Berliner Museen verpassen digitalen Anschluss

CC by 2.0 Flickr User Mike Steele/Titel: On the way to the Museum Island / Ausschnitt angepasst
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Veröffentlicht am 26.09.2016

Ein Selfie mit dem Dinosaurierskelett im Naturkundemuseum, ein Check-In im Pergamonmuseum für die Facebook-Follower – wer in Berlin ins Museum geht, lässt Freunde in den sozialen Netzwerken gern daran teilhaben. Doch obwohl das Smartphone beim Museumsbesuch nicht fehlen darf, haben die Museen und Galerien selbst kaum digitale Angebote für Kulturfreunde. Dabei zeigen Beispiele aus der internationalen Kulturszene, dass Apps, Onlinetickets & Co. den Museumsbesuch nicht nur komfortabler machen, sondern auch durchaus bereichern können. Eine Berliner Agentur hat die Berliner Museen nun einem Digitalisierungscheck unterzogen und stellt fest: Die kulturellen Orte der Hauptstadt haben den digitalen Wandel bislang verpasst.

CC by 2.0 Flickr User Mike Steele/Titel: On the way to the Museum Island / Ausschnitt angepasst

Kein WLAN, kaum Online-Tickets

Das digitale Angebot von 40 Museen und Galerien hat die Berliner Agentur Torben, Lucie und die gelbe Gefahr (TLGG) getestet. Das Gesamtbild ist deprimierend für einen Kultur-Hub wie Berlin: Im Schnitt gab es die Note „ausreichend“ für die repräsentativ ausgewählten Kultureinrichtungen. Die Höchstnote 2,3 mit 76 Prozent erreicht die Berlinische Galerie, dicht gefolgt vom Deutschen Technischen Museum (76 Prozent, Note 2,3) und dem Jüdischen Museum (72 Prozent, Note 2,7). Den Digitalcheck hat die Agentur im Laufe der Sommermonate Juni und Juli 2016 durchgeführt. Bewertet wurden der Onlineauftritt allgemein, das App-Angebot, Social-Ticketing-Lösungen sowie die Social-Media-Präsenz der Einrichtungen. Fragen nach zukünftig geplanten Digitalisierungsprojekten wurden allerdings nicht gestellt.

Freies WLAN bieten weniger als ein Drittel der Museen – dabei könnten Besucher ihre Eindrücke mit Internetzugang besser dokumentieren oder zusätzliche Informationen zu den Ausstellungsstücken einholen. Apps bieten nur zwölf Prozent der Museen, von denen nur das Bauhaus-Archiv eine aktive Nutzung während des Besuchs vorsieht. Die Museen besitzen zwar alle Websites, jedoch findet man auf den Portalen häufig nur die wesentlichen Grundinformationen. Online-Ticketbuchung ist überhaupt nur bei der Hälfte der Einrichtungen möglich. Auch auf die Integration von Online- und Offline-Angebot wird bei den Berliner Museen wenig Wert gesetzt. Die Mehrheit der Einrichtungen verzichtet vor Ort darauf, auf ihre Social-Media-Präsenz, Hashtags und die Museumswebsite hinzuweisen. Dabei müssten sich die Einrichtungen darüber freuen, wenn Besucher in den sozialen Netzwerken Werbung für sie machen.

Met und Tate machen’s besser

Als Paradebeispiele des digitalen Museums nennt die TLGG-Studie zwei weltbekannte Museen: das Metropolitan Museum of Art (Met) in New York und das Tate in London. Das Tate bietet in seiner App nicht nur detaillierte Informationen zu allen Ausstellungen, die dank Location-Feature beim Raumwechsel automatisch aktualisiert werden, sondern sogar Online-Games mit Bezug auf die Ausstellungsstücke für die kreative Erschöpfungspause. Das Met hat seine riesige Kollektion aufwändig digitalisiert und über die App abrufbar gemacht.

Im Gegensatz zu anderen weltbekannten Kultureinrichtungen, haben Berliner Museen ein sehr eingeschränktes digitales Angebot. CC by 2.0 Flickr User ann-dabney/Titel:
Museum technology / Ausschnitt angepasst

Die Studie hebt aber auch drei positive Beispiele aus Berlin hervor. Die Staatlichen Museen haben zwar ein kompliziertes Buchungssystem, aber immerhin einen übersichtlich gestalteten Onlineauftritt, der auch mobil abrufbar ist. Das Ephraim-Palais im Nikolaiviertel und die Berlinische Galerie in Kreuzberg überzeugen mit partizipativen Ansätzen. Auf der Twitterwall im Ephraim-Palais konnten Besucher den Online-Diskurs zur Ausstellung „Stadt der Frauen“ live verfolgen. In der Berlinischen Galerie waren Besucher in diesem Sommer sogar angehalten, selbst mit Alltagsgegenständen und unter Anweisung des Künstlers als One-Minute-Sculptures zu posieren und die Fotos unter dem Hashtag #ErwinWurm zu teilen. Das Berliner Naturkundemuseum nimmt seit kurzem an einem Google-Betaprojekt teil, das virtuelle Rundgänge durch die bedeutendsten naturhistorischen Museen der Welt und 3D-Animationen von Urzeitwesen ermöglicht. Projektstart war allerdings nach der Veröffentlichung der TLGG-Studie.

Kultur in Zeiten von Netflix

Anlass der Studie ist laut der Autoren der Wendepunkt, an dem sich Kunst und Kultur weltweit befinden. “People ask Me: What is your biggest competition? Is it MOMA? Guggenheim? Our Competition Is Netflix. Candy Crush. It’s Life In 2016” hatte Sree Sreenivasan, der ehemalige Chief Digital Officer des Met, im Februar anlässlich des Relaunch des digitalen Museums-Angebots gesagt. Ob die Berliner Museumswelt sich diese Warnung zu Herzen nimmt, bleibt wohl abzuwarten, doch zumindest in Sachen WLAN könnten die Staatlichen Museen Berlin bald aufstocken. Nachdem die Bundesregierung im Juni die Abschaffung der Störerhaftung beschlossen hatte, sollen in Berlin bis Frühjahr 2017 650 Hotspots an zentralen Orten entstehen, darunter auch in Museen.

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