BASECAMP Kitchen Talk: Robert Habeck im Gespräch mit Katrin Bauerfeind
Robert Habeck muss als Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz die beiden großen Transformationsaufgaben unserer Zeit – Digitalisierung und Klimawandel – anpacken. Was ihn als Politiker antreibt, wie er auf die politische Debattenkultur in Deutschland blickt und warum wir notwendige Veränderungen als Gesellschaft annehmen sollten, hat er beim Kitchen Talk im BASECAMP verraten.
Mit Robert Habeck konnte Gastgeberin Katrin Bauerfeind den Bundesminister beim Kitchen Talk begrüßen, der momentan wohl mit am stärksten polarisierte Reaktionen in der Bevölkerung hervorruft. Er gilt „wahlweise als Sargnagel der deutschen Wirtschaft oder als letzter Strohhalm der Vernunft in der deutschen Politik“, wie die bekannte TV-Moderatorin und Journalistin es bei der Begrüßung formulierte. Das Dasein als Politiker und die gegenwärtige öffentliche politische Debatte waren dann auch zentrale Themen des Gesprächs vor dem zahlreich anwesenden Publikum im BASECAMP.
Leiden politische Entscheidungen unter Hunger und Müdigkeit?
Passend zur Mittagszeit und dem Küchentisch als Ort des Gesprächs ging es zunächst darum, ob der Wirtschaftsminister zwischen all seinen Terminen eigentlich genug zu essen bekommt – und inwiefern Hunger eigentlich die Qualität politischer Entscheidungen beeinflusst. Der Hunger sei eigentlich kein Problem, Müdigkeit hingegen schon, gerade wenn öfter bis spät in die Nacht getagt wird, so Habeck.
„Manchmal brauchen Entscheidungen wahrscheinlich die Drucksituationen, dass es nun auch wirklich ausgereizt ist. Aber ob sie dann besser werden, da kann man ein Fragezeichen setzen.“
Da beim Kitchen Talk kein Essen serviert wird, musste zunächst Habecks Erinnerung an Labskaus, unter anderem aus Kindheitstagen im Kieler Umland, genügen. Und natürlich wurde auch kurz über die neulich bekannt gewordenen Königsberger Klopse des Kanzlers gesprochen, die Habecks Kabinettskollege Karl Lauterbach bei der ersten Ausgabe des Formats aufgegriffen hatte.
Ein Schriftsteller wird Politiker
Beim Blick auf Habecks Vergangenheit wurde deutlich, dass bereits früh, mit elf Jahren, sein Interesse am politischen Diskutieren erwachte, als es darum ging, ob seine Schule nach Heinrich Heine benannt werden sollte. Als politischer Redner verortet sich Habeck, der 2002 im Alter von 33 Jahren den Grünen beitrat, heute „irgendwo zwischen Scholz und Söder“, wie das Publikum mit einem Augenzwinkern erfuhr.
Da der promovierte Germanist lange Zeit gemeinsam mit seiner Frau als Schriftsteller tätig war, wurde natürlich auch sein Wirken als Autor, u.a. für Kinder- und Jugendbücher, aufgegriffen. So seien seine Bücher ebenfalls „Produkte ihrer Zeit“. Zum Beispiel wurden die Kindernamen in Habecks Büchern von den Verlagen zeitgemäß angepasst.
Mehr Raum für ruhigere Debatten
Über die Frage, ob selbst Kinderbücher mittlerweile ein politisches Thema sind, kam Habeck aufs Thema Debattenkultur in Deutschland zu sprechen. Aus seiner Sicht sei auch über die Literatur hinaus „manchmal die Aufgeregtheit der Debatte dem Thema gar nicht angemessen“ – besonders, wenn es um Themen der privaten Lebenswelt wie Essen, Reisen oder Partnerschaft geht, die eigentlich entspannt im Sinne freier Entfaltung diskutiert werden sollten. Unter solch schnell überhitzten Debatten leide zudem die Klarheit der politischen Kommunikation, weil Politiker:innen mittlerweile jedes Wort genau abwägen und in ihren Äußerungen an Spontanität und Freiheit verlieren würden.
„Wir leben in so komplizierten und bedrückenden Zeiten, dass ich finde, es müsste eigentlich mehr Raum für eine ruhige Debatte geben.“
Angesprochen auf seine Wahrnehmung der verschiedenen Rollen als Privatperson und Wirtschaftsminister gab Habeck zu, durch die Formalitäten und Hierarchien gegenüber dem „Herrn Minister“ zunächst irritiert gewesen zu sein, da er auch als Politiker den direkten, persönlichen Draht bevorzuge. Zugleich betonte er die besondere Verantwortung, die mit dem Amt einhergeht: Der Titel des Ministers nehme einen in die Pflicht, sich nicht wegducken zu können und Entscheidungen zu treffen, die man sonst nicht unbedingt treffen möchte.
