BASECAMP ON AIR | Nach der Pandemie: Was bleibt von den neuen Formen der Digitalevents?
In der Pandemie sind wir trotz der Lockdowns beweglich geblieben, aber nur im Geist. Nach dem ersten Schock der Schließungen und Absagen im März 2020 zogen Kulturevents, Messen und Meetings in den digitalen Raum. Immer ausgefeilter wurden die Angebote, für die wir uns nicht einmal von Schreibtisch oder Sofa wegbewegen mussten. Doch reicht uns das, fragte Nicole Nehaus-Laug im BASECAMP ON AIR von Telefónica Deutschland ihre Gäste aus der Veranstaltungsbranche.
„Alles neu macht Corona – wie sehen die Veranstaltungen der Zukunft aus?“: Das diskutierten Daniela Stack von der Deutschen Messe AG, Stefanie Lüdecke, Geschäftsführerin der TLLG, einer „Agentur für Digitales Business“, Dr. Stefan Brandt, Direktor des „Futuriums“ in Berlin-Kreuzberg, und – zugeschaltet – Professor Dr. Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin, vor Publikum im BASECAMP in der Mittelstraße in Berlin und am Bildschirm. Einig waren sich alle fünf Gesprächspartner:innen, dass es künftig Mischformen geben wird, die alle Vorteile des Digitalen mit dem unverzichtbaren menschlichen Kontakt verbinden werden. Denn der Mensch als soziales Wesen mag den persönlichen Umgang mit anderen Menschen einfach nicht missen und darf es für seine seelische Gesundheit auch nicht.
Als im März 2020 der erste Lockdown der Corona-Zeit kam, waren die Mitarbeiter:innen durch die Bilder aus Oberitalien schon vorgewarnt, erklärte Brandt die Situation im damals gerade erst eröffneten „Futurium“. Berliner Museen und Berliner Politik kamen praktisch im Gleichschritt zum Schließungsbeschluss. Er habe das Gefühl gehabt, „an etwas Historischem teilzunehmen“, erinnerte sich Brandt, aber mit den vielen Monaten der Pandemie und mehrfachen Schließungen habe er nicht gerechnet:
„Wir haben Routine entwickelt im Hin und Her“.
„Auf Sicht fahren“ hieß das Arbeitsprinzip bei der Deutschen Messe, so Daniela Stack in der Rückschau. Immer wieder neue Termine und Konzepte für die weltweit bedeutende und eigentlich im April angesiedelte „Hannover Messe“ wurden entwickelt, ehe man sich entschloss, mit allen Veranstaltungen ins Digitale umzuziehen. Nun habe man gerade erfahren, dass man jetzt wirklich für reale Messen planen könne, und der Jubel sei groß.
Bei TLLG machte man sich als Digitalunternehmen zunächst weniger Sorgen um die eigenen, das Digitale gewöhnten Mitarbeiter:innen, sondern um die Kund:innen, die man auf dem Weg dorthin berate. Diese hätten in der Pandemie vielfach einen größeren und schnelleren Schritt ins Digitale machen müssen, als dies ohne Lockdown möglich gewesen wäre.
Für Johannes Vogel, den studierten Evolutionsbiologen, war das Ausmaß dessen, was auf uns alle zukommen würde, spätestens klar, als feststand, dass Covid-19 von Mensch zu Mensch übertragen wird. Als Leiter eines Leibniz-Forschungsmuseums wies er darauf hin, dass von den etwa 520 Beschäftigten des Naturkunde-Museums nur rund 20 bis 25 Prozent in der öffentlichen Arbeit tätig und somit direkt von den Schließungen betroffen seien. Gezeigt habe die Corona-Krise nach seiner Einschätzung viel Grundsätzlicheres, nämlich, auf welch „tönernem und künstlichen Fundament wir unsere Wirtschaft wie einen Popanz aufgebaut haben“, und dabei zu lange außer Acht gelassen hätten, dass Natur und Wirtschaftssystem so „nicht kompatibel“ seien.
Die Pandemie sei eine Zeit des Ausprobierens. Man habe gelernt, Zoom-Formate lebendiger zu gestalten, habe bei vielen Mitarbeiter:innen ganz neue Kreativität und Kompetenzen entdeckt, stimmten die Diskussionsteilnehmer:innen überein. Die Fehlertoleranz sei viel größer gewesen als vorher, da alle neue Wege gehen mussten. Eine neue Achtsamkeit und Verantwortung, gerade auch im Kontakt zu den Mitarbeiter:innen im Homeoffice, sei entstanden und werde hoffentlich erhalten, meinten Stack und Lüdecke. Mehr solche Achtsamkeit auch auf den sozialen Plattformen wünscht sich Stack als Lehre aus der Zeit ohne persönliche Nähe.
Das digitale Spektrum der Events werde bleiben, so Brandt. Die Institutionen hätten gelernt, Erlebnisse weniger für und mehr mit den Besucher:innen zu gestalten. Man habe ein Publikum gewonnen, das man ohne die digitalen Möglichkeiten vorher selten erreicht habe. Interessierte können künftig über die Kontinente hinweg besser in Kontakt bleiben oder gezielt aus Konferenzangeboten auswählen, ohne weite und umweltschädliche Reisen wegen weniger Programmpunkte antreten zu müssen, betonte auch Stack. Wie man welche Zielgruppe künftig real, digital oder hybrid anspreche, müsse viel stärker als vorher in alle Planungen einbezogen werden, so das Fazit der Runde.
„Wir haben uns eine ganz neue Welt erschlossen“,
zeigte sich Brandt überzeugt. Und jetzt, so Vogel, müsse auch bei dieser neuen Form der Massenkommunikation eine „digital literacy“ entstehen, ein menschlich akzeptabler Umgang miteinander.