BASECAMP_Debate: Frequenzpolitik und 6G – Kreative Lösungen dringend gesucht
An einem heißen Sommertag trafen im gut gekühlten BASECAMP von Telefónica Deutschland in Berlin-Mitte acht Expertinnen und Experten zusammen, um in 75 Minuten über „Strategische Frequenzpolitik – Europa auf dem Weg zu 6G“ zu debattieren, begrüßt von Philippe Gröschel, dem Leiter des BASECAMPS und des Politikteams von Telefónica Deutschland.
Wenig Zeit für ein hochkomplexes Thema, bei dem viele verschiedene Interessen aus Politik, elektronischen Medien, Kultur, Sicherheitseinrichtungen, Mobilfunkunternehmen und Forschung aufeinanderstoßen. Und zwar scheinbar so diametral, dass Gertrud Husch, Leiterin des Referates Digitale Konnektivität im Bundesministerium Digitales und Verkehr, in ihrem kurzen Vortrag am Beginn der Veranstaltung hoffte,
„dass die Bedarfsträger in Deutschland nicht aufeinander herumhacken, sondern zu konsensualen Lösungen kommen“.
Husch erklärte, die Abdeckung mit 5G, dem aktuellen Mobilfunkstandard, liege inzwischen bei 80 Prozent in Deutschland. Mit 6G werde 2030 eine zehnfach höhere Datenübertragungsgeschwindigkeit erreicht. Die 2017 begonnene Forschung zu 6G hofft, auf bis zu 400 Gbit/s kommen zu können.
Effiziente Frequenznutzung ist eine Frage der Verteilung
Es geht bei der Frequenzpolitik um eine Art Verteilungskampf. Ein besonderes Augenmerk liegt derzeit auf dem UHF-Band, welches in der Debatte auch Sub-700 Spektrum genannt wird. Wie Slawomir Stanczak, Professor für Netzwerk-Informationstheorie TU Berlin/Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut, erklärte, sind diese Frequenzen deshalb besonders begehrt, weil sie eine hohe Abdeckung erreichen, ohne dichte Netze zu benötigen, und ihre Wellen durch Mauern gehen. UHF wird zum Beispiel von den öffentlich-rechtlichen Sendern bei DVB-T zur terrestrischen Ausstrahlung ihres Programms genutzt. Ein weiterer wichtiger Nutzer ist der Kulturveranstaltungsbereich für seine drahtlosen Mikrofone und Kameras.
Deshalb saß auch Kathrin Böttcher, Leiterin der Medienpolitik im ARD-Generalsekretariat, auf dem Podium, um die Fragen des Moderators Dr. Holger Schmidt, Netzökonom an der TU Darmstadt, zu beantworten. Sie verstand sich dort als Vertreterin einer Allianz gegen die von der Bundesregierung für die Weltfunkkonferenz im November 2023 geplante Absicht, eine „ko-primäre Nutzung“ von UHF durchsetzen zu wollen. Das heißt, keine Ausschließlichkeit der Frequenz für Rundfunk und Kulturveranstalter, sondern eine künfitge Aufteilung des Spektrums zwischen verschiedenen Bedarfsträgern. Böttcher sagte, Ko-primärität führe zu Frequenzverlusten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Kultur und sei daher nach ihrer Auffassung nicht mit dem Gemeinwohl vereinbar. Denn dazu gehöre auch die Informationsversorgung für die ganze Gesellschaft.
An der Nutzung von UHF hat auch Andreas Gegenfurtner, Präsident der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), ein ganz besonderes Interesse. Das diene nicht nur der Sicherheit – im Ahrtal hat UHF noch funktioniert, als das Mobilfunknetz wegen des notwendigen dichteren Netzes von Stationen zum Teil „wegeschwemmt“ worden war –Gegenfurtner verwies auch auf viele weitere Vorteile, die ein breitbandiges Mobilfunknetz für Behörden mit Sicherheitsaufgaben mit sich bringen würde. Für die Übertragung von Gesundheitsdaten aus dem Rettungswagen oder von Livebildern an die Einsatzzentrale benötigen die Behörden nach Ansicht von Gegenfurtner künftig ein besseres Netz und hier spiele UHF eine zentrale Rolle. UHF komme übrigens auch in Krankenhäusern zur Patientenüberwachung zum Einsatz, erklärte Dr. Volker Ziegler vom Nokia-Forschungszentrum Bell Lab, das im europäischen Projekt Hexa-X von 22 Unternehmen seit Januar 2021 die Forschung und Entwicklung zu 6G leitet. Er meinte, bei Fragen der Sicherheit und medizinischen Versorgung müsse man bei der Frequenznutzung „eine gewisse Exklusivität gewährleisten.“
Von Valentina Daiber, Vorstand Recht und Corporate Affairs, Telefónica Deutschland, wollte der Moderator wissen, wie groß der Frequenzhunger der Mobilfunkunternehmen denn noch wachsen wird. Daiber:
„Der Frequenzhunger folgt dem Datenhunger. Hier sitzt doch niemand im Raum ohne täglichen Smartphonegebrauch.“
Der Hunger wachse auch weiter an, gerade mit den jüngeren Generationen. „Wir brauchen neue Spuren auf der Datenautobahn.“ Deshalb unterstützen Telefónica und die anderen Mobilfunkunternehmen die Absicht der Regierung, die ko-primäre Nutzung von UHF auf der Weltfunkkonferenz zu erreichen, „um die Tür für künftige Entwicklungen bis 2030 nicht zu verschließen“. Man sollte nicht Kultur oder Menschenleben gegen Smartphone ausspielen, sondern gemeinsam kreative Lösungen suchen.
Mobilfunk, Sicherheit, Rundfunk – Verschiedene Bedarfe können in Einklang gebracht werden
Der SPD-Bundestagsabgeordnete aus Passau, Johannes Schätzl, Mitglied im Ausschuss für Digitales, machte aus seiner Präferenz bei UHF für Rettungsdienste keinen Hehl, verwies aber auf Vorschläge, die begehrte Frequenz effizienter zu nutzen und aufzuteilen. Dass die Bedeutung terrestrischer Ausstrahlung der Sender so groß sei, wie von Böttcher angegeben, bezweifelte er. Außerdem werde diese bis 2030 weiter abnehmen. Wichtig ist für ihn eine enge Absprache der Nutzungsstandards in Europa.
Blick in die Zukunft gerichtet – wie steht es um 6G?
Auf die Frage aus dem Publikum, wo Deutschland bei 6G im Vergleich zu China stehe, meinte Ziegler vom Nokia-Forschungszentrum: „Wir sind gleichauf oder sogar einen Tick weiter.“ In der Medizin sehe er „ein Riesenpotenzial“ für die Anwendung. Stanczak verwies auf neue mobile Nutzungen wie selbstfahrende Autos oder die virtuelle Welt, etwa zu sehen an der Apple-Brille. „Ohne zusätzliches Frequenzspektrum geht es nicht. Es geht auch um Zuverlässigkeit“.