BASECAMP_Debate Nachbericht: SuperPower durch KI – Innovation oder Bürokratie in Europa?

Foto: Henrik Andree
Veröffentlicht am 15.05.2024

Künstliche Intelligenz kann als eine Superpower betrachtet werden, mit der die Menschen allerdings erst umgehen lernen müssen. Wie das mithilfe des AI-Act der EU gelingen kann, war Thema der gestrigen BASECAMP_Debate, bei der Vertreter:innen aus Wirtschaft, Politik und Medien über die Bedeutung von KI für Europa diskutierten.

Moderator Philippe Gröschel, Director Government Relations bei o2 Telefónica, stimmte seine Gäste gleich zu Beginn der Veranstaltung auf die besondere Innovation ein, der wir uns mit KI gegenübersehen: Plötzlich kann eine Technologie Aufgaben übernehmen, die zuvor allein dem menschlichen Verstand und Urteilsvermögen vorenthalten waren.

Zeitersparnis durch KI

Wie vielfältig der Nutzen von KI sein kann, verdeutlichten zudem die Antworten der Podiumsteilnehmer:innen auf die Frage nach ihrer Lieblings-KI-Anwendung: Diese reichten von „Kleinigkeiten, die einem den Alltag erleichtern“ , wie smarter Fotoauswahl oder der Berg-Navigationsapp „PeakFinder“, bis zu Tools, die vor allem im Arbeitskontext Zeit beim Schreiben oder Recherchieren sparen.

Fast einhellig fiel hingegen die Einordnung des AI-Act bei den Diskutanten aus, da die Skepsis überwog, ob neue EU-Verordnung tatsächlich innovationsfreundlich wirken wird. Ronja Kemmer, MdB und KI-Berichterstatterin für die Unionsfraktion, betonte, dass es jetzt vor allem auf die konkrete Umsetzung in Deutschland ankomme und befürchtet mit den Erfahrungen aus der Datenschutzgrundverordnung vor Augen zusätzliche Bürokratie. Svenja Hahn, Mitglied des Europaparlaments für die FDP und dort im Sonderausschuss KI, sieht ebenfalls Verbesserungsbedarf und wünscht sich weiterhin einen stärkeren Schutz von Bürgerrechten und „mehr Innovationsfreude“.

„Der Teufel wird eher im Umsetzungsdetail stecken. Im KI-Gesetz stehen noch über 30 delegierte Rechtsakte und -durchführungsakte. Das heißt, bei vielen dieser Dinge muss die Kommission überhaupt noch einen rechtlichen Rahmen schaffen.“ (Svenja Hahn)

v.l.n.r. Aleksandar Stojanovic, Dr. Wolfgang Dierker, Dr. Holger Schmidt, Svenja Hahn, Ronja Kemmer, Philippe Gröschel | Foto: Henrik Andree
v.l.n.r. Aleksandar Stojanovic, Dr. Wolfgang Dierker, Dr. Holger Schmidt, Svenja Hahn, Ronja Kemmer, Philippe Gröschel | Foto: Henrik Andree

Der AI-Act – ein Innovationskiller?

Dr. Holger Schmidt, Netzökonom und Redaktionsleiter des F.A.Z. Newsletters D:ECONOMY, prognostiziert ebenfalls mit Blick auf die DSGVO keinen Wettbewerbsvorteil für europäische Unternehmen durch den AI-Act. Wenig optimistisch in der Frage zeigte sich auch Aleksandar Stojanovic, Vice President Strategy bei Merantix Momentum, der von einem „weiteren Nagel für unseren KI-Sarg“ sprach.

Dr. Wolfgang Dierker, General Manager bei Microsoft Germany für Corporate, External and Legal Affairs, bewertete das Vorhaben ein wenig positiver, verwies aber auch auf die unterschiedlichen Perspektiven: „Innovationskiller ist eine rein von außen gesehene Beurteilung und historischer Erfolg ist schon sehr eine Binnenperspektive aus dem politischen Betrieb.“ Das Stimmungsbild im Publikum fiel allerdings ausgewogener aus.

