BASECAMP_Debate Nachbericht: „Spitzenrunde zur Halbzeit – Wo steht die Digital- und Wirtschaftspolitik?“
Die Ampelkoalition war Ende 2021 gestartet, um auch in der Digital- und Wirtschaftspolitik lang liegengebliebene Vorhaben anzupacken und neue Projekte anzustoßen. Was sie bis zur Halbzeit der Legislaturperiode erreicht hat und wie es digitalpolitisch weitergehen soll, wurde am Dienstag bei einer Spitzenrunde mit Vertreter:innen der Ampel und der Union im BASECAMP diskutiert.
Als Gastgeber konnte Harald Geywitz, Repräsentant von Telefónica Deutschland, mit Nadine Schön (CDU), Tobias Bacherle (B90/Grüne), Maximilian Funke-Kaiser (FDP) und Johannes Schätzl (SPD) vier Mitglieder des Digitalausschusses in der Mittelstraße in Berlin begrüßen. Dass sich die Protagonisten im Bundestag häufig begegnen und miteinander über die Digitalisierung diskutieren, war auch während dieser BASECAMP_Debate vor interessiertem Publikum spürbar.
Wo bleibt der digitalpolitische Antreiber?
Der Anspruch der Bundesregierung zum Amtsantritt vor zwei Jahren sei sehr hoch gewesen und es wurden ja auch einige Strategien und Vorhaben initiiert, erklärte Geywitz zur Begrüßung. Doch wie fällt die Halbzeitbilanz aus?
Als Vertreterin der größten Oppositionspartei im Bundestag wartete Nadine Schön, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, zunächst mit einem Lob für die Aufbruchsstimmung und den Koalitionsvertrag der Ampel auf, der „sehr viele gute Sachen“ enthalte. Allerdings kritisierte sie, dass die Ziele der diversen Strategien und Vorhaben der Regierung oft zu unkonkret seien und es auch an finanzieller Unterfütterung fehle.
„Nach meiner Wahrnehmung ist die Dynamik einfach nicht so, wie sie sein müsste.“ (Nadine Schön)
Als Beispiele nannte sie die immer noch schleppende Digitalisierung von Staat und Verwaltung, etwa in Form des neuen Onlinezugangsgesetzes (OZG) oder des Digitalpakts Schule. Hier brauche es einen digitalpolitischen Antreiber, der in der Bundesregierung derzeit aber nicht absehbar sei.
Ampel wirbt um Geduld und Verständnis
Johannes Schätzl von der SPD verwies darauf, dass die Ziele des Koalitionsvertrags allerdings auch auf vier Jahre ausgelegt seien und es schwierig wäre, jetzt schon ein Zwischenfazit zu ziehen. Die vielen Strategie-Papiere seien zudem notwendig, da viele Themen – sei es Infrastruktur, Gesundheit oder Verwaltungsdigitalisierung – ineinandergreifen würden.
„Ich bitte bei dem einen oder anderen Thema noch ein wenig um Geduld, um es nach vier Jahren abzurechnen.“ (Johannes Schätzl)
Es gebe außerdem auch viele Hindernisse bei der digitalen Modernisierung des Landes, merkte Tobias Bacherle von den Grünen an, gewissermaßen einen „Verweigerungsdrive“ gegenüber Veränderungen auf den verschiedenen staatlichen Ebenen und in der Gesellschaft. Hinzu kämen Abwehrkämpfe, wie gegen die Chatkontrolle der EU, die politische Ressourcen binden, die dann bei der schnelleren Umsetzung anderer Vorhaben fehlen.
Fortschritte und hohe Erwartungen
Bei der Frage nach der wirtschaftlichen Dimension der Digitalisierung betonte Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, dass starre und veraltete Strukturen in der Verwaltung auch ein Standortnachteil für Unternehmen seien.
„Digitalisierung ist am Ende ja nicht nur Digitalisierung, sondern der Weg hin zu einem modernen Staat, hin zu einer modernen Gesellschaft.“ (Maximilian Funke-Kaiser)
Deshalb sei die möglichst schnelle Umsetzung der digitalpolitischen Projekte auch so wichtig. Funke-Kaiser übte aber auch ein wenig Selbstkritik an der Ampel hinsichtlich des Erwartungsmanagements nach der Regierungsübernahme: Man habe in den Koalitionsvertrag alles reingeschrieben, was jahrelang liegen gelassen worden sei, dann aber gemerkt, dass nicht alles so schnell geht wie erhofft. Trotzdem sei man schon gut vorangekommen, etwa bei der digitalen Infrastruktur, in der Umsetzung des OZG oder der Digitalisierung des Gesundheitswesens.
