Bauer sucht Cloud – Rückblick UdL Digital Talk

UdL Digital Talk: "Bauer sucht Cloud" mit Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Foto: Henrik Andree
Veröffentlicht am 27.05.2015

„Bauer sucht Cloud – Digitalisierung in der Landwirtschaft“ lautete am Dienstag, den 26.05.2015, der vielversprechende Titel des  UdL Digital Talk. Wie die zahlreichen Besucher im gut gefüllten BASE_camp von Telefónica Deutschland erfahren konnten, stellen sich die Landwirte bei der Digitalisierung ihrer Betriebe weitaus weniger unbeholfen an als die Bauern auf den Irrwegen der Liebe bei RTL. Während der deutsche Mittelstand noch über die Chancen und Risiken des digitalen Fortschritts debattiert, wird er auf den Bauernhöfen der Republik bereits praktiziert. „Wir sind zwar noch nicht bei Landwirtschaft 4.0, aber 3.5 ist schon erreicht“, zeigte sich Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft (CSU), bei der Podiumsdiskussion überzeugt.

Digitalisierung in der Landwirtschaft

Auch sein Gesprächspartner Maximilian von Löbbecke, Geschäftsführer der Softwarefirma 365FarmNet, ist von der Bereitschaft zur Digitalisierung seitens der Landwirte angetan. Zwar würden 85 Prozent noch keine Farm-Management-Software nutzen, um die unterschiedlichen Produktionsbereiche ihres Betriebs komplett mit einem einzigen System zu steuern, aber 96 Prozent der Bauern nutzten bereits das Internet und zahlreiche Einzelsysteme, um mehr Effizienz und Nachhaltigkeit in Teilbereichen zu erreichen. Gerade bei den kostenintensiven Posten Pflanzenschutz und Dünger ließen sich durch digitale Disposition die Ausgaben reduzieren. Insbesondere kleinere Betriebe profitierten davon, wenn sie ihre Produktion wirtschaftlicher gestalten können. „Insgesamt sehe ich durch die Digitalisierung in der Landwirtschaft ein Einsparpotential von 20 bis 30 Prozent. In der Vernetzung der einzelnen digitalisierten Elemente liegt die Zukunft“, prognostizierte der IT-Experte von Löbbecke beim UdL Digital Talk im BASE_camp.

UdL Digital Talk: "Bauer sucht Cloud" mit Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft.
UdL Digital Talk: „Bauer sucht Cloud“ mit Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Foto: Henrik Andree

Vorteile von Landwirtschaft 4.0

Die digitalbasierte Effizienzsteigerung ist auch deshalb notwendig, weil immer weniger Bauern immer mehr Menschen mit Lebensmitteln versorgen müssen. „Heute ernährt jeder Bauer 144 Personen, vor 20 Jahren waren es nur ein Drittel davon“, berichtete der 365FarmNet-Geschäftsführer. Das sei nur über neue Produktionsmittel zu erreichen. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt pflichtete ihm bei, dass die vielen Anforderungen an die Landwirte mit einer „Heidi-Alm-Öhi-Idylle“ nicht zu schaffen sind, sondern nur mit Digitalisierung. „Wir wollen ja nicht auf Deubel komm raus produzieren, sondern nachhaltig“, stellte der CSU-Politiker klar.

Zukünftig werden nicht nur die Bauern mit ihrem Tablet auf dem Traktor ihre Felder bestellen und den gesamten Hof managen, auch im Stall ist die Digitalisierung nicht aufzuhalten. Wenn Schweine und Kühe mit Sensoren ausgestattet sind, lassen sich ihre Bewegungen und ihr Fressverhalten genau nachvollziehen und auswerten. Die erhobenen Daten können beispielsweise als Frühwarnsystem für Krankheiten dienen, erläuterte von Löbbecke die Vorteile von Landwirtschaft 4.0. Gerade für Ökobetriebe seien Frühwarnsysteme für den Zustand der Tiere und Pflanzen notwendig, weil sie über weniger Reaktionsmöglichkeiten verfügen als konventionelle Betriebe. Auch ein Tracking-System, das dem Verbraucher genau sagt, was die Kuh gegessen hat, deren Fleisch er kauft, sei durch Digitalisierung möglich, schwärmte der IT-Experte. Der Kontrollaufwand ließe sich ebenfalls verringern, weil die Digitalisierung verhindere, dass man Daten zwei Mal erfassen muss, ergänzte Christian Schmidt beim UdL Digital Talk, den wie immer der Herausgeber der deutschen Huffington Post, Cherno Jobatey, moderierte.

