einen doch eher zurückhaltenden Eindruck. Die meisten bisherigen Angebote digitaler Unterrichtsmaterialien sind entweder nicht unter freier Lizenz verfügbar oder nur gegen Bezahlung erhältlich. Freie Lizenzen und freie Formate würden jedoch den Wettbewerb und die Qualität der Lehrmittel verbessern, meint der bekannte Urheberrechtsexperte und Juniorprofessor an der FU Berlin, Leonhard Dobusch, und fordert eine Reform der Finanzierung und Auftragsvergabe in diesem Bereich.
Profilschulen mit IT-Schwerpunkt sollen eingeführt werden
Auf Zusammenarbeit mit den Bundesländern angewiesen wäre man bei einem weiteren progressiven Vorschlag der Koalitionäre, nämlich „Profilschulen IT/Digital mit dem Schwerpunktprofil Informatik“ einzuführen. Laut Koalitionsvereinbarung sollten sich diese an den Eliteschulen mit dem Schwerpunkt Sport orientieren. Dafür sei die Zusammenarbeit mit Hochschulen oder Forschungseinrichtungen sowie gegebenenfalls privaten Partnern „obligatorisch“. Eine solche Schule würde neben Informatik-Unterricht auch den sicheren Umgang mit dem Internet in den Fokus rücken. Zusätzlich hätten die Lehrenden selbst die Möglichkeit an Fortbildungen teilzunehmen. Derartige Angebote für Kinder und Jugendliche, um sich sicher im Netz zu bewegen, gibt es auf freiwilliger Basis bereits jetzt, etwa das Portal fragFinn oder, auch generationenübergreifend, Deutschland sicher im Netz.
Die Entwicklung braucht noch Zeit
Wie schnell dieser Punkt im Koalitionsvertrag auf die tagesaktuelle Agenda kommt, ist noch unsicher. Da Bildung nach der Föderalismusreform noch immer Ländersache ist, wird man an dieser Stelle mit den Bundesländern kooperieren müssen. Das ist erfahrungsgemäß eine etwas längere Angelegenheit. Bevor also alle Schüler hinter dem Türchen ihres Adventskalenders einen Laptop finden, werden noch viele Schuljahre vergehen. Und solange das Urheberrecht noch nicht bildungsfreundlicher reformiert wurde, ist das vielleicht auch besser so.