Foto: Henrik Andree
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Warum Europa bereits abgehängt ist

Im weiteren Verlauf der Debatte wurde zudem deutlich, dass in Deutschland und Europa insgesamt nicht genug passiert, um im weltweiten Rennen um KI-Innovation wirklich vorne mitmischen zu können. Zum einen würde bei vielen Menschen hierzulande die Angst vor den Veränderungen durch KI dominieren, wie Svenja Hahn hervorhob. Zum anderen ist der Zug aus Sicht von Holger Schmidt bereits abgefahren, da der Investitionsbedarf und Vorsprung der außereuropäischen Konkurrenz bei den Basismodellen zu groß sei. Stattdessen sollte man sich nun auf kleinere, zielgerichtete Industriemodelle fokussieren, die mit den vorhandenen Daten arbeiten.

v.l.n.r. Dr. Wolfgang Dierker, Dr. Holger Schmidt, Svenja Hahn, Ronja Kemmer, Philippe Gröschel | Foto: Henrik Andree
v.l.n.r. Dr. Wolfgang Dierker, Dr. Holger Schmidt, Svenja Hahn, Ronja Kemmer, Philippe Gröschel | Foto: Henrik Andree

Ronja Kemmer verwies zudem auf die Rolle des privaten Kapitals, das in Europa nicht in großem Maße in die KI-Entwicklung fließe, möglicherweise auch weil die Regulierung als Hindernis betrachtet wird. Ein Ansatzpunkt für die staatliche Förderung von KI-Anwendungen sei neben der direkten Forschungsförderung die Digitalisierung der Verwaltung, bei der es immer noch hakt wie Kemmer feststellte.

Warum auch die Wirtschaft ein Interesse am breiten KI-Einsatz haben sollte, verdeutlichte Aleksandar Stojanovic, da alle Unternehmen, selbst der Klempner, künftig davon profitieren könnten – und sich daran auch anpassen müssten, um mithalten zu können. Diese Notwendigkeit sah auch Wolfgang Dierker, der die Effizienzpotenziale von KI-Tools thematisierte. Dafür dürfe KI aber nicht nur als Projekt der IT-Abteilungen betrachtet werden.

„Was wir eigentlich erreichen müssen, ist, dass möglichst viele Kolleginnen und Kollegen von Tag Eins das einfach bekommen und ausprobieren können.“ (Wolfgang Dierker)

Rechtssicherheit vs. Bürokratiezuwachs?

Um die Vorteile von KI-Anwendungen tatsächlich in der Breite der Gesellschaft nutzbar zu machen brauche es insbesondere entsprechende Schulungen und Rechtssicherheit für die Nutzer, war sich die Runde einig. Letzteres könne allerdings ein langer Weg werden, da viele Gesetze fortwährend anzupassen seien, wie Svenja Hahn ausführte.

Was allein im Zusammenhang des AI-Act auf nationaler Ebene noch auf uns zukommt, führte Ronja Kemmer aus: eine zuständige Behörde mit vielen Mitarbeiter:innen für die Marktüberwachung und Überprüfungen der Konformitätsbewertungen für KI-Anwendungen nach den neu eingeführten Risikoklassen. Kemmer plädierte hier für eine Ansiedlung bei der Bundesnetzagentur – und nicht beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Herausfordernd sei zudem die notwendige Überprüfung der vielen Daten, auf denen die KI-Anwendungen beruhen.

v.l.n.r. Dr. Wolfgang Dierker, Dr. Holger Schmidt, Svenja Hahn, Ronja Kemmer, Philippe Gröschel | Foto: Henrik Andree
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Aus Sicht Svenja Hahns ist auf europäischer Ebene außerdem eine Zusammenfassung der vielfältigen Digitalgesetzgebung und ihrer Durchsetzung nötig, um das gegenwärtige Flickwerk an Bürokratie einzudämmen. Abschließend wurde unter Beteiligung des Publikums noch diskutiert, inwiefern die europäische KI-Regulierung zum globalen Vorbild taugt und die Nachhaltigkeit von digitalen Anwendungen fördert.

Weitere Impressionen von der Veranstaltung:

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