BASECAMP_Debate Nachbericht: Wie gestalten wir Deutsch­lands Mobil­funk­zukunft?

Dr. Volker Ziegler, Senior Advisor, Chief Architect Nokia, Dr. Cara Schwarz-Schilling, Geschäftsführerin und Direktorin WIK GmbH, Markus Haas, CEO o2 Telefónica, Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin für Digitales und Verkehr, und Nadine Schimroszik, Technologiekorrespondentin beim “Handelsblatt” | Foto: Henrik Andree
Dr. Volker Ziegler, Senior Advisor, Chief Architect Nokia, Dr. Cara Schwarz-Schilling, Geschäftsführerin und Direktorin WIK GmbH, Markus Haas, CEO o2 Telefónica, Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin für Digitales und Verkehr, und Nadine Schimroszik, Technologiekorrespondentin beim “Handelsblatt” | Foto: Henrik Andree
Veröffentlicht am 17.10.2024

Zehn Jahre nach der ersten Konsolidierung des Telekommunikationsmarkts in Deutschland steht die Branche vor neuen Herausforderungen: hohe Anforderungen durch Kunden, Wettbewerber und Regulierung, aber auch die Aussicht auf vielversprechende Innovationen der Netze durch KI, Open RAN oder die Plattformökonomie. Bei der gestrigen BASECAMP_Debate wagten Markus Haas (CEO von o2 Telefónica), Daniela Kluckert (Parlamentarische Staatssekretärin für Digitales und Verkehr), Dr. Volker Ziegler (Senior Advisor & Chief Architect bei Nokia) und Dr. Cara Schwarz-Schilling (Direktorin & Geschäftsführerin der WIK GmbH) eine Bestandsaufnahme und einen Ausblick auf die kommenden Jahre.

Die Telekommunikationsnetze sind die Grundlage für die Digitalisierung, auch wenn ihre große Bedeutung im Alltag oft nicht wahrgenommen wird – daran erinnerte Philippe Gröschel, Director Government Relations bei o2 Telefónica, zur Begrüßung im BASECAMP, bevor Moderatorin Nadine Schimroszik, Technologiekorrespondentin beim Handelsblatt, die Gäste der Debatte auf die Bühne bat.

Wettbewerbsintensiver Mobilfunk in Deutschland

Markus Haas, CEO o2 Telefónica | Foto: Henrik Andree

Im Mittelpunkt der Diskussion standen vor allem die Themen Investitionen und Wettbewerb. So hob Markus Haas als CEO von o2 Telefónica hervor, dass sich die großen Netzanbieter hierzulande in einem intensiven Infrastrukturwettbewerb befinden: Zum einen, weil die Erwartungen der Kunden – trotz einer im internationalen Vergleich geringeren Zahlungsbereitschaft – an funktionierende Netze, auch in ländlichen Regionen, gestiegen sind. Zum anderen, weil die Konkurrenzsituation im Mobilfunk in Deutschland mit einem Marktanteil der Serviceprovider (Mobilfunkunternehmen, die keine eigenen Netze haben) von 20 % international einzigartig ist. In diesem Umfeld investiere Telefónica jedes Jahr über eine Milliarde Euro, um den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden.

„Das Wichtigste ist, dass wir für Kunden relevant bleiben und verstehen was Kunden jetzt, aber insbesondere auch in fünf Jahren benötigen, um ihren digitalen Alltag zu stemmen.“ (Markus Haas)

Dr. Volker Ziegler, Senior Advisor, Chief Architect Nokia | Foto: Henrik Andree

Bei der Frage, ob hierzulande denn genug in den Mobilfunk investiert werde, wies Dr. Volker Ziegler, Senior Advisor bei Nokia, darauf hin, dass mehr Investitionen sinnvoll seien, gerade verglichen mit dem Investmentlevel anderer Länder. Trotzdem sei Deutschland bei der Mobilfunkforschung, etwa zu 6G, weiterhin ganz vorne dabei.

 

Wie können Investitionen erleichtert werden?

Als Vertreterin aus der Politik verdeutlichte Staatssekretärin Daniela Kluckert, dass das Bundesministerium für Digitales und Verkehr alles versuche, um Investitionen für die Unternehmen zu erleichtern, etwa durch das TK-NaBeG oder eine spätere Vergabe der Frequenzen.