Einigkeit beim Infrastrukturausbau und bei KI
Weitgehende Einigkeit zwischen den Diskutanten – abgesehen von parteipolitischen Zuschreibungen von (Miss)Erfolgen – herrschte beim Thema Infrastrukturausbau: Hier bewege sich etwas in Richtung schnellerer Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie stärkerer Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, was dringend nötig sei. So hält Bacherle die Zögerlichkeit in diesem Bereich weniger für ein Ergebnis parteipolitischer Positionen sondern eher für „ein föderales Produkt“. Wichtig für die aktuellen Fortschritte sei aber auch die Bundesförderung des Infrastrukturausbaus nach klaren Kriterien mit Vorrang für den eigenwirtschaftlichen Ausbau, wie Funke-Kaiser erklärte.
Schätzl lobte die hohe eigenwirtschaftliche Dynamik beim Glasfaserausbau gerade in den letzten zwei Jahren und gestand ein, es sein in den vorherigen Legislaturperioden Fehler gemacht worden. Deutlich kritisierte er die damalige „jahrelange Förderung des Ausbaus von Kupfernetzen“ und machte dies mitverantworlich für den Ausbaurückstand.
Noch mehr Konsens wurde beim Punkt Innovation durch Künstliche Intelligenz und KI-Regulierung deutlich: Es brauche hier vor allem eine positive Herangehensweise und nicht nur eine Fixierung auf die Gefahren, so der Tenor der Bundestagsabgeordneten. Auch Bacherle zeigte sich hier optimistisch, dass KI-Tools eine wichtige Unterstützung im Alltag sein können.
„Es gibt Risiken, aber damit kann man umgehen.“ (Tobias Bacherle)
Schön lobte die grundsätzliche Einigung über eine gemeinsame europäische Regulierung, wie sie mit dem AI Act der EU angestrebt wird. Sie warnte jedoch vor einer zu komplizierten und bürokratischen Umsetzung der Verordnung in Deutschland, wie es etwa bei der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der Fall gewesen sei. Bacherle bekräftigte, aus solchen Fehlern lernen zu müssen, argumentierte aber auch, dass die Regelungen des AI Acts bei Anwendern von KI-Tools zur Entlastung führen können. Funke-Kaiser hob zudem die Planungs- und Rechtssicherheit für die Unternehmen hervor, die mit dem AI Act einhergehe.
Die Ziele der Abgeordneten bis 2030
Moderator Geywitz richtete mit der abschließenden Frage den Blick in die Zukunft: Was möchten die vier Digitalpolitiker:innen bis 2030 – also über die aktuelle sowie nächste Legislaturperiode hinaus – in diesem Feld noch bewegen?
Bacherle nannte hier eine selbstbestimmte Datennutzung in Europa, speziell eine Transparenz, „welche Daten durch mein Nutzungsverhalten erzeugt werden“. Schön betonte erneut die effiziente Gestaltung der Staats- und Verwaltungsmodernisierung, mehr „Wirksamkeitskontrolle“ bei der Regulierung neuer Technologien sowie im Politikbetrieb als Ziel. Schätzl wies auf die Gigabit-Ziele einer 100-prozentigen Glasfaserversorgung bis 2030 hin und möchte gern „auf jeder Straße in diesem Land ein durchgängiges Mobilfunknetz haben“. Funke-Kaiser schließlich setzte den Fokus auf die vermehrte Nutzung von Gesundheitsdaten in der Forschung, „um mehr Menschen heilen zu können“.
Aus dem Publikum auf die internationale Digitalstrategie angesprochen, antwortete Funke-Kaiser mit dem Wunsch nach einer verstärkten Sicherheit und Normierung, Bacherle mit mehr Standardisierung, Content-Authentizität und „Watermarks“ zur Überprüfung von Veränderungen. Mehr Aufmerksamkeit für die Hardware und die Lieferketten wünschte sich Schätzl. Dem Wunsch eines Gastes aus dem Publikum, bei staatlicher Software auf besseres Design und mehr Nutzerfreundlichkeit für die Bürger:innen zu achten, konnten sich alle vier Diskutanten nur leicht zerknirscht anschließen. Der Moderator nahm den Ball zum Abschluss der Debatte auf und verwies auf das Motto der Digitalstrategie „Im Mittelpunkt der Mensch“, das damit ebenfalls indirekt thematisiert wurde.