Big Data: Maas fordert Regulierung von Algorithmen
Mit einer Rede zur Wirkung von Algorithmen hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) für Verwirrung gesorgt und heftige Kritik bei den Verbänden der Digitalwirtschaft ausgelöst. Unklar blieb, wie weit die Forderungen des Ministers nach einer staatlichen Kontrolle von Algorithmen gehen. Im Redemanuskript, über das „Spiegel Online“ vorab berichtet hatte, war „von einer behördlichen Kontrolle, um die Funktionsweise, Grundlagen und Folgen von Algorithmen überprüfen zu können“ die Rede. Das gesprochene Wort war dann deutlich weniger konkret:
„Deshalb brauchen wir mehr Transparenz von Algorithmen. Wir brauchen auch eine Rechtsdurchsetzung, Aufsicht und die Kontrolle von Transparenz.“
Maas eröffnete mit seiner Ansprache eine Veranstaltung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) mit dem Titel „Zusammenleben in der digitalen Gesellschaft – Teilhabe ermöglichen, Sicherheit gewährleisten, Freiheit bewahren“ am 3. Juli. Der Minister schilderte zunächst zahlreiche Beispiele, wie Daten erhoben und verwendet werden – vor allem in Frageform. Zwei Beispiele:
„Wer rechnet damit, dass selbst der Rhythmus, mit dem wir eine Tastatur bedienen, Auskunft geben kann, in welcher Konsumlaune wir sind? Und wer ahnt schon, dass die Fotos, die man auf Instagram veröffentlicht, zur Kalkulation unseres Gemütszustandes ausgewertet werden können?“
Dann beschreibt Maas mögliche Diskriminierungen durch die Analyse von Daten:
„Wenn diese Big Data ausgewertet werden, kann es schnell Gewinner und Verlierer geben: Wenn soziale oder wirtschaftliche Scoring-Verfahren eingesetzt werden, kann die gefährliche Gleichung lauten: Positive Daten bedeuten Vorteile und Teilhabe – negative Daten Nachteile und Ausgrenzung.“
Er kritisiert, dass Scoring-Verfahren Menschen auf ihre Vergangenheit reduzieren und so wichtige Chancen in der Zukunft verbauen könnten. Sein gesetzgeberischer Vorschlag:
„Ich glaube, ein digitales AGG, ein digitales Antidiskriminierungsgesetz, könnte hilfreich sein – gegen digitale Diskriminierung und für vorurteilsfreies Programmieren.“
In einer Diskussion nach der Rede forderte Maas ein „Recht auf eine anloge Welt“. „Gerade im häuslichen Umfeld muss doch jeder den Grad und Zeitpunkt der Digitalisierung selbst bestimmen können.“ In der Rede selbst hatte er erklärt, dass wenn z.B. die Bonität anhand von Posts bei Facebook und den „Freunden“ dort bewertet werde, könne die Abwesenheit eines Facebook-Profils schnell zu einer ökonomischen Diskriminierung führen. Der Justizminister beschreibt das Phänomen von „Echokammer“ und „Filter-Blase“.
„Es ist ja nicht so, dass in der analogen Welt die Menschen immer parallel die FAZ und das ‚Neue Deutschland‘ lesen, um ihren Horizont zu weiten. Aber der Unterschied ist, dass in der analogen Welt die Ausrichtungen dieser Blätter transparent sind und die Entscheidungen für das eine oder das andere Medium bewusst und selbstbestimmt getroffen werden.“
Wenn aber unter dem Mantel der technischen Neutralität und Objektivität Trefferlisten und die Anzeige von Nachrichten und Postings politisch manipuliert würden, dann bleibe die demokratische Selbstbestimmung auf der Strecke. Nach Ansicht von Maas wäre ein Transparenzgebot für Algorithmen hilfreich,
• „damit Nutzerinnen und Nutzer verlässlich einschätzen können, ob das Netz versucht, sie zu beeinflussen,
• und damit sie selbstbestimmt entscheiden können, welche Filter und Personalisierungen sie in der digitalen Welt akzeptieren wollen und welche nicht.“
IT -Sicherheit
Heiko Maas ging in einem kurzen Schlenker seiner Rede auf das Thema Cybersicherheit ein:
„Um europaweit geltende Vorschriften zur IT-Sicherheit, die verpflichtende Mindestanforderungen definieren, werden wir nicht herumkommen.“
Nur im Konjunktiv äußerte er sich zu einem freiwilligen Gütesiegel für internetfähige Produkte. Durch dessen Einführung „könnte […] mehr Transparenz über die jeweiligen Sicherheitseigenschaften hergestellt werden.“ Der Innenausschuss des Bundestages hatte in einem Entschließungsantrag bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der NIS-Richtlinie dazu aufgefordert, eine solches Siegel einzuführen.
Auf die Forderungen von Heiko Maas – vor allem in der von „Spiegel Online“ zunächst veröffentlichten Version – reagierten die Verbände der Digitalwirtschaft mit deutlicher Kritik. Sowohl Bitkom als auch eco griffen in ihren Statements den Minister und sein Haus auch direkt an. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder sagte:
„Der aktuelle Vorstoß des Bundesjustizministeriums macht erneut klar, wie wichtig es ist, in der kommenden Legislaturperiode eine kompetente Stelle für Digitalpolitik innerhalb der Bundesregierung zu etablieren. Schon beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurde offenbar, wie schwer sich das Bundesjustizministerium bei der Suche nach Antworten auf die digitalen Herausforderungen tut.“
Und der Vorstand Politik & Recht des eco, Oliver Süme, erklärte:
„Für ein weiteres populistisches und unausgegorenes Gesetz aus dem Hause Maas sehen wir allerdings keinen Bedarf – glücklicherweise dürfte hier in dieser Legislaturperiode auch nicht mehr viel zu erwarten sein.“
Süme und Stephan Tromp, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), kritisierten, dass die Offenlegung von Algorithmen die Veröffentlichung von Geschäftsgeheimnissen bedeuten und damit den Unternehmen im Wettbewerb schaden würden.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Sascha Klettke ist Chef vom Dienst und Analyst für Netzpolitik.
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