„Es ist klar, dass wir massive Investitionen in unsere Infrastruktur brauchen und natürlich vor allem in die Infrastruktur der Zukunft – und das ist die Telekommunikation.“ (Daniela Kluckert)

Markus Haas, CEO o2 Telefónica, Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin für Digitales und Verkehr, und Nadine Schimroszik, Technologiekorrespondentin beim “Handelsblatt” | Foto: Henrik Andree

Auf Zuspruch stieß die Verlängerung der Frequenzrechte – statt einer neuen Versteigerung – bei Dr. Cara Schwarz-Schilling, Direktorin und Geschäftsführerin des Think Tanks WIK: Dies sei aktuell eine sinnvolle Option, um später mehr Frequenzen gebündelt vergeben zu können. Hinsichtlich der Qualität des Wettbewerbs im Mobilfunkmarkt wendete sie allerdings ein, dass eine Konzentration auf wenige große Unternehmen nicht zwingend zu mehr Investitionen oder Preiswettbewerb führe.

Debatte um Fusionen und OTT Fair Share

Dies sorgte für Widerspruch bei Haas, der betonte, dass es ohne die Fusion von O2 Telefónica und E-Plus vor zehn Jahren heute für viele Menschen schlechtere Mobilfunknetze und eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in Deutschland geben würde.

Dr. Cara Schwarz-Schilling, Geschäftsführerin und Direktorin WIK GmbH | Foto: Henrik Andree

Problematisch seien heute dagegen vor allem die hohen Kosten, die die Netzbetreiber aufgrund der steigenden Datenbedarfe durch Over-The-Top-Dienstleister (OTT) für Kapazitätserweiterungen ausgeben müssten. Haas plädierte deshalb für eine gemeinsame europäische Lösung im Sinne des Fair Share-Ansatzes. Dies stieß wiederum bei Schwarz-Schilling auf Widerspruch.

Sie fragte mit Blick auf die Zukunft des Mobilfunks zudem danach, wie sich die vertikale Wertschöpfungskette durch Innovationen wie KI, Cloud und OpenRAN verändern wird. Damit war das zweite große Thema dieser BASECAMP_Debate angesprochen: Innovation.

Neue Technologien als Chance für Kunden und Anbieter

Eine Förderung von Innovationen durch die Politik sei nur initial sinnvoll, befand Kluckert. Wichtiger sei stattdessen die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen, z.B. durch nicht noch mehr Regulierung, damit Innovationen auch bis zur Marktreife finanziert werden können.

Ziegler verwies darauf, dass die Abdeckung und Bandbreite im Mobilfunk auch durch Anpassungen im Frequenzspektrum verbessert werden könnten. Außerdem betonte er die gemeinsame Chance des Mobilfunk-Ökosystems, dass es in der Zukunft um mehr geht als Konnektivität, nämlich um neue Leistungsfähigkeit, z.B. durch Sensing oder vernetzte Dienste mithilfe von „No-Code-low-Code“-Netzen.

Dr. Volker Ziegler, Senior Advisor, Chief Architect Nokia, Dr. Cara Schwarz-Schilling, Geschäftsführerin und Direktorin WIK GmbH, Markus Haas, CEO o2 Telefónica, Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin für Digitales und Verkehr, und Nadine Schimroszik, Technologiekorrespondentin beim “Handelsblatt” | Foto: Henrik Andree

Auch Haas stellte den Mehrwert für Kunden durch künftige netznahe Dienste und Open Gateway heraus. Besonders stehe hier momentan der Aspekt der Sicherheit im Fokus der Nachfrage durch Kunden und App-Anbieter. Ein weiteres Thema war zudem die Frage Schwarz-Schillings nach möglichen europaweiten Mobilfunkangeboten. Doch dafür gebe es nicht genug Nachfrage bei den Kunden und auch zu unterschiedliche nationale Märkte, so Haas.

Die Diskussion, bei der insbesondere Telekommunikation-Profis auf ihre Kosten kamen, verdeutlichte somit, dass die Veränderung des Mobilfunkmarkts nicht nur ein technologisches Thema ist, sondern stets mit den gesellschaftlichen Entwicklungen und Erwartungen der Menschen zusammenhängt.

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