Plädoyer für Kompromisse und Ausgleich in der Politik
Die gern genutzte Zuschreibung, wonach Habeck ein guter Geschichtenerzähler sei, wollte er allerdings nicht so stehen lassen – es sei denn, man versteht darunter jemanden, der Dinge und Narrative gut und verständlich einordnen kann. Auf Bauerfeinds Nachfrage, wie es denn um das Narrativ des Klimaschutzes in Deutschland bestellt ist, merkte der grüne Wirtschafts- und Klimaminister an, dass es zwar unter Druck geraten sei und durch andere drängende Themen unserer Zeit etwas in den Hintergrund der öffentlichen Wahrnehmung gerückt sei. Trotzdem sei der Klimaschutz als Thema noch da und bei vielen Menschen präsent.
Bauerfeind wollte vom Gast außerdem wissen, wie sehr es nervt, hierzulande ein Politiker zu sein, der etwas verändern möchte. Doch Habeck ließ sich davon nicht locken und betonte seine Verortung in der politischen Kultur des Landes. Zudem verwies er auf Deutschlands Geschichte und geografische Position in der Mitte Europas, aufgrund dessen es die Aufgabe habe, einen Ausgleich zwischen verschiedenen Gegensätzen zu finden. Und dafür brauche es eben Kompromisse: „Ich hoffe, im besten Sinne deutsche Politik zu verkörpern“, so Habeck – also nicht Extrempositionen zu vertreten, sondern aufeinander einzugehen und gemeinsam Kompromisse zu finden.
Das Potenzial von KI nutzen, ohne naiv zu sein
Mit Blick auf die aktuelle Bundesregierung habe es die Ampel-Koalition allerdings zu wenig geschafft, die gefundenen Kompromisse und Lösungen als eine Leistung nach außen darzustellen. Dahinter stehe ein grundsätzliches Problem der Politik, in der alles nach taktischem Gewinn und Verlust oder Verrat bewertet wird, so Habeck.
„Die Großmütigkeit, dem anderen mal kurz den Raum zu geben, wird gleich als Schwäche dargestellt. (…) Ich kann nicht sehen, dass das für die Ampelregierung noch für das Land ein Erfolgsmodell ist.“
Eine weitere Eigenheit Deutschlands betrifft den nur schleppenden Fortschritt der Digitalisierung, wie Bauerfeind mit Verweis auf Angela Merkels berühmte „Neuland“-Äußerung unterstrich und fragte nach den Potenzialen Künstlicher Intelligenz. Habeck verneinte zwar das scherzhafte Gedankenspiel, dass Finanzminister Christian Lindner durch eine KI ersetzt werden sollte, aber er zeigte sich optimistisch über andere Möglichkeiten der Technologie:
„Ich glaube, dass KI uns hilft, ganz viele Probleme zu lösen und Dinge schneller zu machen.“
Als Beispiel führte der Minister die 15.000 bis 19.000 Seiten an, die man momentan noch für Genehmigungsverfahren bei 100 km Stromnetzausbau braucht. Mithilfe von KI-Programmen könne die Bearbeitung solcher umfangreichen Anträge wesentlich beschleunigt werden. Wichtig sei allerdings auch bei solchen Anwendungen, dass der Mensch die Kontrolle behält und in der Lage ist letzte Entscheidungen selbst zu treffen. Zudem dürfe man nicht naiv sein, was die Gefahren angeht, etwa KI-generierte Inhalte, die menschliche Emotionen manipulieren und für Desinformation eingesetzt werden.
Wie Habeck mit Protesten und Anfeindungen umgeht
Die Relevanz des damit verbundenen Themas von Hass und Bedrohungen haben Habeck und die Grünen in letzter Zeit häufiger selbst erleben müssen. Die naheliegende Frage, wie er mit den Protesten und Anfeindungen gegen seine Person umgeht, betonte Habeck, dass man sich als Politiker dem immer stellen und Gesprächsangebote machen sollte – jedenfalls solange die Sicherheitslage es zulässt. Denn es sei wichtig, konkret und konstruktiv miteinander zu diskutieren. Proteste gehörten schließlich schon immer zur demokratischen Debatte dazu. Dabei müsse aber der Raum für politische Lösungen erhalten bleiben.
Bei der Abschlussfrage, was von Habeck als Politiker bleiben soll, nannte er die Vorhaben, die während seiner Zeit als Wirtschaftsminister umgesetzt wurden, insbesondere der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Und er wünscht sich, dann einen Beitrag dazu geleistet zu haben, dass Veränderungen in Deutschland mutiger angegangen werden. Auch wenn Veränderungen für die Menschen stets eine Zumutung bedeuten und anstrengend sind: „Wir werden die Herausforderungen nur bestehen, wenn wir sie annehmen.“