UdL Digital Talk: "Bauer sucht Cloud" mit Maximilian von Löbbecke, CEO von 365FarmNet
UdL Digital Talk: „Bauer sucht Cloud“ mit Maximilian von Löbbecke, CEO von 365FarmNet, Foto: Henrik Andree

Skepsis gegenüber Big Data

Den Bauern scheint dabei auf ihrem Weg in die digitale Welt zu gelingen, was sich viele Internetnutzer wünschen: Sie behalten bislang die Hoheit über ihre Daten. Ein Grund dafür sei die Organisation in Genossenschaften, wodurch die Entwicklung und Nutzung von sehr kleinen, übersichtlichen Cloudsystemen möglich sei, erklärte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt und ergänzte, dass die Politik dazu da sei, die Gefahren einzugrenzen und zu kanalisieren. Wie Maximilian von Löbbecke aus der Praxis zu berichten wusste, sei durch den guten Datenschutz in Deutschland tatsächlich Vertrauen bei den Landwirten geschaffen worden.

Big Data ist nach der Beobachtung des 365FarmNet-Geschäftsführers für viele Landwirte zwar interessant, aber in erster Linie möchten die Verursacher der Daten diese für sich selbst nutzen. Ihre speziellen Produktionsdaten würden sie in der Regel nur den Firmen überlassen, die ihnen einen Service bieten, von dem sie selbst unmittelbar profitieren. Für vorstellbar halte er aber, dass Bauern bestimmte Daten freiwillig zur Verfügung stellen, so IT-Spezialist. Christian Schmidt verhehlte beim UdL Digital Talk nicht, dass er in der weitergehenden Datennutzung großes Potential sieht. Europäisch sei man bei einer entsprechenden Regelung auf einem guten Weg, international sei zudem ein weltweites System an Agrarinformationen im Aufbau, sagte der Bundeslandwirtschaftsminister.

UdL Digital Talk: "Bauer sucht Cloud" mit Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft.
UdL Digital Talk: „Bauer sucht Cloud“ mit Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Foto: Henrik Andree

Mehr Breitband für Bauern

Allerdings gibt es momentan noch eine Einschränkung: Bis die Daten der digitalen Bauern dort sind, wo sie hin sollen, dauert es häufig sehr lang. Zu lang, wie den Worten von Christian Schmidt zu entnehmen war. Das einzige, was den Hype der Digitalisierung in der Landwirtschaft derzeit noch zu bremsen vermag, ist die Infrastruktur, so der Bundesminister. Gerade in den ländlichen Gebieten ist sie für den Transport großer Datenmengen oft nicht ausreichend. Der Breitbandausbau sei dort in den vergangenen Jahren zu wenig bedacht worden, gestand der Bundeslandwirtschaftsminister ein. Er habe aber viele Ideen, wie sich der Etat seines Parteikollegen Alexander Dobrindt (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, dafür nutzen lasse.

Er selbst habe mit seiner Kollegin Johanna Wanka (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, schon ein Programm in Höhe von 2,5 Milliarden aufgelegt, mit dem u.a. Bioökonomie gefördert werden soll. Dieses Geld werde auch in die Digitalisierung der Landwirtschaft fließen, aber der Staat könne nicht allein für Investitionen in neue Produkte und Projekte sorgen, sagte Christian Schmidt. Maximilian von Löbbecke beklagte die schlechten Entwicklungsbedingungen für Unternehmen in Deutschland. „Die digitale Welt ist schnell, leider haben wir in Deutschland nicht das gleiche Klima wie in den USA“, bedauerte der Software-Experte. Investoren müssten in Deutschland auch steuerlich mehr Anreize bekommen. Er plädierte zudem für mehr Leichtigkeit beim Arbeitsschutz und bei den Steuergesetzen wie in der Schweiz, wo Firmen „in zwei Tagen die Steuererklärung für ein ganzes Jahr“ fertigstellen könnten.

Wie schnell gelingt Digitalisierung in der Landwirtschaft?

So einig wie sich die beiden Podiumsteilnehmer im BASE_camp in ihrer Begeisterung für die Digitalisierung in der Landwirtschaft waren – beim Blick in die Zukunft offenbarte sich dann doch ein Dissens: Maximilian von Löbbecke geht davon aus, dass die meisten deutschen Bauern bereits in zwei Jahren ihre Produktion digital steuern werden. Der Bundeslandwirtschaftsminister hingegen erwies sich vom langwierigen Bohren dicker Bretter in der Politik geprägt: Bis die Digitalisierung von allen Betrieben nachvollzogen ist, werde es seiner Ansicht nach noch zehn bis zwanzig Jahre dauern. „Wer mit einem Smartphone aufgewachsen ist, der ist dafür aber zugänglicher“, so Christian Schmidt.

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