BASECAMP ON AIR mit Clemens Fuest und Markus Haas: Neue Frequenzpolitik für mehr Digitalisierung
Foto: Screenshot aus der Veranstaltung
Die Corona-Pandemie hält an und hat in Gesellschaft und Volkswirtschaft Spuren hinterlassen. Bei BASECAMP ON AIR diskutierten ifo-Präsident Prof. Clemens Fuest und Telefónica CEO Markus Haas über die Auswirkungen der Krise und den Weg in eine wettbewerbsfähige, digitale Zukunft. Markus Haas plädierte für eine klare Investitionsagenda – und eine Änderung der Frequenzpolitik, um beim Netzausbau international aufzuholen. Ein Umdenken bei der Datenregulierung war eine zentrale Botschaft von Prof. Clemens Fuest. Er forderte, eine bessere Verfügbarkeit vorhandener Echtzeitdaten und das Datenteilen einfach aber sicher zu ermöglichen.
Wie kommen wir in Deutschland wirtschaftlich gut aus der Corona-Krise und stellen uns dabei langfristig wettbewerbsfähig auf? Darüber diskutierten Prof. Clemens Fuest, der Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, und Markus Haas, CEO von Telefónica Deutschland, am 24. März bei BASECAMP ON AIR. Die Antwort auf die Frage erfordert einen Blick auf die Ausgangssituation, die Ifo-Präsident Fuest in einem Impulsvortrag erläuterte. So sieht er einzelne Bereiche des Dienstleistungssektors sowie den Einzelhandel durch die Pandemie schwer getroffen. Gleichzeitig attestierte er eine „stabile Industriekonjunktur“, die getragen werde durch die fortschreitende wirtschaftliche Erholung in den USA und Asien.
Darüber hinaus, erklärte Fuest, haben die Corona-Pandemie und ihre Folgen Digitalisierungsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft befördert und die Art verändert, wie wir arbeiten. So sage rund die Hälfte der Menschen, die ins Homeoffice gewechselt sind, sie wolle auch nach der Pandemie weiter von zuhause arbeiten. „Eine Erhebung unseres ifo-Instituts geht davon aus, dass das generelle Homeoffice-Potenzial in Deutschland bei 56 Prozent aller Arbeitsplätze liegt“, so Fuest.
Regulierung überdenken
Im anschließenden Austausch forderte Telefónica-CEO Markus Haas, die Regulierung in Deutschland neu zu denken, um mit Schwung aus der Corona-Krise zu kommen und die Digitalisierungsfortschritte zu verstetigen. „Lassen Sie uns nicht zurück schauen sondern nach vorne“, appelliert er. „Die Datenvolumina werden weiter wachsen, entsprechend muss der Netzausbau schnell fortschreiten“. Vor diesem Hintergrund sprach sich Haas für vereinfachte Bauvorschriften, Änderungen bei der Frequenzvergabe und Bürokratieabbau aus.
Eine Überarbeitung regte Haas unter anderem bei den Förderprogrammen an. „Die sind sehr komplex“. Er plädierte für einfachere Regeln und bezog das zusätzlich auf Planungs- und Genehmigungsverfahren für Mobilfunkstandorte, „die viel zu lange“ dauerten. Da 99,5 Prozent aller Antennen ohnehin genehmigt würden, solle der Bau erst einmal freigestellt und Anlagen, die sich im Nachhinein als nicht genehmigungsfähig herausstellten, wieder abgebaut werden, so Haas.
Plädoyer für Daten-Ordnungspolitik
Auch Clemens Fuest forderte eine neue „digitale Ordnungspolitik“, um die Fortschritte der Digitalisierung auf Seiten der Wirtschaft zu unterstützen. „Es ist von zentraler Bedeutung, einen Regulierungsrahmen für das Datenteilen zu schaffen“, machte er klar. Verschiedene Ansätze seien denkbar. Beispielhaft führte Fuest eine gesetzliche Pflicht zum Datenteilen, den Aufbau einer staatlichen Datenbehörde, die über die Datenweitergabe entscheidet sowie die Einrichtung privater Daten-Trusts, die fallweise über den Datenzugang bestimmen, auf.
Wozu der Rückstand bei der Datenregulierung führt, machte der Chef des ifo Instituts deutlich: „Wir haben massivste Mängel, was die Verfügbarkeit von Echtzeitdaten anbelangt.“ Dabei hätten gerade diese den Unternehmen helfen können, die aktuelle Krise zu managen. Das Problem sei nicht, dass keine Echtzeitdaten zu Verkehrsflüssen oder Strom- und Wasserverbrauch existierten, sie seien jedoch nicht zentral abrufbar. Das liege zum einen an einem Erkenntnis- und zum anderen an einem Regulierungsproblem. Das all diese Daten bisher brach liegen, führe aber dazu, „dass unser Krisenmanagement viel schlechter ist als es sein könnte“.
Deutschland mit den höchsten Frequenzkosten in Europa
Auf die Frage von Moderatorin Carola Ferstl, was sich Markus Haas konkret von der Politik wünsche, um den nächsten Schritt in der Digitalisierung in Deutschland gehen zu können, forderte Haas, das laufende parlamentarische Verfahren zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes zu nutzen, um Investitionen in die digitale Infrastruktur „stärker anzureizen und damit auch mehr Bandbreite in den ländlichen Raum zu bringen“. Er plädierte zudem dafür, „der Industrie nicht vorweg viel Geld zu entziehen“ und künftig auf teure Auktionen für Bestandsfrequenzen zu verzichten. Das eingesparte Geld könne so direkt von den Netzbetreibern in den Netzausbau fließen. Zu diesem Zweck sollten die bestehenden Frequenznutzungsrechte verlängert werden – dies sorge für Planungssicherheit und eine höhere Investitionsbereitschaft auf Seiten der Unternehmen. Dass die bisherige Frequenzpolitik nicht der beste Weg ist, belege der europäische Vergleich, sagte Haas: „Deutschland hat mit die höchsten Frequenzkosten – und hinkt deshalb im Netzausbau international hinterher. Die Folgen tragen die Netzbetreiber und letztlich die Verbraucher“.
Eine Investitionsoffensive für Deutschland
Darüber hinaus plädierte Haas für eine Investitionsoffensive. Es brauche durchaus auch staatliche Investitionen in digitale Infrastruktur in besonders gering besiedelten Regionen – wichtiger seien aber attraktivere Rahmenbedingungen für private Investitionen. Telefónica selbst investiere 2021 rund 1,3 Milliarden Euro in die Infrastruktur und damit in die digitale Zukunft Deutschlands. „Wir werden das Investitionsniveau weiter hochhalten“, so Haas weiter. „Für die Industrie 4.0 stellt unser Unternehmen mit 5G und Lösungen für Campusnetze eine wichtige zukünftige Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften bereit.“ Generell bestehe durch die Automatisierung und Digitalisierung der Industrie die Gelegenheit, auch wieder wettbewerbsfähige Produktion nach Deutschland zu holen, unterstrich Haas.