Bezahlen per Selfie: Zwinker, Zwinker, gekauft
Das Selfie ist kaum noch wegzudenken aus dem Netz. Doch wer in nächster Zeit Mitmenschen beim Grimassenschneiden vor dem Smartphone beobachtet, sollte nicht voreilig urteilen: Vielleicht kaufen sie einfach gerade bei Amazon ein. Denn wenn es nach dem Online-Händler geht, gehören Passwörter der Vergangenheit an. Stattdessen sollen sich Kunden beim Online-Shopping bald mit ihrem Portraitbild auf der Seite identifizieren können, um Zahlungen zu autorisieren. Das Unternehmen hat hierfür in den USA bereits ein Patent angemeldet.
Selfie soll Passwort ersetzen. Passwörter sind unsicher. Sie können gestohlen oder heimlich ausgelesen werden und manch einer verliert bei der großen Zahl der Buchstabenkombinationen, die man heutzutage zum Einloggen benötigt, schlichtweg den Überblick. Schon seit längerer Zeit wollen Anbieter von Online-Transaktionen die User-Identifikation sicherer machen und damit Betrug vorbeugen. Heimische Banken setzen derzeit noch vor allem auf TANs und mobile TAN-Verfahren. Doch eindeutig im Trend liegt eine ganz andere Identifikationsmethode: das Selfie. Der Patentantrag mit der Nummer 20160071111 gibt Aufschluss darüber, wie sich Amazon das Bezahlen per Selfie vorstellt: Der Kunde soll nicht einfach nur in die Kamera gucken, sondern dabei eine vorgegebene Geste, wie etwa ein Lächeln oder ein Augenzwinkern, machen. Erst danach wird eine Bezahlung autorisiert. So soll sichergestellt werden, dass die Gesichtserkennungssoftware nicht mit einem einfachen, zweidimensionalen Foto der zu identifizierenden Person ausgetrickst wird. Auch Mastercard experimentiert mit biometrischen Bezahlmethoden für das Smartphone. Der Kreditkartenanbieter hat eine App entwickelt, die ein vom Kunden hinterlegtes digitales Selbstportrait mit der Person vor der Kamera abgleicht. Nach Testversuchen in den USA und den Niederlanden soll „Selfie Pay“ noch in diesem Jahr in Deutschland starten. Das kündigte das Unternehmen im Februar beim Mobile World Congress in Barcelona an.
Wie sicher sind biometrischen Daten?
Bezahl- und Identifikationsmethoden werden in Zukunft stärker auf biometrische Daten setzen. Dabei sind visuelle Technologien wie „Selfie Pay“ oder Fingerabdruckscans nur eine Herangehensweise. Das kanadische Unternehmen Bionym – Mastercard ist auch an diesem Venture beteiligt – entwickelt Armbänder, die den persönlichen Herzrhythmus ausmessen und den Träger so per Bluetooth authentifizieren können. Herzströme sind ähnlich individuell wie Fingerabdrücke und damit bestens zur Identifikation geeignet. Doch um biometrische Daten auszuwerten, müssen Unternehmen die sensiblen Kundendaten sammeln und speichern. Dass solche Lösungen derzeit aus Verbraucher- und Datenschutzperspektive noch skeptisch betrachtet werden, zeigte unter anderem die Diskussion auf der Safer-Internet-Day-Konferenz des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz und dem Bitkom zu Waerables und Gesundheitsapps im Februar.
Ersetzen soll das Selfie die bisherigen Bezahlsysteme allerdings vorerst nicht. Amazon und Mastercard geht es lediglich um eine zusätzliche Methode zur Identifizierung, um die Sicherheit zu erhöhen. Statt seinem Smartphone kann man also immer noch einem Mitarbeiter in der Bank-Filiale seines Vertrauens zuzwinkern.