Bildung der Zukunft muss aktivieren: Selber tüfteln statt nachbeten bringt den Erfolg
Vierter Tag der Basecamp Themenwoche „Deutschland 2025: Wie digital wird unsere Gesellschaft?“: Es geht beim Kitchen Talk um etwas, zu dem alle was sagen können, denn alle haben sie genossen oder erlitten: die Bildung. „Von der Steinzeit zur Neuzeit: Wie lernen und lehren wir in der Zukunft?“ ist das Thema am rotweiß-karierten Küchentisch, das auch online verfolgt werden kann. Wie wichtig dabei die digitale Variante des Lernens und Lehrens geworden ist, das haben die meisten in den Monaten der Pandemie in der eigenen Familie gemerkt.
Nach der langen Zeit von Lockdown und reinen Online-Veranstaltungen will die Themenwoche wieder Leben in den Debattenraum BASECAMP bringen, sagte Philippe Gröschel, Leiter der Politik-Abteilung von Telefónica und des BASECAMP. Und weil am Küchentisch doch die intensivsten Gespräche geführt würden, eigne sich das Format „Kitchen Talk“ am besten für eine Frage, bei der es in Deutschland schließlich 83 Millionen Expert:innen gebe, meinte Moderator Björn Schreiber, Geschäftsführer des Landesverbands Medienbildung Brandenburg.
Zu Tisch werden die Gäste nach einem kurzen Vortrag des Neurowissenschaftlers und Autors Dr. Henning Beck gebeten. Beck redet über das Gehirn und wie es lernt. Jedenfalls nicht durch Nachplappern und Wiederholen, führt der Wissenschaftler aus, sondern durch Herausforderung und eigene Anstrengungen, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Deshalb empfiehlt er die Mathestunde eher zu einem Experiment oder Quiz zu machen als zu einem öden auf die Tafel Starren. Eine Fortbildung für Steuerexpert:innen zur Geldwäsche kann die Leute zwei Tage lang mit Paragraphen überschütten, oder sie auffordern, in die Rolle des Mafia-Bosses zu schlüpfen und nach Löchern und Tricks im Steuersystem zu suchen.
Mögen das manche am Anfang für Zeitverschwendung halten, räumt Beck ein, so zeige der Lernerfolg doch, dass Neugier und selbst nach Lösungen zu suchen, zu verstehen statt nachzumachen, sehr viel dauerhaftere Lerneffekte bringe als der alte Frontalunterricht. „Aktivierung“ heißt das Zauberwort des Neurowissenschaftlers Beck für alle Pädagog:innen, denn
„Wissen ist nicht wie ein Sack, den ich von A nach B stellen kann“. Wissen entsteht durch Ausprobieren.
Nicolas Colsman, Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH „Zukunft Digitale Bildung“, die kreative Lehrer:innen unterstützen will, bringt es auf die Formel: Lehrende sollen nicht mehr die „Frontalmenschen“ sein, sondern Lernbegleiter:innen werden und Kinder „auch emotional auf der Bildungsreise begleiten“. Da sei es schlecht, wenn sie von digitalen Welten wie TikTok oder Instagram noch nie gehört hätten.
Manuela Mohr, Geschäftsführerin des „Digital Sparks Education Innovation Lab“, das die Schüler:innen in den Mittelpunkt der Aktivitäten stellt, empfiehlt, die Lernumgebungen für die Kinder und Jugendlichen genauer anzuschauen und zu überdenken, welche Fähigkeiten und Kompetenzen in der Schule wirklich vermittelt werden sollen. Für sie ist eine „Entschlackung“ der Lehrpläne eine dringliche Aufgabe. Die Gesellschaft habe sich grundlegend verändert, aber das Bildungssystem stecke noch „in den Zeiten der Industrialisierung“ fest. Ihre Traumschule sei ein bisschen wie Harry Potters Hogwards: Lernen um anzuwenden, ausprobieren um zu verstehen.
Den Blick auf die Hochschulen richtet Gerald Lach, Geschäftsführer von Mathplan, einer universitären Ausgründung für die Organisation von Hochschulunterricht. Die Pandemie habe zwar gezeigt, dass die Digitalisierung an den Hochschulen oft schon weiter fortgeschritten sei, als erwartet. Doch die „Change-Prozesse“ stießen nicht bei allen Dozent:innen „auf große Gegenliebe“, ein Ausdruck, für den er von den anderen am Tisch leises Gelächter und das Lob für eine „höfliche Umschreibung“ erntet.
„Haben wir nicht einen Pseudo-Konsens über die Veränderung in der Bildung?“,
fragt Schreiber. Alle seien sich einig, dass sich was verändern muss, aber nicht, was und wie. Was Mohr und Colsman wieder zu der grundlegenden Frage zurückbringt, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Das müsse vor der Zielformulierung der künftigen Bildung geklärt werden. Und was sind die Themen, die Schüler:innen motivieren? Frage man sie, dann kämen durchaus ähnliche Probleme, wie sie auch im Lehrplan vorhanden seien, aber modernisiert werden müssten: Globale Ziele wie Nachhaltigkeit, Künstliche Intelligenz und Geschlechteridentität.
Impressionen von der Veranstaltung
Das Problem seien aber nicht nur die Inhalte, erklärt Lach, sondern auch die Ausstattung, etwa, wenn eine Schule zwar haufenweise Laptops habe, aber keinen Administrator, der sich um alles kümmern kann. Außerdem sei der Föderalismus, die Schul-Hoheit der Länder, ein echter Hemmschuh bei einer nationalen und auch globalen Digitalisierung des Lernens: Überall andere Systeme und Software, wenig gemeinsame Grundlage und dadurch zu wenig länderübergreifender Austausch.
Zu mehr fächerübergreifendem Lernen rät Colsman an der Schule und an der Hochschule. Das sei allerdings aufwändiger zu organisieren. Mehr Kompetenz für die einzelnen Schulen, weniger Politiker-Einmischung, eigene Budgets und damit auch mehr Verantwortung für Schulexperimente steht außerdem auf der Liste der guten Ratschläge. „Eine gute Idee schafft es meistens nicht mal in den Nachbar-Klassenraum“, gehemmt durch Regeln und Vorschriften, klagte Colsman.
Dabei müsse das Ziel für alle doch sein:
„Die Schule ist der coolste Ort am Platz!“